Auf den früheren Credit-Suisse-Chef Brady Dougan prasselte viel Kritik nieder, weil seine Strategie angeblich unklar sei. Nun zeigt sich, dass der Amerikaner viel bewegt hat. Doch was macht Dougans Nachfolger, Tidjane Thiam, nun? Sechs Einschätzungen.
1. Schweizer Geschäft als Zugpferd noch stärker
Im Private Banking und Wealth Management war schon immer das Schweizer Geschäft das eigentliche Zugpferd, das Verlustlöcher in anderen Regionen stopfte, vor allem in Europa. Das erste Halbjahr 2015 zeigt nun einen zweistelligen Anstieg des Vorsteuergewinns auf über 1,3 Milliarden Franken. Grund sei hauptsächlich die starke Performance in der Schweiz, schreibt die Credit Suisse (CS).
Die Kosteneinsparungen unter Hans-Ulrich Meister sowie die neuen Initiativen im Beratungsgeschäft tragen Früchte. Die Margen auf den verwalteten Vermögen stiegen insgesamt. Und die Region Schweiz erzielte im ersten Halbjahr 2015 einen Neugeldzufluss von stolzen 2,6 Milliarden Franken – vor allem aus dem Segment der sehr vermögenden Kunden.
2. Asien-Geschäft startet durch
Auf die Asien-Expertise von Tidjane Thiam wurden schon einige Loblieder angestimmt. Nun zeigt sich entgegen anders lautenden Medienberichten, dass die CS bereits fähige Asien-Manager hat. Der Vorsteuergewinn in der Region Asien-Pazifik hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt und mit 873 Millionen Franken ist der Gewinnbeitrag nun substanziell.
Der Grund für diesen Erfolg: Die integrierte Strategie der CS funktioniert. Besonders in Asien kann der Konzern seine Stärken im Private Banking mit denjenigen der Investmentbank verknüpfen: Die reichen Privatkunden werden mit Rendite-Produkten aus der Derivate-Abteilung versorgt, und sie erhalten Kapitalmarkt-Lösungen für ihre Firmen.
3. Investmentbanking weniger volatil
CS-CEO Thiam hat sich klar geäussert: Er will die Volatilität der Gewinnentwicklung glätten. Die Äusserung zielt vor allem auf die Investmentbank, deren Zweitquartals-Ergebnis die Analystenschar einmal mehr auf dem linken Fuss erwischt hat. Ein Blick auf die Ergebnisentwicklung der letzten Quartale zeigt: Die Schwankungsbandbreite bei den Nettoerträgen sank bereits unter Brady Dougan deutlich.
Die grössten Schwankungen erzielt nach wie vor das bereits stark reduzierte Fixed-Income-Geschäft. Auf Grund der Kapitalallokation und der darauf erzielten Rendite ist davon auszugehen, dass Thiam die Vorlage von Dougan aufnimmt und hier weitere Anpassungen machen wird. Thiam hat bereits auch betont, dass er quer durch die Bank stabilere Ergebnisbeiträge anstrebt.
4. Abbau von Risiken
Brady Dougan hat die Risiken in der Investmentbank kontinuierlich abgebaut. Manchen Marktbeobachtern ging dieser Prozess jedoch nicht schnell genug. Aber die kontinuierlichen Verkäufe der risikogewichteten Aktiven haben im Geschäftserfolg kaum Spuren hinterlassen, wie dies bei «Fire-Sales» vielleicht der Fall gewesen wäre.
Im Verlauf der letzten zwölf Monate hat sich das «Leverage Exposure» in der Investmentbank um weitere 81 Milliarden Franken reduziert. Bis Ende Jahr sollen es nochmals 50 bis 70 Milliarden werden. Thiam strebt hier eine Beschleunigung an.
5. Schwachpunkt Kapitalallokation
Bei kritischer Betrachtung ist dies wohl Dougans schwächster Punkt gewesen: Die Investmentbank erzielte im Vergleich zum Wealth Management eine miserable Rendite auf dem eingesetzten Kapital – zum Ärger vieler Aktionäre.
In der Präsentation zum zweiten Quartal wird dies deutlich: Die Investmentbank hat im zweiten Quartal auf einem regulatorischen Kapital von 793 Milliarden Franken eine Rendite von 10 Prozent erzielt. Im Private Banking & Wealth Management lag die Rendite bei 26 Prozent bei einem regulatorischen Kapital von 477 Milliarden Franken.
Hier liegt zweifelsohne ein strategischer Fokus von Thiam: Er will das eingesetzte Kapital effizienter nutzen, so dass auch für die Aktionäre eine höhere Rendite herausspringt.
6. Weitere Kosteneinsparungen
Seit 2011 hat die CS 3,5 Milliarden Franken eingespart. Bis Ende 2015 sollen es 4 Milliarden Franken werden. Mehr sei nicht drin, hatte es unter Dougan geheissen. Regulierungs- und Complianceanforderungen würden in der Investmentbank zu bedeutenden Mehrausgaben führen.
Thiam will in den nächsten sechs Monaten also weitere 500 Millionen Franken einsparen. Aber diese Zahl könnte bald Makulatur sein. Denn der neue CEO sagt nun: «Die Ergebnisse der laufenden Strategieüberprüfung, die bis spätestens Ende Jahr abgeschlossen wird, könnten die Kostensenkungspläne und -ziele ändern.»
In Anbetracht der grossen Trends in der Finanzbranche ist klar, dass Thiam an der Kostenschraube stärker drehen wird als dies sein Vorgänger getan hat.