Facebook hat das Geheimnis um die Digitalwährung Libra gelüftet. Der US-Internetriese kann von Beginn weg auf seine 2,5 Milliarden Kunden und mächtige Verbündete zählen. Erschütterungen für das Finanz-Establishment sind programmiert.
Bei Facebook denkt man in grossen Dimensionen. Das zeigte sich am (heutigen) Dienstag erneut mit der Publikaton des «White Paper» zur Einführung von Libra. Mit der via einen Verein in Genf – die Libra Association – lancierten Kryptowährung will der amerikanische Internet-Gigant nichts weniger, als die Vision eines «Internet des Geldes» erfüllen.
Geht es nach dieser Vision, dann werden Überweisungen und Zahlungen bald so einfach und billig, wie es das Versenden von SMS oder Bildern heute schon ist. «Die Mission von Libra ist es, eine einfache, globale Währung und eine finanzielle Infrastruktur bereitzustellen, die das Leben für Milliarden von Menschen leichter machen», heisst es im Papier.
Visa, Uber und Spotify mit im Boot
Möglich machen sollen dies: Eine von Facebook programmierte Blockchain, eine mit den wichtigsten Weltwährungen hinterlegte digitale Coin – die Libra –, sowie eine gleichnamige App, die Zahlungen und Überweisungen zwischen Nutzern abwickelt. Die Libra Association schliesslich ist um den Aufbau eines «Ökosystems» rund um die Digitalwährung besorgt.
Gleich zu Anfang kann Facebook mit dem Projekt auf eine mächtige Basis zählen. Da sind nicht nur die rund 2,5 Milliarden Facebook-Nutzer weltweit. Sondern auch die derzeit rund 28 Mitglieder des Genfer Vereins. Darunter befinden sich wichtige Anbieter von Zahlungsdienstleistungen wie Mastercard, Paypal oder Visa, aber auch Internetriesen wie Ebay, Uber, Spotify – und natürlich Facebook mit der eigens geschaffenen Tochterfirma Calibra.
Intermediäre bleiben aussen vor
Bis zum anvisierten Start im ersten Halbjahr 2020 hofft die Libra Association, etwa 100 Mitglieder anzuziehen. In einem späteren Schritt soll die Libra-Blockchain öffentlich zugänglich gemacht werden und als «open source» den vielfältigsten Zwecken dienen.
Damit ist es amtlich: Kryptowährungen, die von Banken lange misstrauisch beobachtet oder gar zur Gefahr erklärt wurden, stehen kurz davor, Mainstream zu werden. Libra bleibt zwar an Fiat-Währungen gebunden. Die digitale Devise verfügt aber über eine Eigenschaft, die sie fürs Finanz-Establishment brandgefährlich macht: Sie braucht die Banken als Intermediäre des Zahlungsverkehrs nicht mehr.
Demographie wendet sich gegen die Banken
Denn wie Jo Howes, Manager bei der Schweizer Bankensoftware-Schmiede Crealogix zum Libra-White-Paper kommentierte, ist Facebook dank der Digitalwährung künftig in der Lage, Zahlungen intern abzuwickeln. Externe Bankenpartner benötigt Mark Zuckerbergs Firma dazu keine.
Noch aus einem weiteren Grund droht den Banken die «Disintermediation». Während führende Finanz-CEO die Bedeutung von Kryptowährungen kleinreden, fährt eine jüngere Kundengeneration auf Coins und Token ab. Hatte Studien zufolge nur einer von 20 über-45-Jährigen schon Berührung mit Kryptowährungen, ist es bei den unter-35-Jährigen jeder Vierte. Die Demographie wird so zum Treiber von Angeboten wie Libra.
Schliesslich verfolgt der Genfer Verein das hehre Ziel der «financial inclusion». 1,7 Milliarden Erwachsene sind weltweit vom Finanzsystem ausgeschlossen, wie das Weisspapier festhält. Und zwei Drittel davon besitzen ein Mobiltelefon mit Internetzugang – und damit potenziell Zugang zur Libra-App.
10 Millionen Dollar Eintrittsgebühr
Jenseits der moralischen Komponente ist dies auch ein handfestes wirtschaftliches Potenzial, das die meisten westlichen Banken aber bisher nicht anpacken konnten und wollten. Mit der Ankunft von Libra droht ihnen dieser Markt jetzt von einer branchenfremden Konkurrenz vor der Nase weggeschnappt zu werden. So ist es möglich, dass das Rennen um die ärmsten Kunden der Welt bald eröffnet wird. Bekannt ist, das Facebook in Indien bereits Zahlungen über die Applikation Whatsapp getestet hat.
Das alles sind Gründe, warum auch hiesige Finanzplayer einiges Interesse haben sollten, sich bei der Libra Association einzuklinken. Immerhin ist dies ja ein Schweizer Verein, und der für die Entwicklung des Digitalwährung zuständige Calibra-Chef David Marcus ist Schweizer. Laut der Agentur «Reuters» steht auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) bereits mit der Libra Association in Kontakt.
Doch die Eintrittschwelle liegt für viele hiesige Player wohl zu hoch: Libra-Gründungs-Mitglieder müssen über einen Marktwert von mindestens 1 Milliarde Dollar verfügen oder mehr als 20 Millionen Kunden vorweisen – und zudem mindestens 10 Millionen Dollar ins Projekt investieren.