Tidjane Thiam und John Cryan haben seit ihrem Antritt vor einem Jahr als Chefs der CS und der Deutschen Bank schwer zu kämpfen. Doch wer macht den besseren Job – Tidjane Thiam oder John Cryan?
Genau vor einem Jahr wurden sie ins kalte Wasser geworfen. Tidjane Thiam übernahm per Anfang Juli 2015 offiziell das Ruder bei der Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) von seinem Vorgänger Brady Dougan; aufseiten der Deutschen Bank trat der Ex-UBS-Finanzchef John Cryan (Bild unten) das Erbe des geschassten Führungs-Duos Jürgen Fitschen und Anshu Jain an.
Dass der jeweilige Verwaltungsrat sie als Turnaround-Manager holte, wussten beide. Doch wie schwer ihnen ihre neue Aufgabe fallen würde, dürften sie wohl kaum geahnt haben.
Ein Jahr später liegen die Aktien der beiden Grossbanken deutlich hinter dem Branchenschnitt zurück – der Börsenwert beider Institute hat sich ungefähr halbiert, was die Titel im Jargon zu «Dogs» macht. Und die beiden Chefs, die sich nun erst recht zu beweisen haben, zu «Underdogs».
Natürlich: sowohl Thiam wie Cryan hatten gleich zu Beginn erklärt, dass der Umbau ihrer Banken Zeit brauche. Doch bereits ein Jahr nach dem Amtsantritt reisst den Investoren und Experten der Geduldsfaden. In aller Öffentlichkeit machen sie jetzt ihrem Ärger Luft.
So befragte die Agentur «Bloomberg» elf Finanzinvestoren und sieben Analysten nach den «Noten» für die beiden geforderten CEO. Das Zeugnis, das auf diese Weise zusammenkam ist, ist nicht gerade schmeichelhaft.
Beim Job durchgefallen
Die Befragten bewerteten die Bankchefs nach verschiedenen Kategorien (siehe Tabelle unten) auf einer Skala von 1 bis 10, wobei ein Wert von 6 als ein «Bestanden» zählt. Über alle Kriterien besehen erhielten sowohl Thiam wie auch Cryan jedoch nicht viel mehr als ein 5 – aus der Sicht der Investoren und Experten sind sie bei ihrem Job durchgefallen.
Wie alle Rankings ist auch jenes von «Bloomberg» mit Vorsicht zu geniessen. Für Thiam, der in den letzten Wochen von verschiedensten Seiten reichlich Kritik einstecken musste, ist es dennoch bitter: Alles in allem schnitt er noch schlechter ab als sein Deutsche-Bank-Pendant Cryan.
Abzug in Betragen
Und dies nicht etwa bei seinem eigentlichen Auftrag, bei der «Stategieanpassung» der zweitgrössten Schweizer Bank. Punkto strategischem Denken, der Chancen auf einen kulturellen Wandel und die Neuausrichtung der übermächtigen Investmentbank holte der gebürtige Ivorer nämlich die besseren Noten als Cryan.
Viel Abzug gabs hingegen bei so genannt «weichen Faktoren», nämlich der Kommunikation und der Art und Weise, wie die Strategie in der Praxis umgesetzt wird. Das kommt wohl nicht von ungefähr: Seit dem überraschenden Milliarden-Abschreiber in der Investmentbank und einer Rebellion der CS-Trader an der Wall Street musste sich Thiam gar vom Grossaktionär Harris Associates eine Stilkritik gefallen lassen.
In einer kritischen Würdigung von Thiams Wirken in seinem ersten Jahr bei der CS kam auch finews.ch zum Schluss, dass die meisten Fehler bei den so genannten «Soft Factors» begangen wurden.
Sicherer denn je?
Das genügt, um auch «harte» Erfolge in ein schiefes Licht zu rücken. So wies die CS gegenüber «Bloomberg» darauf hin, dass sie viel Risiko abgebaut habe und gleichzeitig über so viel hartes Eigenkapital verfüge wie noch nie in den letzten Jahren.
Auf diesen Fakt verwies Thiam auch kürzlich gegenüber dem Schweizer «Sonntagsblick» (Artikel im Print). Und betonte, dass die CS-Gruppe zusammen bleibe und eine Übernahme kein Thema sei.
Derweil steht die CS-Aktie zu Wochenbeginn nur bei wenig mehr als 10 Franken. Wie alle «Underdogs» muss Thiam mehr denn je beweisen, was in ihm steckt.