Der Klimawandel schafft höchst lukrative Bedingungen für Investoren in Katastrophen-Anleihen, wie der Augenschein bei der Zürcher Vermögensverwalterin Twelve Capital zeigt. Die explodierenden Versicherungsprämien ebnen dabei neuen Anlagemöglichkeiten den Weg.

Ende April schlug das National Hurricane Center im amerikanischen Miami Alarm. Der Grund: Mitten im Atlantik hatte sich eine Tiefdruck-Zone gebildet, die das Zeug zum Hurrikan hatte. Und das gut einen Monat früher, als die «Saison» für Wirbelstürme eigentlich beginnen sollte.

Das Ereignis dürfte auch Tausende Kilometer östlich auf dem Radar von Twelve Capital aufgetaucht sein. Dies nicht von ungefähr: die in Zürich beheimatete Finanzboutique hat sich auf Investments in Katastrophenanleihen spezialisiert. Mit solchen «Cat Bonds» lagern Rückversicherer Grossrisiken wie Hurrikanschäden an die Investoren aus.

Was einst als Nische an den Finanzmärkten begann, hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen, wie sich zeigt.

Steiler Trend



So steigt seit dem Jahr 2010 das ausstehende Volumen von Cat Bonds kontinuierlich an. Bei Twelve Capital geht Gründer und Firmenpräsident Urs Ramseier (Bild unten) jetzt davon aus, dass dieses Jahr mit bis zu 50 Milliarden Dollar Volumen ein neuer Rekordwert erreicht wird.

 Vor zehn Jahren war es noch die Hälfte.

Folgt man der Aussagen des Fondsprofis, zeigt der Trend auch in Zukunft steil nach oben. «In den nächsten fünf Jahren erwarten wir weiteres Wachstum in diesem Stil», sagt Ramseier zu finews.ch. Ramseier zählt in der Schweiz zu den erfahrensten Sachverständigen für Investitionen in verbriefte Versicherungsrisiken, den so genannten Insurance Linked Securities (ILS).



Ramseier 500

(Bild: Twelve Capital)

Jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Dollar Schaden

Das Volumenwachstum ist ein Hinweis auf den enormen Druck, der gegenwärtig auf der Versicherungsindustrie lastet. Mit dem Klimawandel hat die Häufigkeit von Naturereignissen mit Schadenfolge stark zugenommen. Seit 2017 sahen sich Versicherer Jahr für Jahr mit aggregierten Schäden von jeweils mehr als 100 Milliarden Dollar konfrontiert.



Das hat die Prämien für solche Ereignisse über das gesamte Spektrum explodieren lassen. Im sturmgeplagten US-Bundesstaat Florida etwa zahlen Hauseigentümer ein Vielfaches dessen, was sie noch vor wenigen Jahren für Versicherungsschutz berappen mussten.



«Das übersteigt das Kapital jedes Versicherers»

Dies, während die Rückversicherer wiederum von der Regulation her verpflichtet sind, für potenzielle Schadenereignisse ausreichend Eigenmittel vorzuhalten. Grossrisiken müssen gemäss der Richtlinie Solvency II gar bis zu 100 Prozent mit Eigenkapital hinterlegt werden. «Das übersteigt das Kapital jedes Versicherers», sagt Ramseier. Wer solche Risiken noch versichern will, braucht deshalb zwingend die Finanzmärkte.



Beide Entwicklungen haben sich für Cat-Bond-Investoren wie Twelve Capital als höchst einträglich erwiesen. So haben die stark steigenden Prämien für eine entsprechende Performance gesorgt: Der Twelve Cat Bond Fonds etwa, das Flaggschiff von Twelve Capital, hat im vergangenen Jahr eine Rendite von 17 Prozent eingespielt.



Extremereignisse sind ausgeblieben

Das wiederum ist beste Werbung bei den Anlegern. Der Fond verwaltet mittlerweile über 3 Milliarden Dollar an Vermögen. Rund 1 Milliarde Dollar davon sind dem Vehikel alleine in den vergangenen zwei Jahren zugeflossen. Auch in diesem Jahr seien die Zuflüsse sehr erfreulich, sagt Ramseier.

