Es gibt wenige Politiker, die einen Realitätsbezug haben und wirklich verstehen, wo ihr Land steht – global gesehen.
«Mit Deutschland verlief alles viel gehässiger»
Politik ist bis zu einem gewissen Grad immer lokal. Aber bei Wirtschaftsführern ist das anders. Die international tätigen Grossbanken hätten ahnen müssen, welche Lawine sich auf sie zubewegte.
Konkret?
Spätestens 2007, als es schon intensive Gespräche zwischen den US-Behörden und der Schweizer Bundesanwaltschaft gab, wäre es nötig gewesen, dass die Schweizer Finanzbranche und die Schweizer Politik in einer gemeinsamen Strategie mit den USA einen Dialog gesucht hätten. Das wäre damals noch einfacher gewesen, als etwa mit Deutschland.
Wie kommen Sie darauf?
Der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat viel aggressiver polemisiert und mit der «Kavallerie» gedroht. Mit Deutschland verlief alles viel gehässiger. Mit den USA hingegen hätte man ernsthaft einen Dialog finden können, da bin ich überzeugt, vor allem mit dem Justizdepartement.
Warum?
Aufgrund meiner damaligen Kontakte mit dieser Behörde konnte ich feststellen, wie überrascht man dort war, dass die Schweiz keinen ernsthaften Dialog suchte. Dabei ging es noch lange nicht um den Automatischen Informationsaustausch, sondern um Themen, wie man beispielsweise ein Rechtsbegehren begründen muss, um an Informationen zu gelangen. Solche Dinge, sehr gemässigte Forderungen. Da hat man eine historische Chance verpasst.
Ihr Buch lebt von einem unterhaltsamen, ja bisweilen sogar amüsanten Unterton. Haben Sie dieses Stilelement bewusst eingesetzt?
Ich mag nicht moralisieren, und ich bin auch kein Wanderprediger. Um gewisse Erfahrungen zu bewältigen, muss man über sie lachen können. Klar, manchmal ist man enttäuscht und wütend auf sich selber oder auf andere.
«Man kann nicht immer gleich wissen, ob jemand ein Hochstapler ist»
Doch das darf einen nicht verleiten, bitter und zynisch zu werden. Man kann nicht immer gleich wissen, ob jemand ein Hochstapler ist. Am Ende sollte man seine Erfahrungen aber geniessen können.
Was ist der Inhalt Ihres nächsten Buches?
In den Jahren 2012 bis 2014 war ich unter anderem in Syrien tätig, wo ich angefragt wurde, jemanden ausfindig zu machen, der im dortigen Konflikt verschwunden war. Auf dieser Suche, die mich auch nach Beirut, Jordanien und an den Golf brachte, habe ich zum Teil sehr unangenehme Erfahrungen im Zusammenhang mit Kinderprostitution, Menschen- und Drogenhandel gemacht. Das waren so stressige zweieinhalb Wochen, dass ich als Therapie begonnen habe, meine Erlebnisse zu beschreiben.
Haben Sie die gesuchte Person auch gefunden?
Ich habe zumindest herausgefunden, was der Person passiert ist. Mehr verrate ich nicht.
Der 55-jährige Daniel Levin ist Rechtsanwalt. Er verbrachte seine Kindheit als Sohn eines Diplomaten im Nahen Osten und in Afrika, später besuchte er das Gymnasium in Zürich und absolvierte sein Studium in der Schweiz und in den USA. Seit über zwanzig Jahren arbeitet er als Berater für wirtschaftliche Entwicklung und politische Reformen für Regierungen und Institutionen. Gegenwärtig ist er Mitglied des Stiftungsrates der Liechtenstein Foundation for State Governance. Er lebt nahe New York City. Beruhend auf persönlichen Erfahrungen, gesammelt im Laufe seiner weltweiten Beratungstätigkeit wirft Levin in seinem Buch «Alles nur ein Zirkus» einen scharfen und bittersüssen Blick hinter die Kulissen der Macht.
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