Nachdem sich der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis kürzlich besorgt über verschiedene Entwicklungen in China und Hongkong geäussert hatte, liess die Replik aus Peking nicht lange auf sich warten. Für die Schweizer Banken wird die Situation ungemütlich.

Anfänglich war vor allem der anglo-chinesische Finanzkonzern HSBC ins Kreuzfeuer zwischen China und der freien (westlichen) Welt geraten, da er zwar in London seinen Hauptsitz hat, aber rund die Hälfte der Erträge in Asien, namentlich im Reich der Mitte erzielt.

Vor diesem Hintergrund sah sich die Bank unlängst genötigt, das umstrittene Sicherheitsgesetz in Hongkong gutzuheissen und ihre Kunden in Bezug auf ihre politische Gesinnung genauer zu kontrollieren, wie auch finews.ch berichtete.

Besorgter Bundesrat

Das wiederum löste einen Aufschrei an Kritik in Europa und in Hongkong aus. Nun aber drohen auch die Schweizer Banken in ein solches Problemfeld zu geraten. Denn am vergangenen Wochenende äusserte sich Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis in den Medien besorgt über die Entwicklung in China und in Hongkong, was nach freiheitlichem Dafürhalten absolut nachvollziehbar ist.

«Wir beobachten, wie China vom Weg der Offenheit abkommt», erklärte Cassis im Zusammenhang mit der Situation in Hongkong. «Das bedeutet, dass die Schweiz ihre Interessen und Werte entschiedener verteidigen muss, zum Beispiel über die Stärkung des Völkerrechts und des multilateralen Systems», so der Bundesrat weiter.

Scharf beobachtet

Unabhängig von Cassis' Aussagen war zudem zu vernehmen, dass das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Behörden in Hongkong bestärkt habe, die verschobenen Wahlen zum Legislativrat abzuhalten, sobald es «die Situation im Bereich der öffentlichen Gesundheit» erlaube.

Ausserdem würden die Schweizer Behörden die allfälligen Auswirkungen des eingeführten Sicherheitsgesetzes auf Schweizer Unternehmen und Schweizer Bürger in Hongkong genau beobachten.

Weder fundiert noch konstruktiv

Die Reaktion aus Peking auf diese verschiedenen Äusserungen liess nicht lange auf sich warten und könnte den Handlungsspielraum der Schweizer Banken in China mit einem Schlag in Gefahr bringen. So bezeichnete Wang Wenbin, der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, die Aussagen Cassis' bezüglich Menschenrechte, Sicherheitsgesetz und Offenheit als «unfundiert und nicht konstruktiv».  

«2020 markiert den 70. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen China und der Schweiz. Und in diesen vergangenen sieben Jahrzehnten haben die bilateralen Beziehungen durch gemeinsame Anstrengungen einen langen Weg zurückgelegt und einen gegenseitigen Nutzen erzielt», erklärte Wang.

Und: «das Wesentliche, was wir daraus gelernt haben ist, dass gegenseitiger Respekt gewahrt werden muss. Wir hoffen, dass die Schweizer Seite den guten Schwung in den bilateralen Beziehungen schätzt und sich an die grundlegenden Normen der internationalen Beziehungen hält.»

Unmissverständliche Drohnung

Seine Feststellungen schloss der Sprecher des Aussenministeriums mit dem Hinweis darauf, dass der schweizerische Finanzsektor von der Entwicklung im Reich der Mitte enorm profitiert habe. «China ist weiterhin der Öffnung verpflichtet», betonte Wang. «Banken wie die Credit Suisse gehörten zu den ersten, die von Chinas Liberalisierung der Finanzmärkte profitiert haben.»

Diese sehr diplomatische Aussage ist unschwer als Drohung zu deuten, wonach die Schweizer Banken in China ihre durchaus privilegierte Position verlieren könnten, sollte sich die Schweiz vermehrt kritisch zu Entwicklungen im Reich der Mitte äussern. 

Dessen ist man sich auch bei der namentlich erwähnten Credit Suisse (CS) bewusst. Die zweitgrösste Schweizer Bank gehört zur Handvoll globaler Finanzhäuser, die im Zuge der historischen Liberalisierung des chinesischen Finanzsektors zugelassen wurden. Anlässlich der Semesterzahlen der Grossbank bestätige CS-Chef Thomas Gottstein gegenüber Journalisten, dass neue und bestehende Honkonger Kunden von der Compliance der Bank genauer unter die Lupe genommen werden.

Möglichst ausgewogen bleiben

Obwohl sich die CS für eine weitere Expansion auf dem chinesischen Festland einsetzt, stellte deren Asien-Chef, Helman Sitohang, kürzlich fest, dass die Bank auch regional diversifiziere, um nicht nur auf einen bestimmten Markt ausgerichtet zu sein.

«Wir haben durchaus bewiesen, dass wir sehr engagiert sein können, gleichzeitig aber auch sehr ausgewogen bleiben können», erklärte Sitohang kürzlich an einer Telefonkonferenze und verwies dabei auf die Fokusmärkte ausserhalb Chinas – nämlich Singapur, Thailand und Indien.