Jack Ma, der Chef von Alibaba will kürzer treten. Damit geht der Mann von der grossen Bühne ab, der mit Alipay das Finanzsystem revolutioniert hat.
Nun tritt ein, was die amerikanische Zeitung «New York Times» aufgrund eines Missverständnisses schon vor einem Jahr geschrieben hat: Der Gründer und Vorsitzender des chinesischen Tech-Konzern Alibaba, der Milliardär Jack Ma, geht in den Ruhestand.
Payment-Gigant Ant Financial
Aus dem ursprünglichen Onlinehändler Alibaba ging unter vielen Projekten auch die Ant Financial Services Group hervor, die dann den Bezahldienst Alipay in die Welt setzte.
Und der hat sich in den 15 Jahren seit seiner Gründung mit zwischen 500 und 600 Millionen Kunden zum grössten Bezahldienstleister der Welt gemausert, der selbst sein amerikanisches Pendant Paypal mit 286 Millionen Kunden locker an die Wand spielt.
Gebaut wurde die Anwendung ursprünglich nur, damit die Handelsplattform Alibaba eine Bezahllösung hat, die alle Kunden benutzen können, und die auch eine Treuhänderfunktion hat: Das vom Käufer bezahlte Geld wird von Alipay solange verwaltet, bis der Verkäufer dem Unternehmen beweist, dass die bestellte Ware verschickt wurde; 2004 revolutionär.
Der Bankenschocker
Da damals in China jede Bank ihre eigene Bezahlanwendung hatte, und die natürlich nicht miteinander kompatibel waren, traf Alipay einen echten Nerv, so dass die Anwendung mit einem Marktanteil von 80 Prozent der absolute Marktführer wurde. Die Anbieterin, Ant Financial, ist mit 150 Milliarden Dollar Bewertung das teuerste Fintech der Welt, und dies nicht ohne Grund: Alipay hat die Welt verändert. Oder zumindest die globale Bankenwelt in ihren Grundfesten erschüttert.
Denn aus der Registrierkasse für Online-Händler wurde eine Superplattform, auf der Kunden eine Vielzahl an Diensten in Anspruch nehmen können wie zum Beispiel mobile Zahlungen, Sparkonten, persönliche Investitionen, Kredite und sogar Kreditwürdigkeitsprüfungen. Ein Tech-Unternehmen mit einer milliardenschweren Kriegskasse bringt plötzlich technisch hochwertige Finanzdienstleistungen an die einigermassen gut betuchte Mittelschicht – die Horrorvorstellung jeder Retailbank.
Marsch gen Westen?
Seit ein paar Jahren versucht Alipay allmählich, in den Westen vorzustossen, wie finews.ch bereits berichtete. Durch die Menge an chinesischen Touristen die Jahr für Jahr die Schweiz besuchen, sehen sich mehr und mehr hiesige Unternehmen gezwungen, Alipay anzubieten. Doch nur jenen Touristen, denn für die Benützung des Dienstes braucht man bis dato nach wie vor ein chinesisches Bankkonto.
Und zum Glück für hiesige Banken stehen die Chancen auch eher klein, dass sich so eine Rundum-Lösung in der Schweiz oder in Westeuropa durchsetzen könnte, da Datenschutzbedenken mindestens hierzulande einen deutlich höheren Stellenwert geniessen als in China.
Und es sind genau Datenschutzbedenken, die gegen diese Lösung sprechen. Denn den Kredit, den Fonds und die E-Wallet vom Anbieter, der auf einer anderen Plattform gefälschte Uhren oder chinesisches Plastikspielzeug verkauft, dürfte vielen westlichen Kunden sauer aufstossen.
Geburtstagsüberraschung
Alibaba wird am heutigen Dienstag 20 Jahre alt, gleichentags feiert Jack Ma seinen 55. Geburtstag, am chinesischen Tag der Lehrer. Selber ehemaliger Englischlehrer will Ma sich nun der Philanthropie widmen und seine Milliarden und seine Zeit in bildungsfördernde Projekte stecken. Gleichzeitig bleibt er auf Lebenszeit in einem Komitee, das über die grossen Personalentscheide der Alibaba-Gruppe entscheidet.
Am Vorabend seines Geburtstages nahm die Geschäftsleitung von Alibaba Ma mit nach Zhejiang, an seinen Heimatort (Video unten).
Hangzhou, der Ort, an dem auch Alibaba seine Wurzeln hat, und wo noch heute Kaderpersonen des Konzerns zur Inspiration hin pilgern und sich erhoffen, ein wenig vom kreativen Unternehmergeist, der auch Jack Ma beseelt hat, aufschnappen zu können.