In der ganzen Aufregung um den Stellenabbau bei der Credit Suisse stiess eine wichtige Personalrochade kaum auf grosse Beachtung.
Als die Credit Suisse vergangene Woche ihr enttäuschendes Semesterergebnis präsentierte, fiel die Meldung über die Beförderung von Walter Berchtold (nachstehendes Bild) zum Chairman im Private Banking sozusagen zwischen Stuhl und Bank.
Ebenso, dass der bisherige Schweiz-Chef, Hans-Ulrich Meister (Bild unten), als CEO Private Banking nachrückt. Er übernimmt damit eine machtvolle Doppelfunktion innerhalb des Konzerns, zumal er seinen bisherigen Job für die Schweiz behält.
Machtgerangel an der Spitze
Die Rochade ist zweifelsohne bedeutend. Denn als Chairman entfernt sich Walter Berchtold vom operativen Geschäft. Stattdessen wird er sich künftig vor allem der Pflege von Top-Kunden (UHNWI) widmen. In der Branche wird dies gern auch als «Wine & Dine» bezeichnet. Demgegenüber weitet Schweiz-Chef Hans-Ulrich Meister seinen Aktionenradius massgeblich aus. Für einen potenziellen CEO ist dies eine gute Ausgangslage.
Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis in der Branche, dass die beiden Banker auf den Job an der operativen Spitze der Credit Suisse aspirieren. Dafür liefern sie sich intern seit Monaten einen harten Konkurrenzkampf, bei dem nun Meister mit seiner Beförderung eindeutig in Führung gegangen ist.
Desolater Aktienkurs
Dass der amtierende CEO Brady Dougan langsam aber sicher seinen Job an der operativen Spitze der CS abgeben möchte, ist ebenfalls bekannt. Er hat zwar die CS erfolgreich durch die Finanzkrise navigiert. Doch seit geraumer Zeit bekundet er Mühe, die Credit Suisse auf Erfolgskurs zu halten. Am besten illustriert dies der Aktienkurs. Allein in den letzten zwölf Monaten büssten die CS-Papiere 46 Prozent an Wert ein, und das Semesterergebnis von voriger Woche hat kaum jemand überzeugt.
Kommt hinzu, dass die Credit Suisse mit allerhand Schweiz-bezogenen Themen (Regulation, Bankgeheimnis, Abgeltungssteuer, Justizstreit mit den USA) konfrontiert ist, bei denen ein Schweizer CEO möglicherweise besser und gezielter als der Amerikaner Dougan agieren könnte, besonders auch, wenn er kein Investmentbanker wie Dougan ist. Vor diesem Hintergrund hat Hans-Ulrich Meister tatsächlich sehr gute Karten, um dereinst an die Spitze aufzusteigen.
Erfahrung und Sozialkompetenz
Er ist ein erfahrener Banker, der zuvor bei der UBS eine steile Karriere gemacht hat und dabei stets seine Glaubwürdigkeit bewahrte. Als Schweiz-Chef kennt er die hiesige Wirtschaft und die darin agierenden Firmen aus dem Effeff. Gleichzeitig beweist er seit je eine hohe Sozialkompetenz und ist bei den Beschäftigten höchst akzeptiert. Mit seiner No-Bullshit-Attitüde kann er auch viel dazu beitragen, dass sich das Image der Banker hierzulande wieder bessert. Und er hat ein gutes Verhältnis zum amtierenden Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner.
Im Gegensatz dazu ist Walter Berchtold als bisheriger Private-Banking-Chef mit allerhand Unwägbarkeiten konfrontiert gewesen. Dazu gehören der Steuerstreit mit Deutschland, der nicht zuletzt für gross angelegte Razzien in den CS-Filialen im nördlichen Nachbarland gesorgt hat; aber auch die Anklagen in den USA gegen ehemalige Mitarbeiter der CS wegen Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung sind belastend.
Raus aus der Schusslinie?
In diesem Zusammenhang könnte es auch sein, dass man Berchtold bewusst aus der «Schusslinie» der US-Justiz genommen hat. Unklar ist überdies die weitere Entwicklung bei der Privatbankentochter Clariden Leu, und last but not least sind die Erträge im Schweizer Private Banking noch nicht da, wo sie sein sollten.
Vor diesem Hintergrund mag die Beförderung Berchtolds zum Chairman rein äusserlich ein Aufstieg sein. Man kann diesen Schritt aber auch dahingehend interpretieren, dass die Führungsverantwortlichen frischen Wind und mehr Dynamik im Private Banking sehen wollen. Gelingt es Meister, diesen Erwartungen gerecht zu werden, hat er die besten Karten, um Brady Dougan als CEO abzulösen.
Erstes Zeichen gesetzt
Das weiss auch Verwaltungsratspräsident Urs Rohner, der im vergangenen Mai dieses Amt übernommen hat, bisher aber kaum gross nach aussen in Erscheinung getreten ist. Auf ihn warten enorme Aufgaben, zumal das Vertrauen der Investoren derzeit schwach ist. Mit der Beförderung Meisters hat er ein Zeichen gesetzt. Weitere dürften folgen.