Von der Credit Suisse bis zur Bank Cler – wo man hinschaut, sind die Roboter auf dem Vormarsch. Doch an der Kundenfront stossen sie rasch an Grenzen, wie Recherchen von finews.ch zeigen.
Mit der Ansage schaffte es Tidjane Thiam jüngst in den «Sonntagsblick». Bei der von ihm gelenkten Credit Suisse (CS), zitierte das Boulevardblatt den Bankchef, seien 185 Roboter im Einsatz. Und: «Unser Ziel ist es, bald deren 400 einzusetzen.»
Nicht nur bei den Grossbanken sind die Roboter auf dem Vormarsch. Vergangenen Februar lancierte die Bank Cler mit ihrer mobilen Bank gleich noch einen Chatbot. Der hört auf den Namen Carl. Dieser auf der Technologie des IT-Riesen IBM basierende Tippgeber lerne ständig dazu und werde so «zunehmend intelligenter», warb die Tochter der Basler Kantonalbank.
Immer mehr, immer schlauere Roboter: Klar, dass da Banker aus Fleisch und Blut die Angst packt. Doch gerade bei Carl & Co – also bei den Chatbots – zeigt sich, dass die gefürchtete digitale Konkurrenz nur in engem Rahmen operieren darf. Dies, weil die Banken sehr wohl um deren Grenzen wissen.
«Intelligenz nicht weit fortgeschritten»
André Brunner, Partner bei der Beratungsfirma Capco, kennt das Dilemma. Er hat bereits Chatbot-Projekte bei Banken begleitet und zieht ein nüchternes Fazit. «Generell haben die Lösungen das Problem, dass ihre Intelligenz nicht sehr weit fortgeschritten ist», urteilt Brunner.
Komplexe Frage-Antwort Szenarien führen die Systeme immer noch an ihre Grenzen, sagt er gegenüber finews.ch. «Selbstlernende Systeme bilden die höchste Stufe, sind aber weiterhin rar.»
Chatbots werden von Schweizer Banken bisher nur in einem klar abgesteckten Rahmen verwendet, so der Capco-Experte weiter. Das zeige sich am Beispiel der der CS Schweiz, wo der Bot im Facebook Messenger integriert ist.
Die zweitgrösste Bank hat den Dienst Ende 2017 gestartet. Wie der «Retail Banking Blog» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) berichtete, ist der Chatbot in der Lage, Geldautomaten und Geschäftsstellen zu finden und dem Nutzer den Weg dorthin weisen. Zudem kann er teils Fragen rund um Bankprodukte beantworten. Wie im Umfeld der Grossbank zu vernehmen war, wurde die Lancierung nicht mit einer grösseren Werbekampagne begleitet.
Wenn der Bot nicht weiter weiss: anrufen
Doch das könnte sich bald ändern. «In Zusammenhang mit der Neugestaltung der Webseite der Bank wird der Dienst weiterentwickelt und dann direkt über die Webseite angeboten», hiess es bei der CS Schweiz auf Anfrage.
Schon vor der CS nahm die Postbank Postfinance einen Chatbot in Betrieb, der gemischte Reaktionen auslöste. An sprechenden Robotern arbeiten zudem die Online-Bank Swissquote und das Retailinstitut Raiffeisen; bei der Lancierung von Carl sicherte sich die Bank Cler eine Rückfallposition. «Weiss der Chatbot nicht weiter, so wird es möglich sein, sich mit dem Beratungscenter verbinden zu lassen und telefonisch Rat zu holen», hiess es damals.
Brunner von Capco weiss: «Weil die Roboter noch nicht ausgereift sind, scheuen Schweizer Banken davor zurück, sie auf die Kunden loszulassen.» Priorität hätten in den nächsten Monaten interne Anwendungen, etwa bei der Unterstützung von Kundenberatern.
Amelia hilft
Hier tut wiederum die CS vorne mit. Bereits ist eine Chatbot-App für die Kundenberater zu Fragen im Crossborder-Geschäft in Betrieb. In den Bereichen Compliance und im Internationalen Wealth Management sieht die Bank ebenfalls mögliche Anwendungsfelder. Und dann ist da Amelia (siehe Video unten), die firmeninterne virtuelle Assistentin, die nach Angaben der Bank «Tausenden von Mitarbeitenden bei alltäglichen technologischen Problemen hilft.»
Bei der Erzrivalin UBS Schweiz wiederum liegt der Fokus offenbar ebenfalls auf internen Anwendungen. Dies, nachdem die Bank in Amerika schon früh den Chatbot «Rose» getestet hat. In verschiedenen Bereichen wie IT, HR und Kundendienst wird die Technologie aber angeschaut und geprüft, wo Chatbots zum Einsatz kommen könnten, berichten Kenner der Bank.
Keine «Rocket Science» mehr
Denn die Sprachroboter auf den Schrottplatz zu schicken, das möchte niemand. «Grundsätzlich bieten Chatbots grosses Potenzial, da der Zugang über die Sprache zu Know-how sehr viel natürlicher und schneller erfolgt als via Anschrift», erklärt Brunner. Und: Schlanke Lösungen seien heute keine «Rocket Science» mehr. «Die Kosten belaufen sich auf 500'000 für einfache Szenarien bis 5 Millionen Franken für komplexe Systeme.»