Bei der BIZ habe man sich 2019 in Anbetracht der Debatte um Libra, die privat emittierte Blockchain-Konkurrenz zum Zentralbanken-Geld, ernsthaft mit der Angelegenheit zu befassen begonnen.
Fundamente bewahren, im Spiel bleiben
Laut BoE-Vizegouverneurin Sarah Breeden müsse Zentralbankgeld «die Grundlage unseres Geld- und Wirtschaftssystems» bleiben. Es sei daher unausweichlich, dass sich die Notenbanken Gedanken darüber machen, wie sie im Zuge des technologischen Wandels im Finanzsystem ihre Funktion erhalten können.
Das Aufkommen «neuer, privater Formen» des Geldes, so die BoE-Vertreterin, würde «das Risiko für die finanzielle Stabilität erhöhen». Und Jorge Familiar von der Weltbank bekräftigte: «Wir sollten im Spiel bleiben.»
Tokenisierung als Bedrohung der Zentralbank?
Es verdichtete sich also der Eindruck, wonach die Welt der Zentralbanker den neuen Krypto-Technologien nicht ganz aus freien Stücken gefolgt ist. Vielmehr sah sie offenbar ihre Position angesichts einer «derzeit an Kraft gewinnenden und vielversprechenden technologischen Innovation» hinterfragt, nämlich der «Tokenisierung finanzieller Assets», wie sie Thomas Jordan in seinem Referat zuvor genannt hatte.
Moderator Martin wies darauf hin, dass aktuell weltweit bereits mehr als achtzig Notenbanken an Krypto-Anwendungen arbeiten.
Distributed Ledger statt Blockchain
Das Wort Blockchain mieden die Podiumsgäste eher. Sie verwendeten stattdessen den Oberbegriff der «Distributed Ledger», welcher im Gegenzug zur völlig offenen Blockchain-Technologie auch in sich geschlossene kryptografische Computer-Netzwerke mit unterschiedlichen Ausprägungen der Zentralisierung umfasst.
Hierfür skizzierten sie verschiedene Anwendungsmöglichkeiten.
Jorge Familiar von der Weltbank sieht für seine Organisation das grösste Potential in der Herausgabe ihrer Anleihen auf Blockchain-Basis. Auch kann er sich vorstellen, dass die Blockchain bei der Einhaltung von Budget-Auflagen, die die Entwicklungsorganisation den Schuldner-Ländern macht, eine Rolle spielen könnte.
Vereinfachte internationale Geldtransfers
BIZ-Vertreter Hyun Song Shin sieht substantielle Vereinfachungen bei internationalen Geldtransfers. Diese könnten sich durch eine kluge und international koordinierte Anwendung von Krypto-Technologien in Einfachheit und Tempo einer Inland-Überweisung annähern. Heute durchlaufen sie, je nach beteiligten Ländern, ein mehrstufiges und oft langwieriges Verfahren, bei welchem der eigentlichen Überweisung zuerst eine Mitteilung vorangeht.
Er verwies auf das kürzlich im Rahmen der BIZ lancierte Projekt Agorá, welches die Tokenisierung von internationalen Geldtransfers zum Gegenstand habe. Auch bei diesem ist die SNB eine von sieben beteiligten Zentralbanken. Zudem ist eine nicht genannte Zahl privater Finanzinstitute mit von der Partie.
Bereits für das SNB-Prohekt Helvetia war der sogenannte Innovation Hub der BIZ die Keimzelle.
KYC und AML mit Machine Learning
Weiter gab Hyun Song Shin zu bedenken, dass im grenzüberschreitenden Geldtransfer die Künstliche Intelligenz gewisse Funktionen bei der Identifizierung der Parteien (Know your Customer, KYC) und bei der Einhaltung der Geldwäscherei-Vorschriften (AML) spielen könnte.
Sein Gegenpart vom Internationalen Währungsfonds warf ein, dass solche Vereinfachungen durch Krypto-Technologien auch mit Risiken verbunden seien. «Wir müssen sehr genau auf die makroökonomischen Implikationen achten». Tiefere Hürden für internationalen Geldtransfer könnten zum Beispiel auch bedeuten, dass Kapitalflucht erleichtert werde.
Kritische Fragen
Zudem bestehe die Gefahr von untereinander nicht kompatiblen Insellösungen in den einzelnen geografischen Regionen und Ländern. Das Ziel sei aber eine noch tiefere Integration der weltweiten Geld- und Kapitalmärkte durch die Krypto-Anwendungen. Hierfür müssten diese zwingend «von der finanziellen Infrastruktur getragen werden».
Die Zusammenkunft der hochkarätigen Krypto-Vordenker machte deutlich: Mit Helvetia III hat die Schweizerische Nationalbank einen ersten Pflock eingeschlagen. Allerdings stand in Gestalt der SDX bereits eine geeignete digitale Infrastruktur dafür bereit. In ihrer Parallelität zum Interbank-Zahlungssystem der SIX besitzt sie internationalen Seltenheitswert und vereinfachte das Vorhaben deutlich.
Unwegsames Gelände
An zusätzlichen Ambitionen für die Tokenisierung des weltweiten Finanzsystems mangelt es auf internationaler Ebene nicht.
Aber der Weg dorthin wird ungleich steiler und steiniger als die digitale Obligation der Stadt Lugano und des Kantons Zürich im Rahmen von Helvetia III.
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