In Wahrheit ist die Freiheit der Bankkunden im heutigen Geld- und Bankensystem stark begrenzt: Für sie steht das gesetzliche Zahlungsmittel nämlich allein in Form von Bargeld zur Verfügung. Wenn sie ihr Geld nicht bar aufbewahren, aber dennoch liquid bleiben wollen, sind sie gezwungen, das private Buchgeld der Banken zu verwenden. Dadurch erhält dieses private Buchgeld in der öffentlichen Wahrnehmung den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels.
Das ist der Grund dafür, dass das Publikum permanent hohe Beträge als liquide Einlagen bei den Banken hält, obwohl diese Einlagen mit einem Verlustrisiko verbunden sind und weniger Zinsen abwerfen als Anleihen auf dem Kapitalmarkt. Diese Möglichkeit, sich mit selbst erzeugtem Buchgeld in Form von Kundeneinlagen günstig zu finanzieren, ist ein grosses Privileg der Bankenbranche.
Banken haben heute ein lukratives Privileg
Wie lukrativ dieses Privileg der Bankbranche ist, zeigt eine Studie der britischen New Economics Foundation aus dem Jahr 2017. Darin wird der Extragewinn der Schweizer Banken aus der Gelderzeugung in den neun Jahren von 2007 bis 2016 auf insgesamt 35 Milliarden Franken beziffert. Dieser Gewinn ergibt sich daraus, dass sich die Banken nicht zu den üblichen Zinsen auf dem Kapitalmarkt finanzieren müssen, sondern nur einen wesentlich niedrigeren Zins auf die von ihnen geschaffenen Kundeneinlagen zahlen, wenn diese überhaupt noch verzinst werden. Diese Zinsdifferenz hat in der genannten Periode zu einem Extragewinn der Bankenbranche in Höhe von durchschnittlich fast 4 Milliarden Franken pro Jahr geführt.
Es stellt sich die Frage: Wäre es nicht vernünftiger, wenn auch das Buchgeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel deklariert und von SNB erzeugt werden würde, wie es die Vollgeld-Initiative will? Dann wären die liquiden Bankeinlagen so krisensicher, wie das Bargeld, und der Gewinn aus der Erzeugung von Buchgeld käme der öffentlichen Hand zugute, statt zu Banker-Boni und Banken-Bussen beizutragen. Allein die Credit Suisse hat 2017 über 3 Milliarden Franken für Boni und über 5 Milliarden Franken für Bussen wegen Fehlverhaltens ausgegeben.
Trennung von Gelderzeugung und Kreditvergabe
Im Vollgeld-System wäre die SNB für die Gelderzeugung zuständig, die Kreditvergabe dagegen bliebe weiterhin eine Aufgabe der Banken, die so tatsächlich die Funktion von Finanzintermediären erfüllen würden. Die Banken könnten aber nur noch Geld verleihen, das sie vorher eingesammelt haben.
Auch wenn die SNB den Banken nach einer Vollgeld-Reform Geld leihen müsste, damit sie genug Geld für die Kreditvergabe haben, würde die SNB das Kreditrisiko der Banken nicht übernehmen. Im Vollgeld-System haften private Investoren für die Bankkredite, und die Banken entscheiden, wer mit welchen Konditionen einen Kredit bekommt. Die SNB steuert im Vollgeld-System die Geldmenge, nicht die Kreditvergabe, und die Marktverhältnisse bestimmen, wie gross der für Kredite verwendete Anteil an der Geldmenge ist. Deshalb ist es völlig falsch zu behaupten, Vollgeld bedeute eine Zentralisierung der Kreditvergabe.
Unabhängigkeit der SNB bleibt erhalten
Auch die Befürchtung ist unbegründet, dass die SNB im Vollgeld-System unter zusätzlichen politischen Druck geraten würde, was sie zu einer übertriebenen, inflationären Erweiterung der Geldmenge veranlassen könnte. Einerseits steht die SNB schon heute unter Druck, mehr Geld aus ihrem Gewinn an die Kantone zu verteilen. Andererseits kann die SNB gut mit diesem Druck umgehen, weil ihre Unabhängigkeit gesetzlich garantiert ist.
Und diese Unabhängigkeit bliebe auch im Vollgeld-System bestehen: Die SNB hätte per Gesetz den Auftrag, die Gelderzeugung nach dem Bedürfnis der Gesamtwirtschaft auszurichten und die Geldmenge dem Wirtschaftswachstum entsprechend zu steuern, damit genug, aber nicht zu viel Geld in Umlauf ist und die Kaufkraft des Franken erhalten bleibt. Und natürlich könnte die SNB die Vollgeld-Menge bei Bedarf reduzieren, ohne die Bevölkerung zur Kasse zu bitten: Die SNB könnte beispielsweise eigene Anleihen an die Banken verkaufen und so Geld aus dem Wirtschaftskreislauf abziehen.
Vollgeld reduziert die Verschuldung
Die Warnung des UBS-Chefökonomen schliesslich, dass sich Vollgeld negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken würde, entbehrt einer wissenschaftlichen Grundlage. In Wahrheit lässt sich gerade das Gegenteil wissenschaftlich begründen: Die positive, stimulierende Wirkung einer Vollgeld-Reform auf die Realwirtschaft wird durch eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus dem Jahr 2012 klar bestätigt (WP/12/202).
In dieser Studie untersuchen zwei Experten mit Hilfe des besten Simulationsmodells, das die Ökonomen heute kennen, wie sich die Grundzüge des Vollgeld-Systems auf eine moderne Volkswirtschaft auswirken würden. Das Ergebnis der IWF-Expertise ist: Eine Vollgeld-Reform würde parallel zu einer massiven Entschuldung öffentlicher und privater Haushalte innerhalb von zehn Jahren ein zusätzliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 7 Prozent bewirken.
Vollgeld schafft Arbeitsplätze
Aufgrund der Daten des Bundesamtes für Statistik lässt sich sagen, dass in der Schweiz seit der Jahrtausendwende ein Wachstum des BIP von einem Prozent im Durchschnitt zur Schaffung von 20'000 neuen Arbeitsplätzen geführt hat. Wenn wir nun das Ergebnis der IWF-Expertise auf die Schweiz beziehen, würde die Einführung von Vollgeld in zehn Jahren zur Schaffung 140'000 neuer Arbeitsplätze führen.
Klar: Bei dieser Zahl handelt es sich um eine grobe Schätzung. Die positive Auswirkung einer Vollgeld-Reform auf die Realwirtschaft lässt sich aber kaum mehr leugnen. Deshalb ist die Behauptung von Bankern und ihnen nahestehenden Finanzpolitikern, Vollgeld würde der Schweizer Wirtschaft schaden, falsch. Mit solchen falschen Behauptungen versuchen die Profiteure des bestehenden Geldsystems ihr Eigeninteresse als das Gesamtinteresse unseres Landes zu verkaufen. Es ist zu hoffen, dass sich das Stimmvolk nicht in die Irre führen lässt und am 10. Juni an der Urne für ein krisensicheres, nachhaltiges und gerechtes Vollgeld-System stimmt.
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