Historisch tiefe Zinsen und die steigende Lebenserwartung bilden die grösste Herausforderung für die Pensionskassen, warnt Vorsorge-Experte Herbert Brändli.
Herbert Brändli ist Geschäftsführer der B+B Vorsorge. Er schreibt regelmässig für finews.ch.
Sie müssen sich in einem Rahmen von Gesetz und Verordnungen behaupten, welcher auf überholten Vorgaben und Bedingungen beruht. Falsche Signale und Impulse wie der ökonomische Deckungsgrad bringen sie vom erfolgreichen Pfad ab. Es ist höchste Zeit für Anpassungen des regulatorischen Umfelds, wenn die 2. Säule tragfähig bleiben soll.
Alles schwankt
Das BVG schreibt den Pensionskassen Leistungen vor, welche sie mit Alters- und Zinsgutschriften, sowie Umwandlungssätzen berechnen müssen. 1985, bei Einführung des BVG, wurden der BVG-Zins mit 4 Prozent und der Umwandlungssatz beim ordentlichen Übergang in die Pension mit 7,2 Prozent festgelegt.
Damit konnten alle Versicherten auf vergleichbare Mindestleistungen hoffen und diese, wenn auch sehr umständlich, sogar selbst berechnen. Mittlerweile schwanken die minimalen Zinsgutschriften als Folge politischer Entscheide im Zuge von kurzfristigen Marktverwerfungen und konjunkturellen Schwankungen und die Umwandlungssätze wurden wegen Zins- und Lebenserwartungen generell nach unten korrigiert.
Aufs falsche Pferd gesetzt
So steht heute einem beträchtlich höheren Wohlstand der Schweizer Bevölkerung eine markante Abnahme der Pensionskassenleistungen gegenüber.
Die Schere zwischen positiver wirtschaftlicher Entwicklung und negativer Produktivitätsneigung der Pensionskassen wird sich ohne grundlegende Veränderungen weiter öffnen, weil ursprünglich bei der Festlegung der massgebenden Parameter auf das falsche Pferd gesetzt wurde.
Ein Blick zurück hätte genügt
In der damaligen Hochzinsphase spiegelten die BVG-Zinsen die Ertragskraft von Obligationen und Staatsanleihen. Die Anlagerichtlinien, welche gleichzeitig mit den Zinsvorgaben in Kraft gesetzt wurden, sollten diese Erträge sichern.
Ein Blick zurück hätte schon damals gezeigt, dass mit solchen Anlagevehikeln die gesetzten Minimalziele niemals erreicht werden können.
Langfristig rentierten Obligationen in der Schweiz seit 1900 real gerade mal mit 2,5 Prozent und weltweit sogar nur mit 1,8 Prozent. Dennoch wurden Pensionskassen praktisch verpflichtet, ihre Portfolios mit Festverzinslichen zu füllen.
Überbordende Staatsverschuldung
Momentan sind damit rund 75 Prozent aller Pensionskassenvermögen gebunden. Kein vernünftiges Szenario lässt aber mit Obligationen und Staatsanleihen in den nächsten Jahren einen positiven Ertrag erwarten.
Im Zuge der überbordenden Staatsverschuldungen sind zudem ihre Ausfallrisiken massiv angestiegen. Jeder vernünftige Unternehmer würde unter diesen Umständen sein Portfolio schützen und zur Erhaltung eines erfolgversprechenden Ertragspotentials schleunigst umstrukturieren.
Nichtssagende Kennzahlen
Nicht so Pensionskassen. Dem Gesetz, Druck und Ratschlag von Beratern folgend, die dieses selbst gestaltet haben, werden hohe Ausfallrisiken lieber verbrieft und in Derivate verpackt um den irreführenden Anlagerichtlinien Genüge zu tun.
Statt genügend Ertrag zu erwirtschaften, gilt es in erster Linie den Regulator mit risiko- und ertragsmässig nichts sagenden Kennzahlen wie dem Deckungsgrad zufrieden zu stellen. Damit soll ein System von Garantien geschaffen werden, das es in einem realen Umfeld nicht geben kann.
Schon heute fehlen riesige Beträge
Dabei weiss heute jedermann, dass weder auf Basis von «risikofreien» Zinsen, also der Rendite von Staats- und Bundesobligationen, noch mit Obligationen von erstklassigen Privatschuldnern langfristig ausreichende, vernünftige Erträge zu holen sind.
Wohin diese Praxis führt, wird von Experten und einem spezialisierten Professor laufend vorgerechnet. Mit veralteten, längst abgestraften Finanzmodellen zeigen sie, dass Diskontsätze, die den mickrigen Erträgen entsprechen, wohl zum sogenannt ökonomischen Deckungsgrad führen können.
Aber damit würden bereits heute riesige Beträge fehlen, um nur schon die minimalen Leistungsvorgaben zu rechtfertigen. Mit Ökonomie haben solche Strategien nichts gemeinsam. Sollen Pensionskassenleistungen mit der Wirtschaft mithalten, muss das gesetzliche Korsett dringend gelockert und unternehmerischem Verhalten zugänglich gemacht werden.