Denkanstösse und Impulse zur Vorsorge aus der Gesamtperspektive vermittelte Mitte Mai eine Podiumsdiskussion der B+B Vorsorge AG in Zürich.
Katharina Prelicz-Huber, Nationalrätin der Grünen Partei und Präsidentin der VPOD, bezeichnete das Vorsorgesystem als grosse Errungenschaft der Schweiz. Es müsse sicherstellen, dass Menschen im Alter ihren gewohnten Lebensstandard fortsetzen und ohne Armut leben können.
Ihres Erachtens brauche es eine Flexibilisierung, es bestehe aber keine Not für einen Abbau von Leistungen, solange der Verfassungsauftrag noch nicht vollständig erfüllt sei.
Finanzprodukte, die «besser arbeiten»
Alberto E. Romaneschi, selbstständiger Experte für Treasury- und Finanzberatung, warnte davor, die heutige Sicht in die Zukunft zu projizieren. Um die Finanzierung der Vorsorgeleistungen auch längerfristig sicherstellen zu können, werden wir zwangsläufig länger arbeiten müssen, meinte er.
Es brauche überdies Finanzprodukte, die «besser arbeiten» sowie gleichermassen ökologischen wie ökonomischen Ansprüchen genügen.
Vorsorge wird teurer
Patrik Schaller, Leiter Vorsorge der Ernst & Young AG, wies darauf hin, dass die Langlebigkeit abschätzbar sei und entsprechende Rückstellungen vorgenommen werden können. Da es aber schwierig sei, für den volatilen Anlagemarkt verlässliche Prognosen abzugeben, werde die Finanzierung der Vorsorge mehr kosten, wenn die Leistungen nicht gekürzt werden.
Katharina Prelicz-Huber verwies auf eine Pensionskassen-Studie, in der 58 Prozent der Befragten Kritik an der Politik geübt und sich geäussert hätten, dass es mehr Mittel brauche. Das bestehende Zahlenmaterial würde aber zeigen, dass die nächsten zehn, 15 Jahre keine Schwierigkeiten bestehen und das sich gar ein Teilausbau finanzieren lasse.
Sparpotenzial beim Verwaltungsaufwand
Auf die Frage des, mit welcher Struktur der Kassen eine effizientere, kostengünstigere und weniger risikobehaftete Führung möglich sei, äusserte Alberto E. Romaneschi, dass er auf Seiten des Verwaltungsaufwands ein gewisses Sparpotenzial sehe.
Allerdings müsse man sich viel eher Gedanken machen, ob es tatsächlich 2‘500 Vorsorgeeinrichtungen brauche, um die 600 Milliarden Franken Vorsorgevermögen zu verwalten. Er vertrat die Meinung, es seien 2‘000 Einrichtungen zu viel, vor allem wenn man bedenke, dass demgegenüber lediglich rund 300 Banken seit 200 Jahren grosse Vermögen verwalteten.
Weniger Pensionskassen...
Romaneschi sieht denn auch das grösste Potenzial in einer Reduktion der Anzahl Pensionskassen, da kleinere Strukturen bei Anlageentscheiden nicht optimal seien und es dementsprechend auch weniger Berater brauche.
Patrik Schaller machte in diesem Kontext darauf aufmerksam, dass 100 Kassen 80 Prozent des Vorsorgevermögens repräsentieren. Kleineren Kassen seien mit überdurchschnittlich hohen Kosten konfrontiert.
...aber gegen BVG-Einheitskasse
Auch wenn der Kostenaspekt nicht das allein ausschlaggebende Kriterium für oder gegen eine eigene Pensionskasse sei, sah er diesbezüglich dennoch einen Handlungsbedarf.
Katharina Prelicz-Huber stimmte zu, dass es keine 2‘500 Kassen brauche, sprach sich aber gegen eine BVG-Einheitskasse aus. Es könne nicht darum gehen, die bewährte Sozialpartnerschaft aufzulösen oder die berufliche Vorsorge mit der AHV zu mischen. Es brauche aber in den Stiftungsräten professionelle Vertreter.
Stiftungsräte sollen jüngere Arbeitnehmer berücksichtigen
Angesichts der Komplexität der Materie müsse dementsprechend in die Weiterbildung werden. Romaneschi pflichtete ihr bei, dass in der beruflichen Vorsorge ein Konstrukt geschaffen worden sei, dass selbst für Fachleute schwierig zu verstehen sei. Denn 110-seitige Verordnungen lese wohl kaum jemand.
Patrik Schaller plädierte dafür, bei der Zusammensetzung des Stiftungsrats auch jüngere Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Diese hätten eine andere Perspektive, zumal ältere Arbeitnehmer stärker Eigeninteressen vertreten. Eine Vereinfachung sei aber klar ein Thema.
Entpolitisierung wäre wünschenswert
Die Komplexität rühre vor allem die Zweiteilung in einen obligatorischen und einen nicht obligatorischen Teil. Ausserdem hielt er eine Entpolitisierung des Themas für wünschenswert. Prelicz-Huber fügte an, dass die berufliche Vorsorge politisch aufgegleist worden sei. Sie konnte sich eine Entkoppelung des obligatorischen und überobligatorischen BVG-Teils vorstellen, was sie aber gleichzeitg als schwierig erachtete, da der Verfassungsauftrag noch nicht erfüllt sei und weil damit Interessen verbunden seien.
Für Romaneschi braucht es für die Sicherstellung der Corporate Governance von Pensionskassen eine hohe Professionalität, eine Entpolitisierung und eine Aufsicht, die im Fall von Missständen rasch eingreife.
Ämterkumulation vermeiden
Patrik Schaller sieht bei autonomen Vorsorgeeinrichtungen Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Transparenz bei den Anlagen und der Abwicklung der Vermögensverwaltung.
Eine Ämterkumulation sei durch den Beizug externer Experten zu vermeiden. Wenn dieselben Stellen gleichzeitig die Kassen führen, das Vermögen verwalten und die Kontrolle ausüben, führe dies sonst zwangläufig zu Interessenskonflikten.
Wann in Pension gehen?
Darauf angesprochen, wann sie selbst in Pension gehen wollen, meinte Romaneschi, dass er bis 75 Jahre arbeiten wolle, da ihm die Arbeit Spass mache. Für Katharina Prelicz-Huber hängt der Zeitpunkt der Pensionierung von der Gesundheit ab. Patrik Schaller kann sich vorstellen, sein Arbeitspensum sukzessive abzubauen und mit 65 Jahren in Pension zu gehen.