Schafft es Südafrika mit der Fussball-WM, dass der Kontinent von seinem Image als «Armenhaus der Welt» abrückt, fragt Fidelity-Fundmanager Nick Price.
Die Schwellenmärkte mit ihrer immer grösser werdenden jungen und dynamischen Bevölkerung hätten sich erfolgreich gegen die Rezession gestemmt und preschten jetzt mit rapiden Wachstumsplänen nach vorn, schreibt Nick Price (Bild).
Nirgendwo offenbare sich der Unterschied zu den Industriestaaten deutlicher als in den Zentralbankentscheidungen: Während die chinesische Notenbank die geldpolitischen Zügel anziehe, erkläre die FED, der Schlüsselzins werde noch für längere Zeit niedrig bleiben, so der Fundmanager für die Marktregion EMEA von Fidelity weiter.
Die WM wird Südafrika Impulse geben...
Nick Price: Wie die Olympischen Spiele in Peking im vergangenen Sommer die Stärke Chinas demonstriert haben, so wird jetzt - das hoffen zumindest die WM-Organisatoren - auch Südafrika ins Scheinwerferlicht gerückt werden. Doch die Geister scheiden sich, was die Rolle als Gastgeberland wirklich wert ist. Mehrheitlich scheint man von einem BIP-Anstieg von etwa 0,5 Prozent auszugehen, der sich in erster Linie aus der Kaufkraft der mindestens 350'000 erwarteten ausländischen Touristen speisen dürfte, die das Land mit prall gefüllten Brieftaschen überfluten werden.(1)
Aus der Vergangenheit weiss man, dass Veranstaltungen wie die Olympischen Spiele und frühere Weltmeisterschaften zudem auch den Binnenkonsum angekurbelt haben.
Die positive Publicity rund um die WM dürfte dem Land eine Menge Ansehen einbringen. Und weil es die erste Weltmeisterschaft in Afrika ist, könnte dies auf den restlichen Kontinent abfärben. Schon möglich, dass Afrika damit ein wenig von seinem traditionellen Image als «Armenhaus der Welt» abrückt.
Als Anlagemöglichkeit boten sich zunächst die Infrastrukturprojekte in Vorbereitung auf die Fussballweltmeisterschaft an. Dabei ging es hauptsächlich um den Neubau und die Modernisierung von Stadien sowie um den Ausbau von Strassen, Schienen, Flughäfen und Kommunikationsnetzen. Weil das Gros der Projekte inzwischen jedoch abgeschlossen ist, scheidet diese Option für die meisten Anleger zum jetzigen Zeitpunkt aus.
Zu den Gewinnern dürften in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unternehmen der Freizeit- und Tourismusbranche gehören und möglicherweise auch die Getränkehersteller. Ich glaube jedoch, dass die Gewinnchancen bereits zum grossen Teil in den Kursen eingepreist sind. Man muss also schon genau hinschauen, wenn man die aussichtsreichsten Anlagechancen aufspüren will.
...aber es gibt weitere Wachstumstreiber
Meiner Meinung nach hat Südafrika aber viel mehr zu bieten als die Fussball-Weltmeisterschaft. Die wahren Investmentchancen liegen in den langfristigen Wachstumstrends in Südafrika und auf dem afrikanischen Kontinent. Das Land nimmt eine Sonderstellung ein und hat sowohl auf lokaler wie auch auf globaler Ebene einen ausserordentlich hohen Einfluss. Die südafrikanischen Wirtschafts- und Finanzmärkte sind die am besten entwickelten Märkte in ganz Afrika. Kein Wunder also, dass das Land häufig als Tor zum afrikanischen Kontinent betrachtet wird.
Innerhalb der Schwellenmärkte gehört Afrika zu den am wenigsten recherchierten Regionen. Anleger mit Pioniergeist können hier noch wahre Schätze entdecken. Der Kontinent ist bekannt für seinen Rohstoffreichtum. Öl und Edelmetalle sind in Fülle vorhanden. Auch die für Schwellenmarktanlagen gängigen Argumente wie dauerhaft hohes BIP-Wachstum, niedrige Lohnkosten und schneller Produktivitätszuwachs treffen hier zu. Dazu kommen Trends wie beispielsweise der rasch zunehmende Konsum.
