Beim jährlichen Branchentreffen in Monte Carlo geben sich die grössten Rückversicherer der Welt und ihre Kunden ein Stelldichein. Die Signale für die Erwartungen fallen in diesem Jahr gemischt auf. Die Nachfrage nach dürfte zwar hoch bleiben, jedoch ist ein Ende der kräftigen Preissteigerungen absehbar. Sorgen bereiten steigende Schadensummen durch Naturkatastrophen.

Der Rückversicherungskonzern Swiss Re rechnet mit einem steigenden Bedarf an Rückversicherungsschutz in den kommenden Jahren. Aufgrund der zunehmenden Risiken aus Naturkatastrophen dürfte insbesondere die Nachfrage nach Absicherung in Sach- und Spezialsparten wachsen, wie es in einer Mitteilung des Konzerns vom Montag heisst.

Als Faktoren werden steigende Immobilienwerte, Urbanisierung und inflationsbedingt höhere Reparaturkosten genannt. Insbesondere in Regionen, die einem wachsenden Risiko von Naturkatastrophen, dürften die Nachfrage weiter wachsen.

So lagen laut Swiss Re Institute die weltweiten versicherten Schäden aus Naturkatastrophen im Jahr 2023 über der Marke von 100 Milliarden Dollar. Das sei das vierte Mal in Folge, dass dieser Wert überschritten wurde. In auch im laufenden Jahr setze sich der Trend fort. Im ersten Halbjahr 2024 habe diese Summe bereits 60 Milliarden Dollar betrage und lieg damit um 62 Prozent über dem Zehnjahresdurchschnitt.

Wachsende Nachfrage in bestimmten Sparten

«Angesichts erhöhter Naturkatastrophenrisiken, wirtschaftlicher Unsicherheit und geopolitischer Instabilität ist die Rückversicherung für Erstversicherer die natürliche Wahl, um sich vor übermässigen Verlusten zu schützen», sagt Urs Baertschi, CEO von Property & Casualty Reinsurance bei Swiss Re.

Wachsende Nachfrage wird aber auch im Bereich Engineering-Rückersicherungen im Baugewerbe und bei Projekten für erneuerbare Energie gesehen sowie im Markt für Cyber-Rückversicherung.

Modellierung und Kapitalbewirtschaftung

Versicherer müssten Anstrengungen unternehmen, um mit der Risikolage umzugehen. Hier sei eine bessere Modellierung und ein effektiver Datenfluss nötig, um risikoadäquate Tarife zu ermöglichen. Für Erstversicherer gewinne auch die Kapitalbewirtschaftung und das Volatilitätsmanagement weiter an Bedeutung.

«Soziale Inflation»

In einer separaten Mitteilung hatte Swiss Re bereits am Wochenende auf die steigenden Kosten durch höhere Schadenersatzurteilen in den USA hingewiesen. Diese sogenannte «Soziale Inflation» bereite der Branche zunehmend Sorgen. Demnach war das Wachstum der US-Haftpflichtschäden in den letzten zehn Jahren höher als die wirtschaftliche Inflation. Allein 2023 hätten US-Gerichte Klägern in 27 Fällen Entschädigungen mit Summen von mehr als 100 Millionen Dollar zugesprochen.

«Wir beobachten eine kontinuierliche Zunahme aggressiver Prozesspraktiken, die besonders für die Haftpflichtversicherung problematisch sind», sagt Gianfranco Lot, Chief Underwriting Officer P&C. Zwar handele es sich vor allem um ein Phänomen in den USA, doch spreche vieles dafür, dass dies auch auf andere Länder zutrifft, die ein ähnliches Common-Law-System haben. Das wären in erster Linie Grossbritannien, Australien und Kanada.

Preissteigerungen flachen ab

Aber auch die anderen grossen Rückversicherer meldeten sich am «Rendez-Vous de Septembre» in Monte Carlo zu Wort. Auch der Marktführer Munich Re rechnet trotz stark gestiegener Prämien mit einer weiter hohen Nachfrage nach Rückversicherungsschutz. Die Preissteigerungen würden sich aber nicht in dem Tempo fortsetzen wie bisher.

In den Jahren 2024 bis 2026 dürften die Prämieneinnahmen in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung im jährlichen Schnitt weltweit um 2 bis 3 Prozent wachsen, sagte Munich-Re-Vorstand Thomas Blunck. Derzeit befinde sich der Markt «in einem vernünftigen Gleichgewicht». In den drei Jahren zuvor waren die Prämieneinnahmen durchschnittlich um etwa 4 Prozent gestiegen.

Auch bei Hannover Rück, der weltweiten Nummer drei, erwartet man nach den deutlichen Preiserhöhungen der vergangenen Jahre für 2025 eine stagnierende Entwicklung. Bei den Vertragserneuerungen im laufenden Jahr hätten sich die Preise und Konditionen in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung teils weiter verbessert, teils aber auf dem Niveau von 2023 stabilisiert. In einigen Erstversicherungsmärkten gebe es inzwischen leichte Preisnachlässe.

Erstversicherer übernehmen mehr Risiko

Im Vorfeld des Treffens hatten die Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P) und Moody's den Rückversicherern gute Gewinnaussichten attestiert. Nachdem die Rückversicherer ihre Preise in den vergangenen Jahren stark erhöht haben, hätten viele Erstversicherer mehr Risiken auf ihre eigene Kappe genommen. «Diese Übertragung von mehr Frequenzschäden auf die Erstversicherer hat die Gewinne der Rückversicherer deutlich steigen lassen», hiess es bei Moody’s. Kleine und mittlere Schadenereignisse hatten in den vergangenen Jahren einen hohen Anteil an den gesamten Schäden und gingen 2023 verstärkt zulasten der Erstversicherer. Die Rückversicherer hätten so erstmals seit mehreren Jahren ihre Kapitalkosten verdienten.

Der Bedarf der Erstversicherer sei jedoch ungebrochen, auch wenn die Preise in dem Geschäft im laufenden Jahr ihren Höhepunkt erreicht haben, hiess es von S&P.

An dem viertägige Branchentreffen nehmen rund 3'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil. Es findet seit 1957 traditionell im September im Fürstentum an der Côte d’Azur statt.