Unter Federführung der Börsenbetreiberin SIX soll die Schweiz einen neuen Einzahlungsschein erhalten. Was als sanfte Renovation begann, fällt jetzt doch deutlich radikaler aus – und erhitzt die Gemüter.
Der Schweizer Einzahlungsschein blickt auf 110 Jahre Tradition zurück. Es gibt ihn in sechs verschiedenen Ausführungen, mit ihm werden jährlich 850 Millionen Rechnungen beglichen.
Eine entsprechende Mammut-Übung bedeutet es für die Nutzer, Unternehmen und Banken, zu einem neuen Standard überzugehen. Genau das unternimmt derzeit die Finanzbranche unter Federführung des Schweizer Finanzinfrastruktur-Unternehmens SIX und der Post-Tochter Postfinance.
Marschhalt im Oktober
Bedingt ist der Umstieg durch das neue Interbanken-Zahlungssystem SIC 4, auf das sämtliche Banken im Land bis Ende 2017 umstellen müssen. Bis 2020 sollten deswegen auch die geltenden Einzahlungsscheine abgelöst werden. Geplant war dabei eine «sanfte Renovation», die als wesentliche Neuerung einen QR-Datencode beeinhaltete (siehe Bild unten).
Doch bereits letzten Oktober stockte das gewaltige Unterfangen. Die zuständige SIX Interbank Clearing informierte damals, der QR-Code müsse überarbeitet und vergrössert werden. Der Zeitplan für das Grossprojekt wurde ausgesetzt.
Doch was seither hinter den Kulissen geschah, geht offensichtlich weit über eine blosse Überarbeitung hinaus. Wie finews.ch erfahren hat, präsentierte eine von der SIX angeführte Arbeitsgruppe letzte Woche vor Fachpublikum einen neuen Entwurf, der radikale Änderungen beeinhaltet.
Der Käfer übernimmt
Der umgangssprachlich «Käfer» genannte QR Code wird demnach den Einzahlungsschein in seinem heutige Aussehen nicht ergänzen – sondern ersetzen.
Übrig bleibt voraussichtlich das A6-Format sowie Zahlungsdetails zur Rechnung – Angabe des Empfängers, IBAN-Nummer, Betrag und Referenz-Nummer. Farben, Perforierung: alles Geschichte.
Im Fachpublikum fühlten sich nicht wenige vor den Kopf gestossen: Das neue Format wurde auch von gestandenen Experten als Handstreich empfunden. Kurz nach dem von SIX Interbank Clearing und der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) organisierten Anlass begannen Schnappschüsse aus der Präsentation auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zu kursieren (siehe Bild unten) – und wurden etwa vom Branchen-Portal «Inside-IT» augenommen.
Ein Schritt zur Digitalisierung
Auf Anfrage von finews.ch suchte ein SIX-Sprecher zu beruhigen. Bereits letzten Oktober sei mitgeteilt worden, dass QR-Code die bestehenden Einzahlungsscheine ersetzen werde, befand er. «Es soll ein Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht werden», so der Sprecher. Die neue Lösung und der angepasste Zeitplan würden im April 2017 veröffentlicht.
Es werde aber auch mit der neuen Lösung weiterhin möglich sein, physische Zahlungsaufträge bei der Bank einzureichen oder Einzahlungen am Postschalter vorzunehmen, hiess es weiter.
Viel Zündstoff
Dennoch haben die Lecks aus der eigentlich vertraulich gehaltenen Konferenz gezeigt, dass die Ablösung des Einzahlungsscheins reichlich Zündstoff birgt. Kritiker monieren insbesondere, dass in der Einzahlungsschein-Arbeitsgruppe nur Exponenten der Finanzindustrie sitzen. Dabei sei der neue Standard auch ein Thema etwa für den Konsumentenschutz.
Dazu heisst es bei der SIX, die neue Lösung werde von einer Arbeitsgruppe des Finanzplatzes erarbeitet, in der alle wichtigen Finanzinstitute vertreten seien. Diese würden die Bedürfnisse ihrer Kunden, seien es KMU, Branchenverbände, öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Konsumenten sehr gut kennen. Zudem würden Gespräche mit ausgewählten Zielgruppen geführt, um Feedback zur neuen Lösung zu erhalten, so die Börsenbetreiberin.
Düpierte Post?
Düpiert fühlen sich offenbar auch Kreise bei der Post, wie finews.ch weiterhin vernehmen konnte. Der Bundesbetrieb ist seit jeher Eigentümerin des Einzahlungsscheins – und droht nun durch den von der SIX vorangetriebenen QR-Code an Terrain zu verlieren.
Der SIX-Sprecher bestätigte, dass SIX Interbank Clearing die Eigentümerin der neuen Lösung mit QR-Code sein werde. Dies sei aber für finanzplatzweite Standards und Lösungen im Zahlungsverkehr «die optimale Lösung». Dies auch deshalb, weil Postfinance zu 25 Prozent an der Gesellschaft beteiligt seit und im Verwaltungsrat Vertreter von allen wichtigen Bankgruppierungen sässen.
Es wird sich weisen, ob sich damit die Gemüter besänftigen lassen. Wie schon die Ablösung von Banknoten zeigte, verabschieden sich Schweizer nicht gerne von Gewohnheiten – gerade im alltäglichen Zahlungsverkehr.