Banken finanzieren sich nämlich nicht nur mittels Sichteinlagen, sondern je nach Art ihres Geschäftsmodells auch über die Ausgabe von Termin- oder Festgeldern, Anleihen oder mittels Krediten untereinander im Interbankenmarkt. Wenn nun diese Geldgeber oder Banken selbst das Vertrauen ineinander verlieren, kann es auch unter Vollgeld zu einer Bankenkrise in Form eines schleichend ablaufenden Bankensturms kommen.
Im Verlauf der Finanzkrise von 2008/2009 sah sich der Bankensektor mit genau diesem Problem konfrontiert und nicht mit privaten Kleinanlegern, die vor den Banken Schlange standen, um Bargeld abzuheben.
Leere Vollgeld-Versprechen
Ausserdem können auch in einem Vollgeld-System die Immobilienpreise in einem übertriebenen Mass steigen und Hauskäufer und Anleger sich in Erwartung immer weiter steigender Preise zu stark verschulden.
Eine so entstehende Immobilienblase kann platzen, was mit dem darauffolgenden Einbruch sowohl im Bankensektor als auch in der Realwirtschaft grosse Schäden verursachen kann. All dies kann auch ein Vollgeld-System nicht verhindern. So wird klar, dass die Vollgeld-Initianten viele leere Versprechen für ein angeblich krisensicheres Bankwesen abgeben.
Absurder Glaube an die zentrale Planwirtschaft
Abgesehen davon birgt die Annahme der Vollgeldinitiative ein noch viel schwerwiegenderes Risiko: Unter dem vorgeschlagenen System soll die Geld- und Kreditmenge weitgehend von der Notenbank quasi zentralstaatlich gesteuert werden. Die SNB soll also sowohl die Geldmenge steuern als auch für eine ausreichende Versorgung der Wirtschaft mit Krediten verantwortlich sein.
In einem solchen planwirtschaftlichen Mengensteuerungs-System steht erst recht zu befürchten, dass es zu Instabilitäten auf dem Immobilienmarkt kommt oder die Inflation ausser Kontrolle gerät. Die SNB versuchte schon einmal in den 1980er-Jahren, ein Geldmengensteuerungs-Konzept zu verfolgen.
Inflation aus dem Ruder
Just in der Endphase dieses Versuchs lief der SNB erstens die Inflation aus dem Ruder. Die damalige Teuerung von jährlich über sechs Prozent hätte ein unverzinstes Vollgeld-Konto massiv entwertet. Zweitens entwickelte sich Ende der 1980er-Jahre unter diesem Regime (weil die Realzinsen zu tief waren und die Anleger verzweifelt nach realen Renditen suchten) eine Immobilienblase, die Anfang der 1990er-Jahre schmerzhaft platzte.
Zu guter Letzt soll die SNB neu geschaffenes Vollgeld «schuldfrei» ausgeben dürfen. Wenn sie also zusätzliches Geld in Umlauf bringen will, kann sie dieses einfach direkt an die Bevölkerung oder an den Staat (Bund und/oder Kantone) verteilen. Dies würde die SNB natürlich unmittelbar zum Spielball ausgabenfreudiger Politiker machen und die Disziplin, Staatshaushalte oder Sozialwerke im finanziellen Gleichgewicht zu halten, fiele wohl vollends weg, weil ja notfalls die SNB «schuldfrei» Geld wie Manna vom Himmel regnen lassen könnte.
Noch nie erprobtes Konzept
Unklar ist auch, wie die SNB im Fall eines starken Inflationsanstiegs die Vollgeld-Menge wieder reduzieren könnte, denn dazu müsste sie die vorher «schuldfrei» in Umlauf gesetzten Gelder wieder einziehen, sprich die Bürgerinnen und Bürger über eine «Steuer» quasi enteignen. Kein Wunder also, lehnt die SNB selbst die Vollgeld-Initiative ab und warnt vor einer Rückkehr zu einem solchen planwirtschaftlichen und stark verpolitisierten Geldregime.
Wer sich dieser Zusammenhänge bewusst wird, realisiert dass die Vollgeld-Initianten leere Versprechen abgeben. Sie würden die Schweiz in ein noch nie erprobtes Konzept und damit ein historisch einmaliges und mit erheblichen Unsicherheiten behaftetes Experiment zwingen. Angesichts der gegenwärtig stabilen Verhältnisse im Bankensektor und der soliden Wirtschaftsentwicklung könnte dieses mit unnötigen Risiken behaftete Unterfangen verheerende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft haben.
Verschärfte Vorgaben
Es macht daher viel mehr Sinn, den von der Finanzmarkt-Aufsicht und der SNB seit einigen Jahren beschrittenen Weg weiter zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass die Banken die inzwischen deutlich verschärften Vorgaben zur Haltung von Eigenkapital und Liquiditätspolstern umsetzen.
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