Den Steuerstreit mit den USA hat die BSI Bank beigelegt, doch ihre Hauptaktionärin steckt in Schwierigkeiten. Das gefährdet die Entwicklung – nicht zuletzt in Asien, wo was Institut ehrgeizige Wachstumspläne hegt.
Am (gestrigen) Montagabend war es soweit: Die Tessiner BSI Bank konnte sich mit den US-Behörden im Steuerstreit einigen. Als erste der rund 80 Schweizer Banken in der Kategorie 2 wird sie mit einer Zahlung von 211 Millionen Dollar die Angelegenheit beilegen können, wie auch finews.ch berichtete.
Das Abkommen ist insofern relevant, weil sich das Institut seit dem vergangenen Jahr in einem Übernahmeprozess befindet. Im Juli 2014 hatte die brasilianische BTG-Gruppe angekündigt, die BSI, die damals dem Generali-Konzern gehörte, für 1,7 Milliarden Dollar zu kaufen. Allerdings blieb die Transaktion über Monate pendent, da die Brasilianer den Deal von der Einigung mit den US-Behörden respektive von der nun beschlossenen Bussenzahlung abhängig machten.
Endlich durchstarten können
Das wiederum hatte zur Folge, dass die Übernahme nicht sogleich von allen Aufsichtsbehörden bewilligt werden konnte. So ist beispielsweise die Zustimmung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) noch hängig, während ihr brasilianisches Pendant bereits grünes Licht gegeben hat.
Die weitere Entwicklung ist vor allem für den Schweizer Hanspeter Brunner (Bild) zentral. Denn als Asien-Chef der BSI zählt er zu den Hoffnungsträgern der Bankengruppe, die mit ihren neuen Aktionären im Rücken endlich durchstarten möchte – insbesondere in Fernost, einem der wichtigsten Wachstumsmärkte im Bankwesen überhaupt.
Mit angezogener Handbremse
In Asien beschäftigt die BSI derzeit 240 Personen in Singapur und 80 Leute in Hongkong. In den vergangenen Jahren musste die Belegschaft aus den eingangs erwähnten Gründen «mit angezogener Handbremse» arbeiten. Mit anderen Worten: Das Institut war mehr oder weniger paralysiert. Denn nur die wenigsten Kunden waren bereit, sich auf eine Bank einzulassen, deren Schicksal ungewiss war.
Diese schwierige Entwicklung manifestiert sich auch in den am (gestrigen) Montag publizierten Zahlen der BSI für das Geschäftsjahr 2014. Die verwalteten Kundenvermögen stiegen gerade mal um 3,3 Prozent auf 92,3 Milliarden Franken; unter dem Strich musste die Bank gar einen Neugeldabfluss von 600 Millionen Franken verbuchen.
Lindor-Kugeln und Gottlieber Hüppen
Doch nun soll sich das ändern, wie Hanspeter Brunner im Gespräch mit finews.ch im Suntec Tower One in Singapur erklärt, wo die BSI auf der 31. Etage ihre Büros hat. Auf dem Tisch befinden sich in einer Schale Lindor-Schokolade-Kugeln und Gottlieber Hüppen, dazu gibt es vorzüglichen Kaffee.
«Wenn Sie mich fragen, was mich nachts manchmal nicht schlafen lässt, dann ist es die bange Frage, was tue ich heute, das mir morgen eine Busse kosten könnte», bringt Brunner die Befindlichkeit, aber letztlich auch das derzeitige Dilemma vieler Banker zum Ausdruck. Diese Unwägbarkeit erschwere es enorm, Pläne auf mehrere Jahre hinaus zu schmieden.
Wenig Überschneidungen
Eigentlich müssten Brunner solche Fragen kaum mehr gross kümmern. Denn in zwei Jahren erreicht der Schweizer das Pensionsalter. Doch ans Aufhören denkt er gar nicht. Im Gegenteil: «Jetzt geht es erst richtig los», betont er.
