Diese Woche jährt sich die Rettung der UBS zum fünften Mal. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann beurteilt die Rolle des damaligen Verwaltungsratspräsidenten Marcel Ospel nochmals.
Nur dank einer Kapitalspritze von sechs Milliarden Franken und der Übernahme «toxischer» Wertschriften im Wert von bis zu 60 Milliarden Dollar durch Bund und Nationalbank konnte die grösste Schweizer Bank im Oktober 2008 vor dem Bankrott gerettet werden.
Trotz dieser Erfahrungen kommt der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann (Bild) in einem Interview mit dem «Sonntagsblick» (Artikel online nicht verfügbar) zum Schluss: «Sie hat viel gelernt. Aber sie scheint die Risiken noch immer nicht ganz im Griff zu haben. Das gehört zur Geschichte der UBS: Die Führung weiss häufig nicht, was die Mitarbeiter genau machen.»
«Das war Grössenwahn»
Straumann räumt weiter ein, dass die UBS tatsächlich kriminell gehandelt habe, sonst hätte sie nicht die Bussen kassiert. Aber eine kriminelle Organisation sei sie deswegen nicht.
Das Problem der grössten Schweizer Bank ortet der Wirtschaftshistoriker vielmehr in der damaligen Strategie: «Die UBS-Führung hat sich vor der Finanzkrise mit ihrer Wachstumsstrategie komplett übernommen. Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel wollte die UBS auf Teufel komm raus zur führenden Investmentbank der Welt machen. Er wollte mit Goldman Sachs mithalten. Das war Grössenwahn.»
Auch Politiker haben Probleme nicht erkannt
Doch die Situation war damals auch sehr widersprüchlich. Denn neben der Tatsache, dass die UBS von einer unreflektierten Wachstumsstrategie getrieben war, galt sie gleichzeitig auch als das Vorbild in Sachen Risikomanagement, wie Straumann weiter festhält. Deswegen hätten die meisten bürgerlichen Politiker, aber auch die Regulierungsbehörden, die Probleme auch nicht gesehen.
«Die lange Erfolgsphase und das hohe Ansehen der UBS waren Teil des Problems. Die Bank hatte zwar wahnwitzig viel Geld in den Subprime-Bereich investiert, aber nur in Papiere, die damals als sicher galten. Das hatte zur Folge, dass sie die Probleme erst erkannte, als es bereits zu spät war», erklärt Straumann.
Sehr dezentral geführt
Auf die Rolle des damaligen UBS-Präsidenten Ospel angesprochen, sagt Straumann: «Dass er die Wachstumsstrategie forcierte, ist gut belegt. Er gab verschiedentlich den Tarif durch und stellte neue Forderungen, wenn er unzufrieden war mit den Ergebnissen.»
Gleichzeitig sei die UBS unter ihm und dem damaligen Konzernchef Peter Wuffli sehr dezentral geführt worden. Getreu dem McKinsey-Prinzip habe man die Verantwortung nach unten delegiert und die Manager machen lassen.
«Der Wurm sitzt tiefer»
«Die Führung verlangte zwar ständig Reports und baute die Kontrollsysteme aus, aber sie schaute zu wenig genau hin», resümiert Straumann. Dennoch sieht der Historiker in Ospel nicht einen Bösewicht per se. «Er war eher überfordert als kriminell. Moralisch verurteilen kann man, dass er mit seinen Wachstumsplänen eine so grosse Wette eingegangen ist. Auch die kulturelle Verwilderung der UBS kann man ihm teilweise anlasten. Anderseits muss man aber auch sehen, dass die UBS keine Ausnahme war. Viele Grossbanken strauchelten in der Finanzkrise. Der Wurm sitzt tiefer.»
Befragt nach der Qualität der heutigen UBS-Führung, sagt Tobias Straumann: «Verwaltungsratspräsident Axel Weber und CEO Sergio Ermotti haben die Problematik voll erkannt. Die Risiken im Investmentbanking wurden bereits zurückgefahren. Für eine Bilanz ist es aber noch zu früh.»