Die wilden Spekulationen rund um die Kreditwürdigkeit der Credit Suisse spiegeln lediglich tiefergehende Probleme der Schweizer Grossbank wider. Am Ende wird es nur eine Lösung geben.
Der jüngste Anstieg der Kosten für einen Ausfall von Obligationen der Credit Suisse (CS) hat zu Wochenbeginn die Aktien der Schweizer Grossbank weiter nach unten gedrückt.
Zeitweilig verloren die Papiere bis zu 10 Prozent, erholten sich im Tagesverlauf dann etwas. Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Emissionen am Anleihenmarkt (Credit Default Swaps, CDS) ist ein wichtiger Indikator für die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens. Allerdings ist diese Prämie auch enormen Spekulationen von Investoren ausgesetzt, wie sich im Fall der CS am Montag sehr gut zeigte.
Viele Anzeichen
Denn andere Finanzinstitute verzeichneten in der Vergangenheit ebenfalls solche Wertschwankungen und konnten diese Situation überwinden, wie es das Beispiel der Deutschen Bank gezeigt hat, die inzwischen als Modell für eine gelungene Restrukturierung steht.
Insofern greift das Malaise der CS respektive der Umstand, dass sie aus der Abwärtsspirale nicht herauskommt, tiefer. Konkret geht es um einen Mangel an Kompetenz und Vertrauen hinsichtlich der Unternehmensführung. Der Anzeichen dafür gibt es viele.
1. Hilflose Kommunikation
Die Führungscrew unter CS-Präsident Axel Lehmann und CEO Ulrich Körner hat es in den vergangenen Wochen versäumt, eine konsistente Informationspolitik an den Tag zu legen.
Mal wollte die Bank nichts kommunizieren, dann widersprach sie einzelnen Gerüchten, um dann mit eigenen Angaben hinsichtlich ihrer Kapitalsituation an die Öffentlichkeit zu gelangen, wobei sie gewisse Medien noch einzeln bearbeitete. Dieses Hüst-und-Host hat die Investorenwelt enorm verunsichert.
2. Kapitalfrage ungelöst
Die ganze Aufregung rund um die CS-Aktie dreht sich zu einem grossen Teil um die Frage, ob die CS eine Kapitalerhöhung durchführt. Angesichts des massiv geschrumpften Börsenwerts würde eine solche einen potenziellen Gewinn für die Aktionäre massiv verwässern. Darum will die Bank einen solchen Schritt möglichst vermeiden.
Offen ist zudem, wer sich überhaupt noch an einer solchen Massnahme beteiligen würde, zumal das Vertrauen in einen grösseren Turnaround der CS noch nie so gering war wie jetzt.
3. Klarer Käufermarkt
Dass Investoren der CS in nächster Zeit nicht viel zutrauen, dafür kann die Bank nur begrenzt etwas. Vielmehr verhindert das aktuelle wirtschaftliche und politische Umfeld mit Ukraine-Krieg, Zinserhöhungen, grassierender Inflation und einer drohenden Rezession den Handlungsspielraum der CS enorm, wie Verwaltungsratspräsident Lehmann unlängst auch im kleinen Kreis verschiedentlich einräumte.
Derzeit gibt es praktisch keinen Markt für die Firmenteile, von denen sich die Bank trennen will. Das sogenannte M&A-Geschäft ist momentan am Boden. Potenzielle Käufer können daher ruhig noch etwas zuwarten, um einen besseren Preis zu erhalten.
4. Entrückte Perspektiven
Vor diesem Hintergrund erhärtet sich die Annahme, dass die CS mit ihrer Restrukturierung und den geplanten Verkäufen erstens weitaus weniger Geld lösen wird als bisher erwartet, zweitens ein radikaler Umbau mehr Kosten verschlingen dürfte und drittens allfällige Ertragsverbesserungen – im schwierigen Umfeld – länger brauchen werden, um sich zu manifestieren, wie es das Beispiel der Deutschen Bank zeigt. Insofern steht die Redimensionierung der CS unter schlechten Vorzeichen.
5. Alarmierte Behörden
Unter diesen Prämissen (siehe obige Punkte) ist es kaum verwunderlich, dass die Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden, allen voran die schweizerische Finma, aber auch diejenigen der wichtigen Finanzmärkte USA und Grossbritannien, das Geschehen um die CS mit Argusaugen verfolgen und mit der Bank auch in Kontakt stehen.
Der Einfluss staatlicher Behörden schreckt allerdings potenzielle Investoren sowohl für eine allfällige Kapitalerhöhung, aber auch ganz generell ab. Denn am Ende des Tages muss sich jede Bank in einer solchen Situation dem Plazet der Aufsicht unterordnen. Oder anders formuliert: Der unternehmerische Freiraum ist begrenzt.
6. Rettung oder Untergang?
Die Schweizer Aufsichtsbehörden tun sich insofern schwer, da nach den Erfahrungen von 2008, als die UBS mit Steuergeldern gerettet werden musste, sehr viel unternommen wurde, um einen neuen Präzedenzfall dieser Art zu verhindern.
Insofern sollte die CS nicht mehr «too big to fail» sein – allerdings darf sie auch nicht «too big to be saved» sein, weil dies einer Verstaatlichung gleichkäme, wie der US-Ökonom Nouriel Roubini am Montag in einem Twitter-Post feststellte. Und das will niemand.
7. Verpasste Nachfolgeplanung
Insgesamt mehren sich auch die Bedenken, ob es die beiden wichtigsten Figuren bei der Rettung der CS, Präsident Lehmann und CEO Körner, wirklich schaffen, ihrer Mission gerecht zu werden. Beide sind sie klare Vertreter der Generation, die jenes Banking gelebt hat, das nun veraltet erscheint und das der CS so grosse Probleme bereitet hat.
Möglicherweise rächt sich nun auch, dass es die CS nicht geschafft hat, langjährige und verdiente, aber auch etwas jüngere Kaderleute aus den eigenen Reihen für diese Posten zu aufzubauen. Wo blieb da die um- und weitsichtige Nachfolgeplanung?
8. Endstation: Schweizer Bank
Jede weitere Unsicherheit in Bezug auf die CS spielt in die Hände verschiedener Erwartungsträger; erstens, die zum Verkauf stehenden Firmenteile werden noch günstiger, zweitens, der Preis der Aktie fällt weiter, was eine Übernahme – egal, ob vom Staat angeordnet oder im Markt selbst, verbilligt.
Und drittens konkretisiert sich die Wahrscheinlichkeit einer konsequent schweizerischen Credit Suisse, wie sie übrigens schon vor ein paar Jahren bereits angedacht worden war, und auf welche zahlreiche Aktionärinnen und Aktionäre nach wie vor warten.
Auf die Frage, ab wann man bei einem weiter fallenden Aktienkurs einsteigen sollte, antworten immer mehr Anlegerinnen und Anleger, «wenn die CS wieder ganz schweizerisch wäre, würde ich sofort einsteigen». Insofern liegen jetzt alle Karten auf dem Tisch.