Gerhard Fusenig, Verwaltungsrat von Aberdeen, spricht im Interview mit finews.ch über den Passivtrend im Asset Management, bequeme Pensionskassen und die Neuausrichtung von GAM.
Herr Fusenig, die Firma Aberdeen Asset Management, bei der Sie im Verwaltungsrat sitzen, fusioniert mit Standard Life. Henderson Global Investors mit Janus Capital, und Pioneer Investments wurde von der Unicredit an Amundi verkauft. Warum diese Konsolidierungswelle?
Ich würde es nicht als Konsolidierungswelle bezeichnen. Die drei von Ihnen genannten Zusammenschlüsse haben unterschiedliche Treiber. Pioneer Investments war beispielsweise jahrelang auf dem Markt. Dass Unicredit nun an Amundi verkauft hat, würde ich als Umsetzung einer strategischen Entscheidung – der Trennung vom Asset Management – bezeichnen.
Natürlich ergeben sich durch Zusammenschlüsse Synergien, vor allem auf der technischen Seite, auch durch den Zusammenschluss von Produkten. Doch das alles hindert die Kunden nicht daran, weiterhin ihr Geld abzuziehen.
Das ist insbesondere bei Aberdeen geschehen.
Aberdeen hat 15 aufeinanderfolgende Quartale Geldabflüsse erlitten...
...vor allem in den Schwellenländer-Produkten...
...ein Grund dafür war die fehlende Attraktivität der Emerging Markets vor drei bis vier Jahren. Später war es der anhaltende Trend der Anleger passiv zu investieren. Nun setzt die betriebswirtschaftliche Logik ein. Bei immer weniger verwalteten Vermögen steigen die Kosten für den Betrieb einer Asset-Management-Plattform, was sich wiederum in der Cost-Income-Ratio niederschlägt.
«ETF sind angesichts ihrer schmalen Marge relativ teure Produkte»
Im Sinne der Aktionäre muss man dann die Strategie überprüfen. Für den Aberdeen-Verwaltungsrat war klar, dass die Lösung nur darin liegen kann, einen starken Partner zu finden, mit dem sich weitere strategische Optionen ergeben, die einige Jahre anhalten. Alles andere wäre Flickwerk gewesen.
Warum Standard Life?
Das Zusammengehen mit Standard Life eröffnet Aberdeen einen neuen Vertriebskanal im Vorsorgemarkt. Handkehrum erhält Standard Life einen Zugang zum asiatischen Markt. Bei Henderson und Janus war der Treiber, dass beide für sich neue geografische Absatzkanäle erschliessen – die USA für Henderson und Europa für Janus.
Der Trend hin zu passiven Investments und ETF dauert schon länger, und aktive Manager schauen relativ hilflos zu, wie sie Kundengelder verlieren. Ist das nicht ein strategischer Fehler?
Man darf den Fehler nicht machen, das ETF-Geschäft mit passiven Mandaten zu vergleichen. ETF sind angesichts ihrer schmalen Marge von ein paar Basispunkten teure Produkte: Sie sind an der Börse gelistet und müssen vermarktet werden. Sie müssen ständig neu berechnet werden, und ein Emittent darf sich dabei keinerlei Fehler leisten.
Das heisst: Ein Anbieter sollte über eine sehr grosse Plattform von 100 Milliarden Franken oder mehr verfügen, damit das ETF-Geschäft profitabel ist. Aus diesem Grund verkaufte die Credit Suisse seinerzeit ihr ETF-Geschäft an Blackrock, behielt aber das Geschäft mit passiven Mandaten.
Aber aktive Manager könnten auch passive Mandate anbieten.
Das tun inzwischen auch immer mehr. Damit erzielen sie zwar nicht ihre bevorzugten Margen, aber sie überlassen das Feld nicht kampflos den Konkurenten. So setzen derzeit immer mehr aktive Manager auf das «Enhanced Indexing» oder «Smart Beta».
«In Grossbritannien müssen die «Index-Huggers» die Gebühren nach unten anpassen»
Sie können so ihre spezifischen Faktoren des Asset Managements, also beispielsweise einen Value-Ansatz, einbringen. Diese Zusatzleistung bringt schon etwas höhere Margen als ein rein passiver Ansatz.
In der Branche scheint sich aber auch ein Bewusstsein zu entwickeln, wirklich aktives Management zu betreiben.
Das wird von den Regulatoren auch so verlangt. In Grossbritannien müssen die «Index-Huggers», also Fonds, die im Vergleich zum Benchmark nur einen leichten Tracking-Error aufweisen, die Gebühren nach unten anpassen. Das heisst, aktives Management wird neu definiert.
