Mit dem Abgang von Investmentbanker Tim O’Hara beendet der Konzernchef Tidjane Thiam ein turbulentes Kapitel in der Geschichte der Credit Suisse. Dabei zeigte der CEO Blössen.

Der plötzliche Abgang des Global-Markets-Chefs Tim O’Hara – er steht seit 1998 im Dienste der Credit Suisse (CS) – kommt auf den ersten Blick überraschend. Auch deswegen, weil der Veteran offensichtlich entlassen wurde.

Die Worte von CS-Konzernchef Tidjane Thiam zum Ausscheiden des Leiter der Investmentbank-Division Global Markets weisen jedenfalls in diese Richtung. «Ich bin überzeugt, dass diese personellen Änderungen, die auf meinen Antrag vom Verwaltungsrat der Credit Suisse genehmigt worden sind, die Performance unserer Bank nachhaltig verbessern werden», so seine Erklärung zur Personalie O'Hara.

Das ist starker Tobak vom Chef.

Es begann mit einem Milliarden-Abschreiber

In Anbetracht der Ereignisse in der Investmentbank-Sparte Global Markets in den letzten Monaten war aber klar: Der Stuhl von O’Hara wackelte. Und nun ist er gekippt. Auf ihn folgt mit Brian Chin ein in der Branche weitgehend unbekannter Mann.

Im März 2016 begann der Stern O’Haras zu sinken. Damals wurde publik, dass die Schweizer Grossbank auf illiquiden Credit-Positionen insgesamt 633 Millionen Dollar abschreiben muss. Und nur einen Monat später erhöhte sich der Abschreiber um weitere 346 Millionen Dollar.

Insgesamt also schrieb die CS fast eine Milliarde Dollar auf Anlagen ab, die O’Hara kurz zuvor noch als «hochprofitabel» bezeichnet hatte.

Thiam suchte das Gespräch

Dies brachte auch Thiam in die Bredouille und stellte seine Glaubwürdigkeit in Frage. Denn der Milliardenabschreiber brockte der CS einen weiteren Verlust ein. Und damit nicht genug: Der CEO musste seine im Oktober 2015 verabschiedete Strategie bereits wieder korrigieren.

Nach solch einem Vorfall ist es erstaunlich, dass sich O’Hara weiter halten konnte und nicht gleich freigestellte wurde. Unklar blieb während des ganzen Vorfalls, wann Thiam vom Milliarden-Debakel erfuhr und auch, ob er es hätte verhindern können.

Fest steht: Der Konzernchef suchte im Ende Januar 2016 das Gespräch mit O’Hara. Er erkundigte sich über die Höhe gewisser Handelspositionen und wollte über deren Höhe limitieren, wie auch finews.ch berichtete.

O’Hara «beichtete» seinem Chef, dass die Positionen tatsächlich zu hoch seien. Seine Händler versuchten nun, so O’Hara weiter, die Papiere so schnell wie möglich loszuwerden – allerdings unter der Auflage, den sowieso illiquiden Markt nicht durcheinander zu bringen. Der «Ausverkauf» der Papiere verursachte dennoch einen Milliarden-Abschreiber.

Offene Revolte gegen den CS-Konzernchef

Trotzdem blieb O’Hara weiterhin Chef der Sparte Global Markets – möglicherweise, um die explosive Stimmung unter diversen CS-Investmentbankern nicht noch mehr anzuheizen.

Denn Händler echauffierten sich daran, dass Thiam die Schuld am Milliarden-Abschreiber ihnen in die Schuhe schieben wollte. Sie wandten sich deshalb an die Medien und argumentierten dort, Thiam hätte sehr wohl die Möglichkeit gehabt, sich zu informieren. Schliesslich bekomme er regelmässig Reports über Verlustrisiken der Handelspositionen.

Vereinzelt fielen auch harsche Kommentare gegen den gebürtigen Ivorer: Thiam habe in der Investmentbank ein Chaos veranstaltet, lautet einer der Vorwürfe. Er habe wegen seiner drastischen Rückbau-Massnahmen sämtlichen Rückhalt bei der Belegschaft verloren. «He has lost the building», wie es im Wallstreet-Jargon heisst.

Mehr noch: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Brady Dougan scheint sich Thiam weniger mit Risiken im Handel auszukennen, kritisierte ein ehemaliger CS-Kadermann damals. Und anders als Dougan frage Thiam selten nach, wie es um die Risiken gewisser Papiere stehe.

Thiam, der Investmentbanker?

Solche Voten, auch wenn sie ungerechtfertigt erscheinen mögen, waren peinlich für einen, der von sich selber behauptet, das Investmentbanking aus dem Effeff zu kennen.

«Sie können mir glauben. Es gibt wohl keinen Bereich im Investmentbanking, der für mich neu wäre oder eine besondere Herausforderung bezüglich Verständnis darstellt», hatte Thiam an der Medienkonferenz im März 2015 anlässlich seiner Ernennung zum CEO der CS gesagt.

Nun hat Thiam das Problem O'Hara auf seine Weise gemeistert. Fragt sich, ob ihm dabei künftig weitere Peinlichkeiten erspart bleiben.