Markus Diethelm muss sich als neuer Chefjurist der Credit Suisse im Klagefall gegen den früheren georgischen Regierungschef rasch bewähren. Für die Grossbank selbst geht es darum, alte Verfehlungen abzuhaken und endlich eine neue Risikokultur aufzubauen.

Vor dem internationalen Handelsgericht in Singapur beginnt am (heutigen) Montag ein rund dreiwöchiger Prozess, den die Credit Suisse (CS) am Ende erneut Hunderte Millionen Dollar kosten könnte.

Auf der Klägerseite stehen der frühere georgische Regierungschef Bidzina Iwanishvili und seine Familie. Sie fordern von der Scheizer Grossbank einen Schadenersatz in Höhe von rund 800 Millionen Dollar, weil eine CS-Tochtergesellschaft in den Betrug eines ehemaligen CS-Mitarbeiters verwickelt ist, wie die Agentur «Reuters» am Wochenende berichtete.

Der Prozess wird zum ersten Härtetest des 65-jährigen CS-Chefjuristen Markus Diethelm. Sein Vorgänger Romeo Cerutti hatte das Vertrauen gewichtiger CS-Aktionäre zuletzt verloren, weil der wenig fassbare oberste Rechtschef bei der Abwehr der Klagen von Iwanishvili zunehmend eine unglückliche Figur machte.

Um Hunderte Millionen geprellt

Zwischen 2005 und 2015 war Iwanishvili Kunde der CS. Er verlor wegen des Verhaltens seines Genfer Kundenberaters Patrice Lescaudron Hunderte von Millionen Franken.

Spätestens ab 2011 hatte der CS-Berater reichen Kunden, darunter Iwanishvili, Millionenbeträge aus dem vom ihm betreuten Vermögen abgezweigt, um diese in eine Lebensversicherungsstruktur der CS zu investieren.

Auftürmende Verluste verheimlicht

Lescaudron war 2015 bei der CS fristlos entlassen worden und 2018 in Genf wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Er hatte während acht Jahren die Unterschriften von ehemaligen Kunden wie Iwanishvili gefälscht, sich auftürmende Verluste verheimlicht und Millionen in die eigene Tasche gesteckt.

Die CS, die in dem Verfahren als Geschädigte eingestuft wurde, betonte wiederholt, dass Lescaudron ein Einzelkämpfer gewesen war, der von keinem anderen Mitarbeiter der Bank unterstützt wurde.

Schuldspruch in Bermuda

Ausser in Singapur zerrte der ehemalige georgische Premierminister die CS im Zusammenhang mit dem Betrugsverfahren Lescaudron auch auf den Bermudas auf die Anklagebank. Das dortige Gericht verurteile im vergangenen März lokale Lebensversicherungsgesellschaften, die einen Teil von Iwanischwilis Vermögens verwahrten. Gemäss Urteilsspruch hatte CS Life Bermuda unzureichende Massnahmen ergriffen, um die betrügerische Misswirtschaft des Kundenberaters zu verhindern.

Im Juni wurde dann bekannt, dass die von den CS-Tochtergesellschaften zu bezahlende Schadenersatzsumme 607 Millionen Dollar beträgt, wie auch finews.ch berichtete. Bereits zuvor hatte die Schweizer Grossbank angekündigt, das Urteil anzufechten.

Ungemach auch in der Schweiz

Gemäss von «Reuters» zitierten Kreisen dürfte die CS bei einem Schuldspruch in Singapur Berufung einlegen. Ein aussergerichtlicher Vergleich zeichne sich gegenwärtig jedoch nicht ab.

Würden die Töchter der Banken sowohl auf den Bermudas als auch in Singapur verurteilt, müsste aufgeschlüsselt werden, welche Zahlung wo geleistet wird. Der Schaden dürfe nur einmal geltend gemacht werden.

Weiteres Ungemach droht dem Geldhaus ausserdem in der Schweiz. Zum einen läuft in Genf derzeit eine Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft in Sachen Lescaudron. Zum andern könnte der Georgier auch in der Schweiz gegen die Grossbank Klage einreichen. Vergangenen Dezember berichtete auch finews.ch, das in Genf sechs ehemalige und aktuelle hochrangige Mitarbeitende der CS von der Genfer Staatsanwaltschaft zur Befragung aufgeboten worden waren.

Wandel in der Risikokultur

Für die Beilegung von Rechtsfällen musste das Institut in den vergangenen Jahren tief in die Tasche greifen. Allein im ersten Halbjahr 2022 erhöhte die Bank die Rückstellungen für Rechtsrisiken um rund 1,1 Milliarden Franken.

Es wäre ein Befreiungsschlag, wenn die Grossbank alte Verfehlungen abhaken könnte. Daneben muss aber auch die Risikokultur der Grossbank dringend überholt werden.