Die Schweizer Banken stufen laut einer Studie den hiesigen Wirtschaftsstandort als stabil und attraktiv ein. Doch mehr als zwei Drittel erwarten, dass sich die Margen langfristig weiter reduzieren.

Robust, beständig und trotzdem anpassungsfähig: So präsentieren sich die Schweizer Retailbanken. Mit mehr als  1’000 Milliarden Franken an Hypothekarkrediten, gut 22 Millionen ausgestellten Debit- und Kreditkarten sowie monatlich mehr als 160 Millionen Kartenzahlungen und über 12 Millionen Bargeldbezügen sind sie ein wichtiger Player auf dem Schweizer Finanzplatz.

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY hat zusammen mit der Universität St. Gallen ihnen den Puls gefühlt. Das Fazit der Studie: Kurzfristig gibt es keinen Handlungsbedarf, aber der mittelfristige Ausblick ist insbesondere durch den Margendruck, den technologischen Wandel sowie den regulatorischen Druck getrübt.

Die Hauptsorge: Die erodierenden Margen

Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird von den befragten Instituten auch im Kontext der geopolitischen Spannungen weiterhin als stabil und auch in Zukunft als attraktiv eingestuft. Dennoch: Die These einer graduellen Margenerosion, getrieben durch das Zinsumfeld, steigende Kundenerwartungen sowie durch einen verschärften Wettbewerb, auch aufgrund neuer Technologien und Plattformen, wird von mehr als zwei Dritteln (69 Prozent) der befragten Retailbanken bestätigt.

«Die Erträge im Zinsgeschäft, dem Kerngeschäft der Retailbanken, durch Volumenausweitung stabil zu halten, könnte sich als Auslaufmodell erweisen. Auch im strategisch wichtigen Anlagegeschäft könnten die Margen weiter sinken und nicht mit zusätzlichem Volumen kompensiert werden», sagt Markus Schmid, Professor am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen und Mitverfasser der Studie.

KI könnte den Wettbewerb zusätzlich verschärfen

Weniger Sorgen bereiten den Schweizer Retailbanken neue Technologien. Mit denen müssen sich sämtliche Player beschäftigen, echte Innovationen mit materiellen Implikationen auf die Wertschöpfung sind hingegen gemäss der Studie selten. Ändern könnte sich dies durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) oder das Quantum Computing.

Fintech- und Big-Tech-Unternehmen werden als Katalysatoren für Innovationen sowie als Inbegriff von «Convenience» gesehen, aber nicht als direkte Konkurrenten – solange sie nicht die Kontrolle über die Kundenschnittstelle übernehmen. Bei Tech-Multis wird davon ausgegangen, dass der Schweizer Markt aufgrund der geringen Grösse (noch) zu wenig interessant ist für einen Eintritt. Zudem dürften auch die regulatorischen Bestimmungen einen Markteintritt nicht begünstigen.

Wettbewerber spüren gesellschaftlichen Druck

Vertrauen ist das höchste Gut der Banken. 88 Prozent der befragten Finanzinstitute geben denn auch an, dass der gesellschaftliche und regulatorische Druck hoch bleibt. Die Gesellschaft erwartet regionales Wirken, und die gesellschaftliche Verantwortung ist für die Banken ein wichtiges Thema, bleibt aber eher diffus in der Umsetzung, zum Beispiel im Bereich der Nachhaltigkeit. Reizthemen bleiben Managerlöhne und die gerechte Verzinsung. Zudem wird die demografische Entwicklung die Banken noch länger beschäftigen. 

Regulierung wird ambivalent beurteilt: Die Banken sehen in der Gesetzgebung durchaus ein Qualitätssiegel, das gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Erwartungen mit operativen Anforderungen verbindet und damit im Interesse des Finanzplatzes und der einzelnen Institute liegt. Kritisch gesehen werden aber nicht-proportionale Regulierung und Kostenimplikationen, insbesondere als Folge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS.

Banken fühlen sich in Rolle des «Nachhaltigkeitspolizisten» gedrängt 

Es herrscht Einigkeit darüber, dass Nachhaltigkeitsinitiativen zwar zu einem Standard geworden sind und dass Nachhaltigkeit nur ein Differenzierungsmerkmal ist, wenn sie regional evident gemacht werden kann. Ein andauerndes, starkes Kundenbedürfnis sowie ein damit einhergehender wirtschaftlicher Mehrwert fehlen aber weitestgehend, sagen 57 Prozent der befragten Banken.

Banken fühlen sich bisweilen zunehmend in die Rolle eines «Nachhaltigkeitspolizisten» gedrängt und stören sich daran, dass sie mit dem Geld der Kunden Klimapolitik betreiben sollten.

Erfolg dank Tradition

Zwei Drittel (63 Prozent) der befragten Banken sehen die traditionellen Geschäftsmodelle als Erfolgsgaranten. Allerdings ist jedes vierte Institut gegenteiliger Meinung. «Der Fokus auf traditionelle Aufgaben entbindet die Branche nicht davon, sich stetig anzupassen», sagt  Roman Sandmeier, Partner bei EY Schweiz, Studienleiter und Mitverfasser. Agilität wird etwa gefordert mit Blick auf makroökonomische Entwicklungen, Ertragsdiversifikation, Positionierung im Finanzökosystem, Kostenmanagement und Kundenausrichtung. 

Eine Mehrheit von 81 Prozent der befragten Institute befürwortet denn auch neue Beratungsansätze. Retailbanken sollten proaktiver auf Kunden zugehen, Lebensereignisse aktiver nutzen und mit Hilfe von Daten auch rechtzeitig erkennen. Man sollte Kunden über den gesamten Lebenszyklus begleiten. Ziel der Banken muss es sein, zur vertrauten Hausbank des Kunden zu werden.  «Verglichen mit anderen Branchen besteht Raum für Verbesserung, u.a. bei der Nutzung und Analyse von Kundendaten – ein Schatz, den es erst noch zu heben gilt. Dass alle Banken seit Jahren die Kundenberatung ausbauen und kundenzentrierter gestalten wollen, ist weithin bekannt. Die Frage lautet daher eher, wieso dieses Ziel bislang nicht erreicht wurde», sagt Roman Sandmeier.