Derweil zeigt sich, dass zwar die Zahl der Stürme und Unwetter weltweit zunimmt. Die Extremereignisse, die Cat Bonds zur Auszahlung bringen können, sind hingegen kaum häufiger geworden sind. So vermochte selbst der schwere Hurrikan «Ian» im Jahr 2022 keine Katastrophenanleihe im Fonds von Twelve Capital auszulösen. Auch 2023 blieb ein solcher «Event» ganz aus.



Die einzige Gefahr

Die Investoren in Cat Bonds befinden sich demnach in einer glücklichen Position, sozusagen im Auge des Orkans: Sie werden kaum zur Kasse gebeten, weil sie nur zur Sturmstärke exponiert sind. Derweil müssen die Rückversicherer für die vielen kleineren, aber aggregiert höheren Schadensfälle aufkommen. Die einzige Gefahr, die Ramseier für seinen Fonds sieht: stärkere Hurrikane.

Der Alarm aus Miami war diesbezüglich kein gutes Omen, obschon sie die Zelle über dem Ozean verlor und ungefährlich verpuffte. Denn aufgrund der bereits jetzt schon deutlich höheren Wassertemperaturen geht die mit der Hurrikan-Prognose beauftragte amerikanische Colorado State University für 2024 von massiv mehr schweren Stürmen aus.



Verheerende Saison droht

Dort erwarten die Wetterforscher für dieses Jahr 23 Stürme, die mit einem Namen versehen werden, davon elf Hurrikane und fünf schwere Hurrikane. Der Durchschnittswert der vergangenen 30 Jahre liegt mit 7,2 Hurrikanen respektive 3,2 schweren solchen Stürmen deutlich tiefer.


Dabei weist die Ostküste der USA eine sehr hohe Versicherungsdichte auf, was die Schadenssummen in den Sturmschneisen in die Höhe schnellen lässt. Schon ein wenig weiter südlich, im ebenfalls von Hurrikanen betroffenen Schwellenland Mexiko, ist dies hingegen viel weniger der Fall.



Schwellenländer werden zum Thema

Dennoch winkt dort Investoren mittlerweile ein Geschäft. Denn um Unwetteropfern rasch zuhilfe eilen zu können, setzen etwa die Weltbank und regionale Organisationen ebenfalls auf ILS-Strukturen. Diese «Desaster relief»-Instrumente sind dabei parametrisch aufgesetzt: Sie werden nicht nach einer bestimmten versicherten Schadenssumme ausgelöst, sondern wenn ein Naturereignis eine gewisse Intensität erreicht hat.

Das macht die Auszahlung unkompliziert, transparent und berechenbar – was durchaus im Sinne der Investoren ist.

«Desaster relief in Entwicklungsländern interessiert uns sehr», bestätigt Ramseier, «das bauen wir jetzt auf». Es handle sich um ein mittlerweile schnell wachsendes Segment des Marktes, welches allerdings eine etwas tieferere Rendite abwerfe als Cat Bonds. Das ist ihm zufolge aber kein Nachteil. Denn die Hilfe für Schwellenländer qualifiziert jene Instrumente als «Impact»-Anlagen.



Staat muss Versicherungen subventionieren

Das macht sie etwa für Pensionskassen interessant, die sich einer nachhaltigen Agenda verschrieben haben. «Das Potenzial könnte riesig sein», sagt der Branchenpionier.



Während der Impact für Sturmopfer in Mexiko auf der Hand liegt, gilt dies für die Einwohner von Florida weniger. Dennoch ergibt sich auch hier ein mögliches neues Einsatzgebiet: Mittlerweile müssen im US-Bundesstaat subventionierte Gebäudeversicherungen einspringen, weil sich Hausbesitzer die obligatorische Versicherung wegen den hohen Prämien nicht mehr leisten können.



Bald auch in Europa ein Problem?

Auch hier könnte sich es sich um «Insurance for the uninsurable» handeln, gibt Ramseier zu bedenken – und das Thema für Impact-Investitionen qualifizieren.

Er wagt zudem die Prognose, dass sich die Thematik auch bald in Europa aufs Tapet kommen könnte. «Grund ist wiederum Klimawandel, der die Prämien so stark steigen lässt, dass sich Private eine Gebäudeversicherung in bestimmten Regionen nicht mehr leisten können». Ein Ausblick, der die amerikanische Ostküste gar nicht mehr so weit weg erscheinen lässt.