Genügt eine Angebotspalette noch, die nur auf Aktien und Obligationen setzt?
Nein. Eine Angebotspalette muss per se breiter sein, um dem Kunden mehrere Produkte anbieten zu können. Dann schmerzen auch Abflüsse aus einzelnen Bereichen weniger. Der Kunde ist zwar aus einem Bereich ausgestiegen, bleibt aber noch beim Anbieter.
«Das Asset Management liefert bei geringen Kapitalkosten einen guten Ergebnisbeitrag»
Private Equity sollte heute zu einer Angebotspalette gehören, wie auch Hedgefonds, Infrastruktur-Investments, Senior Loans oder eben Smart Beta.
Die Schweiz hat mit der UBS und der Credit Suisse (CS) zwei globale Player im Asset Management. Doch gleichzeitig hat man den Eindruck, das Asset Management spiele dort kaum eine strategische Rolle.
Das sehe ich nicht so. Die UBS und CS haben einen globalen Marktzugang und einen entsprechenden Vertrieb. Damit gehören sie in die Liga der Grossen. Weil sie Universalbanken sind, können auch weitere Überlegungen mitspielen, ein Asset Management zu unterhalten.
Nämlich?
Sie können ihren sehr vermögenden Privatkunden professionelle Produkte aus dem Asset Management anbieten. Zudem finanziert das Asset Management die ganzen Datensysteme für das Wertpapiergeschäft mit und liefert bei vergleichsweise geringen Kapitalkosten einen guten Ergebnisbeitrag.
Es gab auch Gerüchte, die CS würde im Asset Management zukaufen.
Wenn die CS eine entspanntere Kapitalsituation hätte, sähe ich es als strategische Option, über eine Akquisition in die Topliga der Asset Manager aufzusteigen. Dasselbe gilt auch für die UBS. Doch glaube ich nicht, dass dies zurzeit ansteht.
Rechnen Sie mit einer Konsolidierung kleinerer Anbieter in der Schweiz?
Da sehe ich keinen wirklichen Bedarf. Die Schweiz bietet einen Standortvorteil: Durch die Privatbanken und Pensionskassen ist der Asset-Pool extrem gross. Die Banken, Vermögensverwalter und Versicherer bieten sehr gute Absatzmöglichkeiten. Gleichzeitig steht dieser grosse Markt unter einer Regulierung.
Die Überlebenschancen verringern sich erheblich, wenn ein Asset Manager mit zu geringem Volumen in zu vielen Märkten präsent sein will. Insofern sehe ich aber die Möglichkeit, dass sich einige kleinere Schweizer Vermögensverwalter auf einer operativen Plattform zusammentun könnten, um in Europa zu expandieren.
Die Firma GAM steht zurzeit erheblich Druck. Enorme Kundengelder sind bereits abgeflossen, während die Kosten zu hoch sind. Eine Übernahmekandidatin?
GAM muss sich von einer jahrelangen Beziehung mit Julius Bär lösen und hat damit Kundengelder und zum Teil auch einen Vertriebskanal verloren. Das Unternehmen muss sich neu aufstellen und ein Gleichgewicht zwischen verwalteten Vermögen und Kosten finden, das Profil wieder schärfen sowie den Vertrieb ausweiten.
«Dadurch wird nur der Gewinn geschönt»
Dafür braucht es harte Managemententscheide und ein gewisses Umdenken innerhalb der Firma. Das ist möglich. GAM hat im Markt einen sehr guten Namen. Nur Kosten sparen – wie es derzeit ein Grossaktionär fordert – bringt keinen langfristigen Erfolg.
Warum?
Dadurch wird nur der Gewinn kurzfristig geschönt, und der gestiegene Aktienkurs erlaubt dem Hedgefonds dann den Ausstieg mit Gewinn. Dies kann sicher nicht im Interesse langfristiger Investoren sein.
Gerhard Fusenig ist Verwaltungsrat bei der schottischen Firma Aberdeen Asset Management, die unlängst eine Fusion mit dem britischen Versicherer Standard Life bekanntgab. Der 53-Jährige war bis Ende 2013 Co-Chef im Asset Management der Credit Suisse (CS). In dieser Funktion begleitete er auch den Verkauf von Teilen des CS-Geschäfts an Aberdeen. Er ist derzeit auch Verwaltungsrat der CS-Tochter Credit Suisse Insurance Linked Strategies.