Eric Wasescha ist von Hause aus Derivatespezialist. Bei der Migros Bank ist er nun zum Retailbanker geworden – und eifert dort agilen Prinzipien und Youtubern nach, wie sich im Gespräch mit finews.ch zeigt.

Eric Wasescha muss am Zürcher Finanzplatz niemandem mehr vorgestellt werden, zumindest im Investmentbanking und dem Asset Management. So hatte er mit Derivative Partners seine eigene Derivate-Analysefirma lanciert, die Sparte «Platform Solutions» beim Investmenthaus Vontobel aufgebaut und den Schweizerischen Verband für Strukturierte Produkte mit initiiert.

Jetzt ist aus ihm – zumindest auf Zeit – auch noch ein Retailbanker geworden. Seit Ende 2020 besteht Waseschas Rolle darin, die vielen Direktkanäle der Migros Bank auszubauen und den Vertrieb zu stärken. Dies im Einklang mit der digitalen Transformation, die sich Bankchef Manuel Kunzelmann auf die Fahne geschrieben hat.

Dringlichkeit schaffen

«Das Erlebnis, nun für eine Retailbank zu arbeiten, ist eine grosse Bereicherung für mich», erklärt der Banker in breitem Basler Akzent. Beide Disziplinen können viel voneinander lernen, findet er. «Von meinem Karriereweg her kann ich sicher das stark Resultat-fokussierte Arbeiten einbringen.»

Mussten sich die Migros-Banker bei seiner Ankunft also ganz warm anziehen? «Der Bedarf zum Wandel und zum Aufholen in der digitalen Transformation ist wohl bei jeder Schweizer Bank vorhanden», gibt Wasescha zu bedenken. Wichtig sind dem 49-jährigen Ex-Investmentbanker drei Punkte, die er auch bankintern immer wieder anspricht: Es muss eine Dringlichkeit für den Wandel geschaffen werden, was im Wesentlichen auf eine Aufgabe des Topmanagement herausläuft.

Ein oft gehörtes Buzz-Wort

Dieser «Sense of urgency» müsse über Monate und Jahre hinweg genährt werden, erklärt Wasescha, der selber nicht in der Geschäftsleitung der Migros Bank sitzt. Zweitens brauche es ein Verständnis dafür, dass sich mit neuen Technologien auch die Geschäftsmodelle ändern. Drittens gelte es dann, die Arbeitsweise an den Wandel anzupassen. Das Stichwort hier ist die Transformation hin zu agilen Methoden – ein in der Branche mittlerweile oft gehörtes Buzz-Wort.

Doch eines, das bei der Bankentochter des «orangen Riesen» Migros offene Ohren findet. «Die Migros Bank hat schon zuvor mit neuen Technologien und Angeboten experimentiert. So gesehen braucht es nun wenig Überzeugungsarbeit, um die Mitarbeitenden auf den Wandel einzuschwören», sagt Wasescha.

«Für das Führungsteam ist der Wandel am grössten»

Wobei die Herausforderung sowieso mehr auf der Führungsebene liege. Es sei viel schwieriger, Führungskräfte für den agilen Wandel zu begeistern als die Teams, weiss er. Das Kader müsse dazu seine Mentalität ändern, müsse menschlicher führen. Und weil sich Mitarbeitende in der agilen Arbeitswelt zumeist selber organisierten, sei die Vermittlung glasklarer Ziele gefordert. «Für das Führungsteam ist der Wandel deshalb am grössten», sagt Wasescha.

Er konzediert: bei der Migros Bank falle dieser aber auf fruchtbaren Boden. Ihm zufolge arbeiten beim Institut inzwischen mehrere Hundert Personen nach agilen Kriterien, gemessen an zuletzt 1’696 Angestellten insgesamt. Begonnen wurde dabei mit Teams im Bereich der direkten Kanälen, mittlerweile sind die meisten Mitarbeitenden des Bereichs Operations und der Produkteentwicklung agil. Einzelne agile Instrumente werden inzwischen auch im Vertrieb an der Front genutzt, berichtet Wasescha.

Zuhause vom Sofa aus

Neu ist dabei unter anderem die langfristige Bindung ans Produkt. «Wer ein Projekt anpackt, weiss bei uns, dass er künftig auch für den Betrieb verantwortlich sein wird.» Wie sich zeige, steigere dies die Qualität und das Verantwortungsgefühl. «Und das ist am Ende zugunsten der Kunden.»

Sowieso: «Insgesamt bauen wir die internen Prozesse und Arbeitsweisen nicht um ihrer selbst Willen um, sondern um Kundinnen und Kunden besser bedienen zu können», erklärt der Verantwortliche für die Direktkanäle. «Was wir etwa sehen, ist das Bedürfnis veschiedener Kundengruppen, ihr Banking voll digital umzusetzen – zuhause vom Sofa aus.» Im Gegensatz zu Neobanken, die vor allem auf den Zahlungsbereich konzentrieren, baue die Migros Bank aber das digitale Angebot einer Universalbank auf.

Kunden sollen sich persönliche Hilfe holen können

«Ein App mit eigenem Brand, wie wir sie bei Konkurrenten sehen, wird es bei uns nicht geben. Bei der Migros Bank soll alles aus einem Guss sein», sagt Wasescha. Aktuell ist das Institut mit neun digitalen Produkten «live», wie er weiter erklärt. Der Fokus liegt auf Bereichen, wo das Geldhaus traditionell ein Angebot hat: Hypotheken, Kredite, Anlagelösungen für die Vorsorge oder zum Vermögensaufbau, sowie Online-Betriebskredite und Online-Leasing für die Firmenkundschaft. Hinzu kommen die bestehenden Basisprodukte mit Konto und Karte.

Ebenfalls hoch auf Waseschas Prioritätenliste ist die Distanzberatung. Kunden sollen sich trotz digitalen Angeboten via Videochat oder Telefon jederzeit persönliche Hilfe von der Migros Bank holen können. Dabei wird beim Institut auch über den Tellerrand geschaut. «Wenn wir das Produkt der Distanzberatung weiterentwickeln, lassen wir uns nicht nur von digital führenden Banken inspirieren, sondern schauen auch, wie es die Youtube-Stars machen, oder die Streamer auf TikTok.

Ein Wandel um des Wandels willen?

Das klingt schön hip. Den Wandel um seiner selbst Willen will sich Wasescha allerdings nicht unterstellen lassen. «Die Migros Bank startete aus einer Position der Stärke in die digitale Transformation. Doch ich sage, dass wir trotz der aktuellen Stärke wachsam bleiben, denn die Marktposition muss man sich jeden Tag aufs Neue verdienen.» Der Wandel sei deshalb der Schlüssel zum künftigen Erfolg.

Waseschas eigene Zukunft ist bei der Migros Bank dagegen auf mittlere Frist angesetzt. Wie er erklärt, begleite er in Absprache mit der Geschäftsleitung die digitale Transformation der Direktkanäle beim Geldhaus. Das sei ein auf wenige Jahre beschränktes Mandat. «Was danach wird, ist offen.»