Ein Besuch bei Rudi Bindella, Junior und Senior, ist immer auch ein Rendezvous mit der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Beim Treffen mit finews.ch erinnern sich die beiden Unternehmer an goldene Banker-Zeiten im Stammlokal «Bindella» beim Paradeplatz und erklären ihr einzigartiges Geschäftsmodell aus Baugewerbe, Weinhandel sowie Gastronomie. Und sie kündigen einen gemeinsamen Wein mit Blackrock-Mann Philipp Hildebrand an.

Wenn es in der Schweiz eine Botschaft für italienische Genusskultur gibt, dann ist es am ehesten das Unternehmen «Bindella».

Zum Verbund Gastronomie, Wein, Bauhandwerk, Immobilien und Kunst gehört die gleichnamige Weinhandlung, die seit Jahrzehnten unter anderem die Spitzen-Toskaner «Tignanello», «Sassicaia» und «Ornellaia» importiert, Restaurants vom bodenständigen «Santa Lucia» (schweizweit 13 Standorte) bis hin zum klassischen «Ristorante Bindella» in unmittelbarer Nähe zum Paradeplatz, und seit einigen Jahren der Fine-Dining-Adresse «Ornellaia» im Gebäude der ehemaligen Volksbank an der St. Annagasse.

Vom Tessin nach Zürich

Die Unternehmensgeschichte begann zwar mit dem Grossvater von Rudi Bindella senior im Tessin – er importierte vor allem Chianti-Weine in Grossflaschen, teilweise noch per Pferdekutsche – das eigentliche Fundament für die heutige Deutschschweizer Firmen-Aktivität legte dann der Vater mit Bautätigkeit, Liegenschaften und einem Gipsereibetrieb. Diesen Wurzeln sind die Bindellas bis heute treu geblieben. Man kann bei ihnen Maler- und Gipserarbeiten in Auftrag geben; das Rückgrat der Immobilien verleiht Kraft und Stabilität.

Im grossen Sitzungsraum in der dritten Etage der Casa Bindella in Zürich-Höngg treffen wir Rudi Bindella senior und Rudi Bindella junior zum Gespräch. Das Unternehmen befindet sich im Übergang von der dritten zur vierten Generation: Rudi Bindella junior führt die operativen Geschäfte; der Vater unterstützt mit Erfahrung und Kontakten.

Espresso aus der Kolbenmaschine

Zu trinken gibt es einen hervorragenden Espresso aus der Kolbenmaschine. Ein historisches Schild: «Bindella – Gipserarbeiten» betont das gewerbliche Kolorit des Unternehmens.

Der Umgang der beiden Generationen miteinander wirkt eingespielt, vertraut: Wenn es um die Gegenwart und Zukunft der Firma geht, antwortet in der Regel der Junior. Es kann dabei aber durchaus vorkommen, dass der Vater, nachdem er geduldig zugehört hat, einen treffenden Gedanken beiträgt – einen Gedanken, gereift im Eichenfass jahrzehntelanger Gastgeber-Aufgaben und -Erfahrung.

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«Wir haben den Schlüssel umgedreht, und es war ein Erfolg»: Ristorante Bindella, In Gassen. (Bild: zVg)

Fröhliche Italianità

Dass man den Namen Bindella heute mit authentischer italienischer Küche sowie den Topweinen aus dem «Bel Paese» in Verbindung bringt, ist dem Lebenswerk von Rudi Bindella, dem Vater, zu verdanken.

Er trimmte den Weinhandel und die Gastronomie auf fröhliche Italianità. Aus sieben Restaurants im Jahre 1982 – damals übernahm Rudi Bindella senior die Firma von seinem Vater – wurden über 40. Der Umsatz aus dem Weinhandel hat sich seither exponentiell vervielfacht.

«Gute Entscheidungen aus dem Bauch»

War dies ein bewusster kommerzieller Entscheid oder doch eher etwas Emotionales? «Gute Entscheidungen kommen aus dem Bauch, nicht aus dem Kopf», antwortet der Senior. Es habe sie immer nach Italien gezogen, in ihre «zweite Heimat», wie er sagt. «Die Lebensfreude, die man dort spürt, wollten wir in die Schweiz bringen.»

