Die Schweiz hat in Sachen moderner Zahlungssysteme Nachholbedarf. Das sei nicht nur eine Generationenfrage, sagt Christian Raab, Director BFSI beim Technologieberatungsunternehmen Thoughtworks. Zudem spielt die Schweiz ihre Stärken im Fintech-Bereich zu wenig aus.


Herr Raab, Instant Payment, Click to Pay … die Digitalisierung des Bankwesens schreitet voran, doch bei den Endkunden sind die wenigsten Neuerungen wirklich angekommen. Woran liegt’s?

Ich stimme Ihnen zu: Im echten Leben sind die Neuerungen noch nicht angekommen. Ich spreche hier in erster Linie von der Schweiz. In Polen oder den Nordics bietet sich uns ein ganz anderes Bild.

Christian Raab (Bild: zVg)

Woran liegt dies?

Zum einen kann man in der Schweiz einen klaren Stadt-Land-Graben feststellen; dies sieht man in anderen Ländern nicht so ausgeprägt. Zum anderen ist es auch auf ein konservatives Kundenverhalten zurückzuführen. 

Ist es auch eine Generationenfrage?

Bestimmt, junge Leute sind technischen Neuerungen gegenüber viel offener. Dass allein ist es natürlich nicht. Es hat auch mit Sicherheitsbedenken zu tun, das Stichwort ist hierbei Datenschutz. 

«Die schrumpfenden Margen zwingen die Banken zu technologischen Veränderungen»

Wieso stellt man denn die Neuerungen zeitlich nicht zurück, wenn auf Kundenseite eh kein Verlangen danach besteht?

Die demografische Entwicklung zwingt die Finanzinstitute dazu. Es gibt Banken, die arbeiten mit 30 Jahren alten Systemen. Die Leute, die wissen, wie diese funktionieren, werden immer weniger. Dazu kommt noch die Kostenproblematik: Die schrumpfenden Margen zwingen die Banken zu technologischen Veränderungen. 

Gegen den Willen unzähliger Kunden. 

So absolut kann man dies nicht bezeichnen. Es ist klar festzustellen, dass immer mehr Kunden einfachere und schnellere Dienstleistungen fordern.  

In Sachen Digitalisierung sind andere Finanzplätze der Schweiz einen Schritt voraus. Wie schneidet der hiesige Finanzplatz gesamthaft ab?

Der Finanzplatz Schweiz geniesst nach wie vor einen hervorragenden Ruf und ist vielen anderen Finanzplätzen noch immer einen Schritt voraus. Die Betonung liegt auf noch. In Sachen Kryptowährungen zählte die Schweiz zu den Vorreitern, zu den ersten Staaten überhaupt, die eine Regelung hatten. Die zentrale Lage, die politische Stabilität und das hohe Bildungsniveau: All dies spricht heute noch immer klar für die Schweiz. Aber ausruhen gilt nicht. 

Weil auch andere Staaten aufholen?

Genau, und ich denke da nicht einmal an Dubai, Abu Dhabi, Singapur oder Hongkong; die spielen sowieso in einer anderen Liga. Auch Deutschland hat in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte erzielt. Oder auch Österreich, das im Bereich kontaktloses Zahlen viel zu bieten hat. Gerade für Fintech-Unternehmen bleibt die Schweiz in der DACH-Region allerdings nach wie vor der attraktivste Standort.

«Es braucht eine engere Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs in der Schweiz»

Worin unterscheidet er sich von anderen Standorten?

Die klare Regulierung der Krypto-Assets und Blockchain-Technologie schafft Rechtssicherheit für Fintechs. Die Schweiz verfügt daneben über einen gut entwickelten Finanzmarkt mit zahlreichen Investoren, die bereit sind, in innovative Unternehmen zu investieren, und die Schweiz bietet Zugang zu einem grossen Pool an hochqualifizierten Fachkräften. Zu guter Letzt unterstützen die etablierten Finanzinstitute und die Regierung aktiv die Entwicklung der Fintech-Szene.

Was lässt sich verbessern?

Es braucht eine engere Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs in der Schweiz. Dadurch liessen sich noch mehr Prozesse automatisieren und damit letztlich die Kosten senken. 

In den vergangenen Jahren traten zahlreichen Neobanken auf den Markt. Allen ist gemein, dass sie sich schwertun, Fuss zu fassen. Weshalb?

In dem Bereich steckt sicherlich viel Potenzial. Es wurde leider schon viel Erde verbrannt, dies manifestiert sich in einem Vertrauensverlust. Eine Zusammenarbeit zwischen einem traditionellen Institut und einer Neobank würde Sinn machen.


Christian Raab ist Director BFSI (Banking, Financial Services and Insurance) bei Thoughtworks. Das internationale Technologie-Beratungsunternehmen wurde 1993 in Chicago gegründet und ist heute in 19 Ländern präsent.