Neue Handelsverbindungen entstehen...
Der Kontinent gehört zu den wenigen Regionen auf der Welt, die relativ unbeschadet aus der Finanzkrise hervorgegangen sind. Afrikas Abhängigkeit vom Westen nimmt ab. Stattdessen wachsen Verbindungen zu den neuen Wirtschaftsmächten der Welt wie beispielsweise zu den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Das zeigt sich unter anderem daran, dass China Deutschland als Haupthandelspartner von Südafrika inzwischen abgelöst hat.
Der Platinhandel liefert ein Beispiel dafür, wie die neuen Beziehungen das Land vor den schlimmsten Folgen der Finanzkrise bewahrt haben. Südafrika ist der grösste Platinproduzent der Welt. Das Edelmetall wird hauptsächlich zur Herstellung von Abgaskatalysatoren verwendet. Der Einbruch des Automobilabsatzes im vergangenen Jahr hätte den Platinbergbau deutlich härter getroffen, wenn nicht China mit seinem wachsenden Markt für Platinschmuck als Abnehmer eingesprungen wäre. Die Nachfrage dürfte sich jedoch schon bald wieder auf den Automarkt zurückverlagern, vor allem in den Schwellenländern, so dass der Ausblick für die südafrikanische Platinindustrie weiter freundlich bleibt.
...und eröffnen Unternehmen neue Perspektiven
Einige Unternehmen profitieren in besonderem Mass von der enger werdenden Verbindung zwischen Afrika und den BRIC-Staaten. So zum Beispiel der südafrikanische Medienkonzern Naspers mit Hauptsitz in Kapstadt, der in den Bereichen Pay-TV, Internet und Printmedien aktiv ist. Mit einem Anteil von 60 Prozent am Gesamtgewinn generiert das Unternehmen seinen grössten Cashflow im afrikanischen Pay-TV-Markt, wo es nahezu konkurrenzlos ist und pro Jahr einen Zuwachs von 8 Prozent erzielt.
Durch die Beteiligung an Medienfirmen in China, Brasilien und Russland hat das Unternehmen seinen jährlichen Gesamtzuwachs jedoch auf 30 Prozent erhöht. Zudem ist Naspers grösster Aktionär des chinesischen Internetkonzerns Tencent und hält 36 Prozent am führenden Chat-Service im Reich der Mitte. Mit Blick auf die steigende Penetrationsrate der Nummer 1 am chinesischen Internetmarkt, der immerhin 330 Millionen Internetnutzer umfasst, ist Naspers ein verheissungsvoller Kandidat.(2)
Afrika ist faktisch noch ein wettbewerbsleerer Raum. Für die Unternehmen, welche die wachsende Konsumgesellschaft des Kontinents bedienen, ist das ein echter Glücksfall. Das gilt zum Beispiel für Shoprite, eine Supermarktkette, die im Niedrigkostenbereich tätig ist. Der Lebensmitteldiscounter mit Hauptsitz in Südafrika betreibt inzwischen Shops in 17 afrikanischen Ländern.
Mit monatlich etwa 60 Millionen Kunden hat Shoprite eine enorm hohe Marktabdeckung. Genau wie Naspers braucht das Unternehmen praktisch keine Konkurrenz zu fürchten. Der Branchenführer ruht sich jedoch nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern expandiert munter weiter und legt jährlich um 30 Prozent zu.(3) Im Vergleich zu den wenigen direkten Konkurrenten punktet Shoprite mit besseren Wachstumsaussichten und stärkeren Bilanzen.
Fazit
Abenteuerlustige, wachstumsorientierte Investoren werden in den kommenden Jahren zweifellos eine Fülle von Anlagechancen in den Schwellenländern entdecken. Angesichts der enormen internationalen Aufmerksamkeit, die Südafrika in diesem Weltmeisterschaftsjahr zuteil werden wird, erscheint die Region gegenüber anderen Schwellenländern noch immer attraktiv bewertet. Im wachsenden afrikanischen Markt ist Südafrika in einer einzigartigen Position und bietet Anlegern einen echten Wettbewerbsvorteil.
1) Quelle: Morgan Stanley, Januar 2010
2) Alle Angaben stammen aus dem Naspers Geschäftsbericht 2009
3) Quelle: Shoprite Geschäftsbericht 2009