«Und die Restaurants, in denen wir diese Kultur entschlossen pflegen, laufen auch besonders gut», ergänzt der Sohn.

Seit 1985 beim Paradeplatz

Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Bindellas vom Baunebengewerbe (Gipserei) zum «place to be» für die Liebhaber italienischer Küche war zweifelsohne die Eröffnung ihres epochemachenden Restaurants «Bindella» an der prestigeträchtigen Adresse «In Gassen», ein paar wenige Meter vom Paradeplatz entfernt. Das war im Jahre 1985.

Zwar betrieben die Bindellas an derselben Adresse auch vorher (seit 1955) den «Tea Room In Gassen». Restaurantlizenzen mit der Genehmigung zum Ausschank alkoholischer Getränke waren in diesen Jahrzehnten begehrte Mangelware. Bedürfnisklausel hiess das planwirtschaftliche Regime: Der Staat vergab die Patente für Restaurants nach der lokalen Erforderlichkeit, die politisch ausgemessen wurde.

«Schier überrannt worden»

Mitte der 1980er-Jahre – Bindella hatte bereits Pläne zur Umnutzung gewälzt – gelang es, über eine sogenannte Patentverlegung von einem anderen Standort eine Bewilligung für das neue «Ristorante Bindella» zu ergattern.

Das neue Restaurant sollte sich ganz der italienischen Küche auf einem sehr hohen, gepflegten Niveau widmen. Rudi Bindella senior erinnert sich: «Wir haben den Schlüssel umgedreht, und es war ab dem ersten Tag ein Erfolg.» Das Restaurant sei «schier überrannt» worden.

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6'000 Besucher pro Jahr: Bindellas Weingut «Tenuta Vallocaia». (Bild: Alessandro Moggi, zVg)

Ausgedehnte Mittagessen mit Zigarre und Cognac

Wichtige Gäste in dieser Anfangszeit: Direktoren der nahegelegenen Banken, die «praktisch mit den Finken hineinlaufen konnten»: Bank Leu, Bankgesellschaft, Kreditanstalt und wie sie alle damals hiessen…

Vater Bindella bezeichnet die frühen Jahre des Etablissements als «goldene Zeiten». Die Financiers seien um 12 oder 13 Uhr gekommen, hätten grosse Tische belegt, mehrgängige Mittagessen genossen, die teuersten Weine getrunken… «Anschliessend haben sie noch eine Zigarre geraucht und dazu natürlich Cognac oder Grappa getrunken.»

«Bankiers haben weniger Zeit»

Tempi passati. «Heute haben die Bankiers viel weniger Zeit», fügt Rudi Bindella junior etwas bedauernd an. «Wir sind nach wie vor sehr dankbar für unsere Business-Gäste, die einen wichtigen Teil unserer Kundschaft im Bindella ausmachen.» Und etwas verschmitzt fügt er hinzu: «Der Pro-Kopf-Konsum an Flaschen ist sicherlich gesunken, der Umsatz pro Kopf aber gleichzeitig gestiegen.»

Was mit einer weiteren Errungenschaft von Rudi Bindella senior und teilweise seines Vaters zusammenhängt: Seit den 1950er-Jahren (also drei Generationen) importiert Bindella die Weine der Marchesi Antinori in die Schweiz. In den 1970er-Jahren kamen die heute berühmten Namen «Tignanello» (das damals lancierte Spitzenprodukt der Marchesi Antinori), «Sassicaia» (Tenuta San Guido) und «Ornellaia» (damals Marchese Lodovico Antinori) hinzu.

Dreigestirn: Tignanello, Ornellaia, Sassicaia

In der Sphäre der Super-Toskaner mit etablierten Namen ist Bindella damit bis heute in der Schweiz der unangefochtene Imperator. 

Die historischen Hintergründe erklärt Rudi Bindella senior: Die in der Toskana traditionell und grossmehrheitlich kultivierte Sangiovese-Traube habe zwar «viel Potential, auch in der Lagerung», sei aber gleichzeitig sehr säurebetont.


Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Bindellas die Super-Toskaner in der Schweiz beliebt machten und was sie mit Philipp Hildebrand vorhaben.