Christian Brenner ortet einen Paradigmenwechsel. Gold werde als Hard-Asset wie Bargeld immer häufiger als Backup an Bord genommen, um sich auch gegen IT-Ausfälle oder Cyber-Kriminalität zu schützen, sagt der Präsident und Geschäftsführer des Edelmetallhändlers Philoro Schweiz. Im kommenden Jahr sieht er den Unzenpreis auf neue Rekordhochs steigen.


Herr Brenner, der Goldpreis hat sich im Jahr 2023 überraschend gut entwickelt. Ist nach den jüngsten Preisanstiegen das Ende der Fahnenstange schon erreicht?

In den letzten 18 Monaten sind die Zinsen im Rekordtempo gestiegen. Dass in diesem Umfeld der Goldpreis steigt, ist erstaunlich. Für das kommende Jahr sehe ich beim Goldpreis nur eine Richtung, und die heisst «aufwärts».

Die erwarteten Zinssenkungen der Zentralbanken, allen voran der US-Notenbank unter Führung von Jerome Powell, verleihen Gold Auftrieb. Wenn der Erzfeind des Goldes, der Zins, gesenkt wird, erwarten wir steigende Preise.

Ist die Zinssenkungsphantasie noch nicht eingepreist?

Der Markt reagiert oft auf das, was gesagt wird, nicht unbedingt auf das, was getan wird, und das allein kann sich schon sehr positiv auf den Goldpreis auswirken. Die Frage ist nicht mehr, wann wir ein neues Allzeithoch sehen, sondern wie hoch es sein wird. Und da gehen die Meinungen der Experten weit auseinander.

«Gold muss nicht immer als reines Krisenprodukt gesehen werden»

Konservative Auguren gehen von einem Unzenpreis von 2’400 bis 2’500 Dollar aus. Es gibt aber auch Spekulationen bis über 3’000 Dollar. Ich gehe davon aus, dass wir deutliche Allzeithochs beim Gold sehen werden.

Welche weiteren Faktoren sprechen für einen höheren Goldpreis?

Das geopolitische Umfeld ist mit dem Russland-Ukraine-Krieg und dem Nahost-Konflikt nach wie vor sehr unsicher. Ich denke auch, dass ein Paradigmenwechsel stattfindet. Gold wird als Hard-Asset wie Bargeld immer häufiger als Backup mit an Bord genommen, um sich beispielsweise gegen IT-Ausfälle oder Cyber-Kriminalität zu schützen.

Gold muss auch nicht immer als reines Krisenprodukt gesehen werden. In China steht das Jahr des Drachen vor der Tür. Das ist im asiatischen Raum ein ganz besonderes Jahr. Da kaufen die Asiaten und Asiatinnen sehr gerne Gold.

Gold nahe am Allzeithoch – Wie gehe ich als Käufer damit um?

Es empfiehlt sich, in regelmässigen Abständen zu kaufen. Dadurch werden Kursschwankungen ausgeglichen und es bildet sich im Laufe der Zeit ein durchschnittlicher Einstiegskurs. Der Einstiegszeitpunkt an sich ist nicht das wichtigste Kriterium.

«Beim Schweizer Goldvreneli oder den Wiener Philharmoniker kann man nichts falsch machen»

Was meinen Sie damit?

Gold ist die Feuerversicherung gegen die finanziellen Experimente der Zentralbanken. Wenn ich mir eine neue Wohnung oder ein neues Auto kaufe, denke ich auch nicht gross darüber nach, ob ich eine Versicherung brauche oder nicht. Es ist Pflicht, dass ich eine habe. Deshalb sollten Goldanleger nicht so sehr auf den aktuellen Preis achten, sondern regelmässig mit einer festen Sparrate investieren.

Ich empfehle immer, auch auf kleinere Stückelungen wie das Schweizer Goldvreneli oder den Wiener Philharmoniker zurückzugreifen. Das sind sehr populäre Anlageprodukte. Da kann man nichts falsch machen.

Wie investieren Anleger langfristig am besten in Gold? Mit physischem Gold, ETFs, Zertifikaten oder Aktien von Goldminenbetreibern?

Man kann die Produkte eigentlich nicht miteinander vergleichen. Bei Goldminenaktien geht es nicht per se um die Entwicklung des Goldpreises, sondern um die Performance des Unternehmens. Börsengehandelte Indexfonds unterscheiden sich zum Teil erheblich.

Sind sie zu 100 Prozent mit Gold unterlegt? Auch die physische Auslieferung ist nicht immer so einfach, wenn ich das Gold wirklich brauche. Banken haben teilweise sehr unterschiedliche Konditionen.

 «Es braucht wieder mehr Vertrauen in die Märkte, damit auch die Investmentnachfrage bei den Gold-ETF anzieht»

Ein Goldportfolio mit ETFs und Goldminenaktien zu diversifizieren, ist sinnvoll, weil diese Anlageprodukte schneller und einfacher handelbar sind. Man sollte aber immer einen Anteil in physischen Goldbarren halten, zumal es hier kein Gegenparteirisiko gibt.

Gemessen an den Gold-ETFs ist die Nachfrage der Anleger in diesem Jahr zurückgegangen. Warum?

Die Nachfrage hat sich bereits im vergangenen Jahr kontinuierlich zurückgebildet. In einem Marktumfeld, in dem Aktien Federn lassen mussten, kommt es häufig zu sogenannten Margin Calls, also Nachschusspflichten. Da greift man gerne auf Finanzinstrumente zurück, die hochliquide sind und sich gut gehalten oder entwickelt haben.

