Während die richtigen Lehren aus den Fehlern von vor der Finanzkrise gezogen wurden, drohten nun überflüssige Gesetze der Wirkung Abbruch zu tun, warnt Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Die Schweiz darf mit Genugtuung feststellen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Banken letzten Donnerstag in ihrem jährlichen Stabilitätsbericht ein gutes Urteil bescheinigt hat. Die Kapitalausstattung habe sich weiter verbessert und trage in einem hochdelikaten Umfeld zur Stabilität bei, war zu vernehmen.
Wie der Hausarzt beim Checkup hebt die SNB hier und dort den Warnfinger. So müssten die Grossbanken noch die Berechnung der risikogewichteten Aktiven verbessern, um die wirtschaftlichen Risiken besser abzubilden. Die Arbeiten dazu seien unterwegs. Auch werden die inlandorientierten Banken trotz sehr guter Kapitalausstattung auf die Zinsrisiken hingewiesen.
Warnung aus dem 18. Jahrhundert
Insgesamt sind die Schweizer Banken aber fit und vermögen ihre Funktionen zugunsten der Volkswirtschaft zu erfüllen. Während die richtigen Lehren aus den Fehlern vor der Finanzkrise gezogen wurden, droht nun aber zuviel des Guten. Bereits Anfang des 18. Jahrhunderts hat der Staatstheoretiker Charles de Secondat bemerkt, dass überflüssige Gesetze den notwendigen an ihrer Wirkung Abbruch tun.
In ihrem neusten «Global Wealth Report» illustriert die Boston Consulting Group (BCG) die Herausforderungen der zahlreichen Regulierungsbaustellen. Deren Zusammenspiel ist indessen alles andere als klar (vgl. Grafik).
(Quelle: Boston Consulting Group)
Unter diesen Umständen rentabel zu wirtschaften, erweist sich für viele Banken als Knacknuss. Ich habe bereits in einem früheren Beitrag ausgeführt, dass gerade eine ausreichende Rentabilität im Finanzbereich nötig sei für die Stabilität einer Volkswirtschaft.
Das Umdenken beginnt
Es stimmt erfreulich, dass sich nun international die Einsicht durchzusetzen scheint, dass der Spielraum in der Regulierung ausgereizt ist. Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, beispielsweise begrüsste in seiner Mansion House Speech unlängst eine offene Debatte über die Auswirkungen der kumulativen Reformen auf das Funktionieren der Finanzmärkte. Stabilität sei das eine, sie dürfe aber die Erbringung von Dienstleistungen zugunsten der Realwirtschaft nicht gefährden, betonte er.
Fokus auf die Rechtssicherheit
Vor dem Hintergrund der hohen Finanzstabilität muss die Schweiz vehement auf eine Stärkung im internationalen Standortwettbewerb hinarbeiten. Daniel Kessler von der BCG erachtet in einem Interview die Rechtssicherheit als einen von fünf Erfolgsfaktoren für internationale Finanzzentren. Und diese beurteilt er hierzulande als abnehmend und problematisch.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Grossbanken verwaltetes Vermögen in Offshore-Zentren umschichten, wo sie sich eine grössere Rechtssicherheit und Planbarkeit als in der Schweiz erhoffen. Diese Entwicklung ist alarmierend.
Grosse Pendenzen
Ob Rechtssicherheit in Steuerfragen, Bankenregulierung oder Schutz der Privatsphäre: Politiker haben gegenwärtig genügend Themen, bei denen sie sich für einen starken, zukunftsorientierten Finanzplatz einsetzen können.