In den nächsten Jahren will er die verwalteten Vermögen der BSI in Asien von derzeit (geschätzten) 15 Milliarden Franken auf mindestens 30 Milliarden Franken steigern. Brunners Zuversicht rührt von daher, dass die BSI unter dem Dach der BTG-Gruppe zum Kompetenzzentrum für die Vermögensverwaltung avancieren soll.
Der asiatische Teil, wo heute das grösste Wachstum im Wealth Management erzielt wird, spielt dabei eine strategisch wichtige Rolle. «Es gibt wenig Überschneidungen mit der BTG», betont Brunner. Die brasilianische Gruppe sei vorwiegend im Investmentbanking sowie im Börsen- und Rohstoffhandel tätig, während die Vermögensverwaltung für Private bisher ein Mauerblümchendasein fristete.
Kunden ab fünf Millionen Franken
Über die BTG erhalte die BSI ein ganzes Arsenal an zusätzlichen Finanzprodukten und Expertise, und damit könne sich die BSI definitiv von der Konkurrenz unterscheiden, sagt Brunner weiter. Anpeilen will die BSI in Asien vor allem mit Kunden mit Vermögen ab umgerechnet fünf Millionen Franken. Generell gehe die Messlatte nach oben, sagt Brunner, da es zunehmend schwieriger und kostspieliger werde, kleine Kunden zu betreuen.
Allerdings hat die BSI mit ihren schätzungsweise 15 Milliarden Franken an Depots in Asien kaum die kritische Grösse, um nachhaltig profitabel zu sein, selbst wenn Brunner versichert, seit zwei Jahren die Gewinnschwelle erreicht zu haben. Um im Wachstumsarkt Asien erfolgreich zu sein, braucht eine Privatbank laut Branchenkennern mindestens 30 Milliarden oder gar 50 Milliarden Franken. Das erklärt wohl auch, weshalb es sich Brunner zum Ziel gesetzt hat, die asiatischen Depots der BSI in den kommenden Jahren zu verdoppeln.
BTG in Schwierigkeiten
Ob er es schafft? Seit geraumer Zeit bekundet die BTG-Gruppe enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten. Offenbar hat sich die Bank zu stark mit Krediten an private Konzerne exponiert, insbesondere im Öl- und Gassektor sowie bei grossen Infrastrukturvorhaben, die jetzt durch den Skandal um den staatlichen Energiekonzern Petrobras stark gefährdet sind. Die angespannte Situatin in Brasilien verbunden mit diversen Schmiergeldskandalen im Land belasten die BTG-Gruppe zusätzlich. So darf es nicht erstaunen, dass das Unternehmen in den vergangenen sechs Monaten rund 30 Prozent an Börsenwert verloren hat.
Das ist wahrlich keine gute Ausgangslage für eine Bank wie die BSI, die nun durchstarten möchte. Dennoch will sich Brunner von den Schwierigkeiten des Mutterhauses nicht beirren lassen, sondern seinen Weg gehen – mit zusätzlichem Personal, das er nun engagiert und darauf setzt, dass die anhaltende Konsolidierung im Private Banking die Leute noch wechselwilliger stimmt.
Die Ironie des Push-Faktors
Dabei spricht Brunner vom so genannten Push-Faktor. Bei manchen Banken, die keine oder nur beschränkte Perspektiven bieten würden, seien die Chancen gross, gutes Personal abwerben zu können, sagt Brunner. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass er selber einmal in einer solchen Situation steckte; als er vor einigen Jahren von Coutts International zur BSI wechselte und ihm insgesamt rund 150 Leute folgten.
Dieser Tage hat die Genfer Union Bancaire Privée die Bank Coutts International übernommen. Gut möglich, dass Brunner nun erneut fündig wird – bei Coutts. Er sagt: «Kleinere Privatbanken sind für motivierte Kundenberater höchst attraktiv, da die Leute in einem solchen Umfeld viel unternehmerischer agieren können.»