Er hat sein eigenes Hashtag, und einflussreiche Finanzmedien feiern ihn als Jules Verne der Analystenzunft. In schwierigen Zeiten ist Zoltan Pozsar einer der wenigen Stars, welche die Grossbank Credit Suisse vorweisen kann.
Wenn Zoltan Pozsar es in der internationalen Finanzszene zum Starstatus gebracht hat, dann hat er dies zu guten Teilen den jüngsten Marktverwerfungen wegen der Ukraine-Krise zu verdanken. Der gebürtige Ungar, mit 44 Jahren bereits im erlauchten Rang eines Managing Director und Leiter Short-Term Interest Rate Strategy bei der Credit Suisse (CS) in New York, klinkte sich bereits am zweiten Tag der russischen Invasion ins Thema ein.
Prophezeiung nicht eingetreten
Damals erklärte er, die Sanktionen des Westens gegen Russland können das reibungslose Funktionieren der Geldmärkte gefährden – eine Warnung, die Finanz-Leitmedien wie die Agentur «Bloomberg» und die britische Zeitung «Financial Times» dankbar aufnahmen. Auch finews.ch berichtete.
Dass die Prophezeiung seither nicht eingetreten ist, hat das Image des CS-Strategen nicht zu beschädigen vermocht. Im Gegenteil: Seine Wortmeldungen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wo er mit #Zoltan sein eigenes Hashtag führt, stossen auf eine grosse Gefolgschaft und werden rege diskutiert - durchaus auch ambivalent. Denn Pozsar neigt zur grossen Geste und zu ausufernden Texten. Er scheut sich keineswegs, auch so sperrige Themen wie das Schatten-Banking und oder das Finanzsystem der Zukunft anzugehen.
«Man muss sich aus dem Fenster lehnen»
Aber auch seine Kritiker müssen zugeben: der Mann kann schreiben. Aufgrund dieser Qualitäten wurde Pozsar auch schon als der Jules Verne des Research bezeichnet, der «Financial Fiction» produziere. Das weist der Banker von sich, wie er nun gegenüber der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) erklärte. Gleichzeitig scheint er sich doch ein wenig geschmeichelt zu fühlen. «Viel zu viele Analyseberichte sind so verdammt trocken», urteilte er.
Man müsse doch eine Story zu erzählen haben – auch wenn dies verlange, dass man sich dazu aus dem Fenster lehne. «Wenn man darauf wartet, bis die Daten einem Recht geben, ist es zu spät.»
Bis jetzt ist der Finanzexperte jedenfalls nicht vom Fensterbrett gefallen, und das zahlt sich auch für die CS aus. Angesichts der wohl schlimmsten Krise in der wechselhaften Geschichte der zweitgrössten Schweizer Bank zählt das Institut derzeit mehr Buhmänner als Stars; das ist wohl ein Grund dafür, dass sich der Ungare sich derart in der Öffentlichkeit profilieren darf.
Metier steht unter Druck
Pozsar war im Jahr 2015 zum Geldhaus gestossen, nach Karrierestationen beim Weltwährungsfonds IMF und der US-Notenbank Fed. Zusammen mit seinem Vorgesetzten habe er bei der Bank nach Wegen gesucht, sein Wissen über hochkomplexe und wenig zugängliche Themenkreise zu kommerzialisieren, sagte der Stratege zur «Financial Times». Das Unterfangen ist offensichtlich geglückt.
Pozsar plädiert nun dafür, dass die Banken ihren Investment-Analysten mehr freie Hand für Themen und Experimente einräumen müssten. Dringt er damit durch, wäre das sicher ein Lichtblick für ein Metier, das insbesondere in Europa wegen neuen Finanz-Richtlinien schwer unter Druck geraten ist. Auch im Swiss Banking hat ein Rückbau des Research stattgefunden. Insofern können die Finanzanalysten tatsächlich einige Superstars gebrauchen.