Herbert Scheidt 5102

Ich habe das nie so empfunden. Aber ich weiss, dass das für manche Bankenvertreter ein Thema war. Ich habe mich vielmehr gefragt, ob ich in der Lage sein würde, diese grosse Verantwortung zu tragen, den Finanzplatz zu stärken und die Branche aus dem Reputationstief herauszuführen.

Das war Ihre Motivation?

Ja, dem Finanzplatz wieder eine starke Stimme zu geben und ihn in die Zukunft zu führen. Wege zu finden, die aus dem Reputationsverlust seit der Finanzkrise von 2008 führen.

Welche Bilanz ziehen Sie nach zwei Jahren als Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung?

Ich habe nie gedacht, dass der Job einfach sein würde. Aber es ist ein bisschen, wie wenn man im Tor steht, und dann doch erstaunt ist, wie viele Bälle auf einen zufliegen. Es ist ein herausforderndes Amt, das mich zwingt, vielfältigste Interessen unter ein Dach zu bringen und ebendiese Interessen nach aussen zu tragen und adäquat zu vertreten.

Dazu gehören die Themen der Regulierung, wo viele Behördenvertreter involviert sind, und man die Sache richtig positionieren muss, um auf Augenhöhe mit den entsprechenden Amtsstellen zu sprechen.

«Der Brexit nützt dem Schweizer Finanzplatz sicherlich nicht»

Tatsache ist auch, dass die Behörden und die Schweizerische Nationalbank unserer Branche nach 2008 etwas distanziert begegnet sind. Das hatte in jenen Jahren vielleicht seine Gründe. Aber jetzt müssen wir zurückfinden zum Dialog, und dafür braucht es eine schlagkräftige Truppe in der Bankiervereinigung. Wir sind heute wie ein Wissenszentrum organisiert und nicht mehr wie eine klassische Lobbyorganisation. Denn letztlich können wir einzig durch Kompetenz bestechen – indem wir einen Mehrwert liefern für die stetige Erneuerung unserer Branche.

Mit anderen Worten, Sie haben als Präsident der Bankiervereinigung eine Art Kulturwandel eingeläutet.

Es ist ein stetiger Prozess. Wichtig ist, stärker als bislang zu vermitteln, was die Bankiervereinigung tatsächlich will.

Und das ist?

Wir müssen wieder besser werden, in dem, was wir können. Wir wollen ein richtiges Schiff bauen, dass uns weiter bringt und nicht einfach Holz zusammentragen für ein Floss. Denn wir wollen und müssen für den Finanzplatz die Rahmenbedingungen von morgen schaffen.

Nützt der Brexit oder schadet er dem Schweizer Finanzplatz?

Er nützt ihm sicherlich nicht. Das Alleinstellungsmerkmal als Drittland hat der Schweiz in der Vergangenheit geholfen. Doch das ist jetzt nach dem Brexit weg.

Warum?

Nun gibt es ein weiteres, sehr grosses Drittland. Fälschlicherweise werden wir in denselben Topf geworfen, und was man dem einen nicht gibt, kriegt auch der andere nicht. Kurzum: Der Brexit schadet uns, weil wir über einen Kamm geschoren werden, obwohl uns eine ganz andere Historie mit der EU verbindet als Grossbritannien.

Angesicht der mittlerweile angespannten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ist das wahrlich keine optimale Situation.

Europa ist der wichtigste Markt für uns. Und das gilt für die meisten Schweizer Branchen. Wir sind eine relativ kleine Volkswirtschaft mitten in Europa und dürfen die Türen nach Brüssel auf keinen Fall zuschlagen. Das Rahmenabkommen ist mittlerweile ein Prestigeabkommen geworden, und wenn wir das nicht hinkriegen, wird sich die Haltung der EU gegenüber der Schweiz weiter verhärten.

«Wir müssen die Türen zu Europa offen halten»

Deshalb müssen wir im Interesse unseres Landes alles sinnvolle unternehmen, um wirklich mit Elan den Marktzugang zur EU zu sichern. In diesem Kontext ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Gewerkschaften ausgeschert sind und den Regierungswunsch, den Bundesrat Johann Schneider-Ammann im Auftrag der Regierung ja umsetzen muss, mit Gesprächsverweigerung quittieren.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen uns fragen, wie wir das Niveau des Schutzes unserer Interessen, wie beim Lohnthema etwa, so gestalten können, dass wir mit der EU eine Lösung finden. Wir müssen im Interesse unseres Landes alles daran setzen, dass wir die Türen zu Europa offen halten. Für uns als Branche ist die Anerkennung der Börsenäquivalenz besonders wichtig.

  • Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews morgen Dienstag.

Herbert J. Scheidt präsidiert seit einem Jahr die Schweizerische Bankiervereinigung, also den Dachverband der Schweizer Banken. Daneben ist er seit 2011 Verwaltungsratspräsident der Zürcher Vontobel-Gruppe. Von 2002 bis 2011 war er deren CEO. Zuvor bekleidete er von 1982 bis 2002 verschiedene Funktionen bei der Deutschen Bank in Deutschland, New York, Mailand und Genf und war ab 1996 sechs Jahre lang Leiter Private Banking International bei der Deutschen Bank in der Rhonestadt. Er verfügt über einen Abschluss in Volkswirtschaft an der University of Sussex in England sowie einen MBA der University of New York, USA.

Weiter ist Scheidt Mitglied des Verwaltungsrats der SIX Group und Vizepräsident des Verwaltungsrats der Firma Hero. Hinzu kommen Mitgliedschaften und Mandate, wie die Mitgliedschaft im Präsidium der Handelskammer Deutschland-Schweiz und Mitgliedschaften im Vorstand der Zürcher Handelskammer und im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).