Synpulse legt eine umfassende Studie über Embedded Finance in der Schweiz vor und schliesst damit eine Forschungslücke. Die Ergebnisse sind für die Banken, die Nicht-Banken und die Technologiebranche relevant.
Auch wenn die Schweizer Bankenlandschaft – abgesehen vom Spezialfall Credit Suisse – sich in den vergangenen Jahren stabil gezeigt hat, sind die Bruttogewinne seit 2005 über 34 Prozent zurückgegangen. Gefragt sind also innovative Geschäftsmodelle, um dieser Gewinnerosion entgegenzuwirken.
Synpulse, ein auf die Finanzdienstleistungsbranche spezialisierter Unternehmensberater, ortet vor diesem Hintergrund Chancen in Embedded Finance und Banking as a Service (BaaS), wie eingebettete Zahlungsmöglichkeiten oder Buy-Now-Pay-Later-Angebote (Zahlung auf Rechnung, Ratenzahlung) im Online-Handel. Am Donnerstagabend wurden in Zürich dazu die Ergebnisse einer zusammen mit Swiss NextGen Finance erstellten Studie präsentiert.
Bankdienstleistungen dorthin bringen, wo sie der Kunde gerade braucht
Raphael Bianchi, Senior Partner von Synpulse und Präsident der Open Wealth Association (die Mitte September ihren Jahresanlass in Zürich durchgeführt hatte), hielt bei seiner Begrüssung fest, dass die 300-seitige Studie akademischen Ansprüchen genüge und vielleicht etwas früh komme.
Die Autoren Manuel Thomet, Initiator der Studie, und Professor Bernhard Koye, akademischer Partner sowie Co-Gründer und Leiter von Swiss NextGen Finance, stellten die Methodik und natürlich v.a. die Erkenntnisse der Studie «Embedded Finance und Banking as a Service in der Schweiz: Outlook 2024» vor. Es gehe letztlich darum, das Bankdienstleistungen (Versicherungen, also Embedded Insurance, wurden ausgeklammert) dorthin zu bringen, wo sie vom Kunden benötigt würden.
Eine saubere Datengrundlage für die Schweiz
Es existiere zwar schon eine umfangreiche Literatur zur Thematik, doch hätten bislang solide Daten zur Lage in der Schweiz gefehlt. Die Studie schliesse nun diese Forschungslücke, und man verspreche sich davon sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht (der einzelnen Akteure) als aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtsicht einen Gewinn.
Die Studie basiert auf Umfrageergebnisse, die dann in Fokusgruppen und in Interviews mit Unternehmensleitungen plausibilisiert wurden. Sie bietet einen umfassenden Einblick in die Entwicklungen rund um Embedded Finance und BaaS und hat alle relevanten Akteure – Banken, Enabler (Technologieanbieter), Embedder (Nicht-Banken) sowie Konsumenten – einbezogen.
Tipping Point bei der Mehrzahl von Bankdienstleistungen schon erreicht
Die zwei Autoren – der dritte ist Yves Schuster – betonten die Bedeutung des sogenannten Tipping Point (Kipppunkt). Die Forschung respektive die Empirie zeigt, dass dieser auf digitalen Märkten erreicht ist, wenn eine Innovation von 16 Prozent der Bevölkerung genutzt wird. Ab diesem Punkt nehmen die Netzwerkeffekte zu, weil auch die zuerst zögerlichen Konsumenten nun auf den Zug aufspringen. Für die Unternehmen nimmt aber der Grenzertrag ab; deshalb lohnt es sich, schon früh dabei zu.
Und wie sieht diesbezüglich die Situation bei den fünf Bankdienstleistungen Zahlen, Sparen, Finanzieren, Investieren und Vorsorgen in der Schweiz aus? Wie stark werden entsprechende Angebote ausserhalb des Bankenbereichs schon genutzt (z.B. bezahlen auf der SBB-App mit Twint)? Im Rahmen der Studie wurde eine repräsentative Umfrage unter 1000 Konsumenten durchgeführt. Das Ergebnis: Bereits bei drei dieser Bankdienstleistungen ist der Tipping Point überschritten.
Haben die hochregulierten Banken noch genügend Ressourcen für Innovationen?
Dass das «Ökosystem» von Embedded Finance gross ist, zeigte die Zusammensetzung der Teilnehmer der anschliessenden Podiumsdiskussion: Eva Selamlar-Leuthold vertrat als Head Swiss Financial Innovation Desk (FIND) den Bund, Manuel Kunzelmann als CEO der Migros Bank die Banken (er kennt zudem die Situation des Detailhändlers Migros als Embedder bestens), Ruedi Noser brachte die Perspektive des Unternehmers und der Politik hinein, und Christoph Thomet repräsentierte als CEO von Musik Hug eine Branche, die man nicht unbedingt zuerst mit Digitalisierung in Verbindung bringt.
In der Diskussion wurde auf die Gefahr der dichten Regulierung des Bankensektors in Bezug auf die Innovation hingewiesen. Regulierung und Compliance seien sehr kostspielig und beanspruchten zudem erhebliche Managementkapazitäten, so dass Investitionen in Innovationen, und damit auch in Embedded-Finance-Anwendungen, zu kurz kämen. Betont wurde ferner die Bedeutung von offenen und standardisierten Daten mit funktionierenden Schnittstellen, das Herzensanliegen der Open Wealth Association.
Handlungsempfehlungen für Banken und Nicht-Banken
Die (nicht zwangsläufig integrale) Lektüre der Studie lohnt sich für diejenigen, die das ökonomische Potenzial von Embedded Finance besser einschätzen können möchten und besser verstehen, was die Voraussetzungen sind, damit neue Geschäfts- und Betriebsmodelle erfolgreich umgesetzt werden können.
Die Studie enthält auch Handlungsempfehlungen für Banken und für Embedder (wozu in einem weiteren Sinne auch die Neobanken gezählt werden). Potenziale sollten analysiert und strukturiert werden, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Zudem sollte eine klare Roadmap erarbeitet werden, in welcher der Einsatz von Partnern und spezifischen Anwendungsfällen integriert ist. Empfohlen wird ferner eine proaktive Kommunikation mit der Führungsebene und dem Verwaltungsrat, damit diese überzeugt hinter den Massnahmen stehen.
Mindset und Organisation anpassen
Ein zentrales Element bilde zudem das Vorantreiben und Weiterentwickeln eines Partnerkonzepts. Darüber hinaus müssten das Mindset sowie die Organisation so gestaltet werden, dass «kooperative Wertschöpfungskonfigurationen» erfolgreich unterstützt würden. Ein weiterer Ratschlag lautet, die Technologiekompetenz weiterzuentwickeln, um innovative und kooperative Wertschöpfungsmodelle zu ermöglichen.
Hervorgehoben wird ferner die Bedeutung eines branchenübergreifenden Dialogs, wobei Verbände und die Politik unterstützend wirken sollen – der Anlass am Donnerstagabend lieferte unzweifelhaft einen substanziellen Beitrag dazu.