Und dann schlägt die Stunde des Goldes. Das heisst, ich liquidiere vielleicht meine Goldpositionen, weil ich da zumindest kleine Gewinne machen konnte. Es braucht wieder mehr Vertrauen in die Märkte, damit auch die Investmentnachfrage bei den Gold-ETFs anzieht.

Einer der Haupttreiber des Goldpreises waren die erneut starken Nettokäufe der Zentralbanken. Woher kommt diese Kauflaune?

Der Run der Zentralbanken auf Gold wurde vor allem von den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China angeheizt. Generell haben Staaten mit hohen Dollarreserven gemerkt: Wenn ich mich mit den Amerikanern anlege, kann es schnell passieren, dass meine Dollarreserven von heute auf morgen eingefroren werden, wie das Beispiel Russland zeigt.

Solche Länder haben aus Absicherungsgründen verstärkt vom Dollar in Gold umgeschichtet. Aber auch europäische Staaten wie Polen haben viel Gold gekauft.

«Der Schweizer Franken ist die am stärksten durch Gold gedeckte Währung der Welt»

Setzt sich dieser Trend im kommenden Jahr fort?

Ja, Zentralbanken bauen ihre Währungsreserven weiter ab. Es findet eine De-Dollarisierung statt, und auf der Bühne der Weltpolitik bilden sich neue Koalitionen, wo sich grosse Staaten wie China, Indien und Brasilien zusammenschliessen und daran arbeiten, vielleicht sogar eine eigene Währung auf den Markt zu bringen, die man durchaus zu einem gewissen Prozentsatz mit Gold absichern möchte.

Wie wichtig sind Währungsschwankungen für die Goldpreisbildung bzw. den Goldhandel?

Sie sind sehr wichtig, weil Gold international in Dollar gehandelt wird. Fällt der Dollar, steigt üblicherweise der Goldpreis. In der Regel bewegen sich die US-Währung und das gelbe Edelmetall in entgegengesetzte Richtungen. Ein schwächerer Greenback macht die Fluchtwährung Dollar an sich unattraktiver und Gold für ausländische Investoren günstiger.

Der Franken ist übrigens die am stärksten durch Gold gedeckte Währung der Welt. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum der Franken gegenüber dem Euro oder dem Dollar so stark ist.

Generell stehen Edelmetalle unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit häufig in der öffentlichen Kritik. Was hat sich aus Sicht des Umweltschutzes in letzter Zeit verbessert?

Schwarze Schafe gibt es immer, aber in der Goldindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Die Goldbranche ist allerdings schlecht darin, diese positiven Entwicklungen gut zu vermarkten. Ein ganz wichtiges Kriterium für Nachhaltigkeit ist zum Beispiel das Zertifikat der London Bullion Market Association (LBMA).

«Wir können mit der Hälfte der Marge der Banken operieren»

Es steht für strengste und höchste Qualitätsanforderungen, unter anderem bei den Umweltrichtlinien der Minen oder den Produktionsbedingungen der Goldbarren. Wer einen Barren von Schweizer Scheideanstalten wie Valcambi oder Argor-Heraeus kauft, kann ebenfalls sicher sein, dass es ein Barren mit gutem Gewissen ist.

Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit von Philoro mit Schweizer Banken?

Immer mehr Banken sind offen für Kooperationen im Goldhandel. Wir haben eine effiziente und gut funktionierende IT-Infrastruktur, die es uns erlaubt, mit tieferen Kosten zu operieren. Ich muss nicht zehn, zwölf Prozent auf das Goldvreneli aufschlagen, um mit dem Produkt kostendeckend zu arbeiten.

Wir können einfach mit der Hälfte der Marge der Banken operieren, auch weil wir nicht die gleiche personelle Infrastruktur haben und zudem einen spezialisierten Handel. Das macht uns als Kooperationspartner attraktiv.

Eine Auswahl der Philoro-Goldprodukte ist seit Oktober in einigen grösseren Poststellen sowie online im Postshop erhältlich. Wie ist die neue Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post angelaufen?

Ich habe noch nie eine so gute Projektplanung erlebt wie mit der Post. Sie hat ein eigenes Team gebildet, das sich nur um die Edelmetalle kümmert. Wir befinden uns noch in der Pilotphase. Am Point of Sale ist es vorerst auf sechs bis acht Filialen beschränkt, da ist noch viel Luft nach oben. Online läuft es schon sehr gut.

Die Zusammenarbeit mit der Post war eine Überraschung, zuvor auch die Lancierung des Gold Crypto Vreneli. Welche Überraschungen erwarten uns nächstes Jahr?

Wir haben immer mindestens zwei Asse im Ärmel. Im nächsten Jahr wird es auf jeden Fall eine Neuauflage des Phygital Asset Coin geben, der neben dem realen Goldwert auch die Vorzüge der Blockchain-Technologie verkörpert.

In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Eishockeyverband, so viel darf ich jetzt schon verraten, wird ein neues Produkt auf den Markt kommen. Der Launch ist für April oder Mai geplant.


Christian Brenner studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Seit 2017 ist er Geschäftsführer von Philoro Schweiz, einem inhabergeführten Familienunternehmen der Philoro Holding. Er ist zudem Verwaltungsrat der Philoro Global Trading, der Philoro North America und der Philoro International Holding. Zuvor hatte er 2011 bis 2021 als Geschäftsführer der Philoro Edelmetalle GmbH in Deutschland agiert. Er ist darüber hinaus Gastdozent an der Universität St. Gallen (HSG) und Mitglied mehrerer Handelsausschüsse der IHK.