Unter dem neuen Chefjuristen Markus Diethelm verfolgt die Credit Suisse einen proaktiven Ansatz gegenüber den zahlreichen Skandalen und Rechtshändeln. Doch eine Frage stellt sich: Kann sich die Grossbank das überhaupt leisten?
Markus Diethelm punktet für die Credit Suisse (CS). Der ehemalige Chefjurist der Erzrivalin UBS, der seit vergangenem Juni in der gleichen Rolle für die zweitgrösste Schweizer Bank tätig ist, konnte am (gestrigen) Montag einen Durchbruch im RMBS-Komplex in den USA vermelden.
Gegen die Zahlung von umgerechnet 495 Millionen Franken hat er in dem seit der Finanzkrise schwelenden Streit über toxische Hypotheken-Verbriefungen eine Einigung für die CS erzielt; wie zu erfahren war, verbleiben in der Sache nun noch fünf Zivilklagen mit Forderungen im einstelligen Millionenbereich. Da die Bank die Summe für die Einigung bereits zurückgestellt hatte, wird die Zahlung auch nicht dem laufenden Geschäft belastet.
Überraschendes Eingeständnis
Die Deblockierung der zahlreichen Rechtsfälle bei der CS schreitet damit voran. Unter der Ära von Diethelms Vorgänger Romeo Cerutti und dem einstigen Bankpräsidenten Urs Rohner hatte das Institut fast schon aus Prinzip sämtliche Forderungen von sich gewiesen. Die Quittung besteht in sich türmenden Altlasten, die sich zuletzt regelmässig in Niederlagen vor Gericht entladen und der Grossbank das Resultat verhagelt haben.
Im vergangenen zweiten Quartal musste die Bank nun die Rückstellungen für Rechtsrisiken nochmals um 434 Millionen Franken erhöhen. Im September 2022 räumte dann eine Trust-Tochter der CS in Singapur ein, im Fallkomplex um betrogene osteuropäische Kunden nicht alle Standards eingehalten zu haben.
Dieses Eingeständnis kam damals höchst überraschend, ist aber bezeichnend für den Kurswechsel unter dem neuen «General Counsel» Diethelm. Er hatte die Verhandlungen vor Ort in Singapur drei Wochen lang persönlich begleitet. Unter Diethelms Führung ist die CS nun offensichtlich bereit, eigene Fehler einzuräumen, um einen Strich unter jahrelange Rechtshändel zu ziehen.
Giftpille für Investoren
Angesichts der operativen Schieflage, in der die Grossbank steckt – die vergangenen drei Quartale endeten bei der CS jeweils mit einem Verlust – ist dieses Vorgehen aber folgerichtig. Denn ohne die rasche Aufarbeitung der zahlreichen Skandale der Vergangenheit kann es keinen glaubwürdigen Neuanfang beim Institut geben. Die für den 27. Oktober 2022 angekündigte neue Unternehmensstrategie stünde sofort wieder im Schatten der zahlreichen Rechtsrisiken, die bei der Bank lauern.
Letztere sind auch ein wesentlicher Grund, warum Interessenten wie Investoren bisher die Finger von der CS gelassen haben. Angesichts der Altlasten musste es ihnen als schlicht zu riskant erscheinen, beim Geldhaus in grossem Stil einzusteigen. Der Kurs der CS-Aktie, die sich in ihrem Wert seit Jahresbeginn halbiert hat, legt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Neue Milliardenforderung
Die Frage stellt sich allerdings, ob sich die CS den «proaktiven Ansatz» Diethelms und die Aufarbeitung ihrer juristischen Altlasten tatsächlich leisten kann. Auch ohne den Aderlass aus Rechtsstreitigkeiten orten Analysten beim Geldinstitut bis ins Jahr 2024 eine Kapitallücke von 4 bis 9 Milliarden Dollar.
Da ist die knappe halbe Milliarde Franken aus der RMBS-Einigung kein Pappenstiel. In Singapur forderte derweil der ehemalige georgischen Regierungschef und Ex-CS-Kunde Bidzina Ivanishvili 1,27 Milliarden Dollar Schadenersatz. Dies, nachdem ein Gericht auf den Bermuda-Inseln ihm und weiteren Klägern bereits rund 600 Millionen Dollar zugesprochen hat. Gegen letzteres Urteil hat die CS Berufung eingelegt.
Weitere Rechtsfälle werden den erhofften Turnaround der Grossbank in den nächsten Wochen und Monaten nun auf Schritt und Tritt begleiten, wie eine Zusammenstellung von finews.ch zeigt:
1. Testfall in Australien
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