Der CEO von Oettinger Davidoff, Beat Hauenstein, spricht mit finews.ch über zwei hervorragende Geschäftsjahre, die ausgebaute Präsenz in New York und die Symbiose mit dem Zürcher Bankenplatz. Er sagt auch, auf welche Neuheiten sich Zigarren-Geniesserinnen und -Geniesser freuen dürfen.

Als Beat Hauenstein im September 2017 die Geschäftsführung bei Oettinger Davidoff übernahm, galt das Unternehmen als Sanierungsfall. Für 2023 hat es jetzt ein Rekordergebnis präsentiert: Mit 48,8 Millionen Stück produziert das Schweizer Unternehmen in der Dominikanischen Republik und Nicaragua ähnlich viele Zigarren wie die gesamte kubanische Industrie. Der Umsatz betrug 546 Millionen Franken – ein Plus von 10,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Herr Hauenstein, wie laufen die Geschäfte bei Oettinger Davidoff?

In Sachen Umsatz war 2023, wie bereits 2022, ein Rekordjahr, also das zweite in Serie in unserer Geschichte seit 1875, seit bald 150 Jahren. Wir sind stolz, dass wir mit unseren Eigenmarken massiv, nämlich um 18,2 Prozent, wachsen konnten. Unsere Produktionskapazitäten befinden sich im Ausbau. Mit unserer «Crop-to-Shop»-Philosophie machen wir offenbar einiges richtig. Aber wir können immer weiter dazulernen.

Wie hat 2024 angefangen?

Wir betrachten auf höchstem Niveau gewisse Abkühlungstendenzen, zum Teil bezüglich Volumen, aber auch Downtrading zu günstigeren Produkten.

Mit Ihrer Premium-Marke «Davidoff» verzeichneten Sie 2023 im Vergleich zu 2019, also vor Covid, ein Plus in Stückzahlen von 50 Prozent. Woher kommt das?

Wir haben seit 2017 alles getan, um die Grundlagen für einen solchen Erfolg zu legen. Auch in Sachen Marketing. Aus meiner Sicht ist es veraltet, einzelne Zielgruppen auszusuchen und dann zu bearbeiten. Man muss das beste Angebot haben. Dann wählen einen die Kunden aus und das gibt ein Momentum.

Was haben Sie sonst noch getan?

Das Consumer Engagement haben wir in unseren 130 Märkten synchronisiert und vereinheitlicht, sprechen global mit einer Stimme. Gleichzeitig habe ich dafür gesorgt, dass wir unsere Selbstverliebtheit oder Überzeugung regelmässig challengen.

Das machen wir über «Digital Social Listening». Wir hören also zu, was im Netz wirklich über uns gesagt wird. Und dann versuchen wir, diese Wünsche in unsere Produkte zu interpretieren. Es ist wichtig, dass man auch im Erfolg hungrig bleibt und nicht zu selbstgefällig wird.

Sie kündigen eine massive Vergrösserung Ihrer Boutique in der Madison Avenue in New York an: Verdoppelung der Verkaufsfläche und Ausbau der Lounge. Die Stadt gilt nicht gerade als Mekka für Zigarrenraucher.

In New York ziehen sich immer mehr Anbieter zurück, zum Beispiel der «Grand Havana Room», wo gegessen und geraucht werden konnte. Der neue Besitzer des Hauses will nichts mehr mit Rauchen zu tun haben. Unsere heutige Lounge ist aber mehr als ausgelastet. Wenn wir in diesem Umfeld prohibitiver Tendenzen ein legales und ansprechendes Angebot haben, und das richtig machen, dann wollen und werden wir Erfolg haben.

Sie erwähnen für 2024 eine gewisse Abkühlung. Was sind die Ursachen?

Im Spitzensegment sind wir mit unserer Kernmarke «Davidoff» sehr gut gestartet. Die Abkühlung findet im mittleren Preissegment, bei den Nicht-«Davidoff»-Eigenmarken «Camacho» und «AVO», statt. Und zwar insbesondere in den USA, wo ein ruinöser Preiskampf über Rabatte stattfindet.

Und zwar massiv. Es gibt Werbung von Mitbewerbern: «Wir haben Überkapazitäten von 7 Millionen Stück, alles muss raus bis Ende Woche.» Die Händler sind bis unters Dach gefüllt mit Ware, müssen zuerst verkaufen, bevor sie wieder bestellen können. Zudem verspüren wir in den USA, aber auch in Europa, aufgrund der Inflation einen hohen Margendruck.

Und das tut Ihnen als Premium-Hersteller weh?

Die amerikanische Nachfrage spielt zu 80 Prozent unter 10 Dollar pro Stück. Die Philosophie lautet: möglichst viel Genuss für wenig Geld. Dort fehlt aufgrund des US-Embargos das hochpreisige Angebot der Kubaner, das den Preispunkt nach oben schiebt.

Gibt es noch weitere Märkte, die Ihnen Sorgen bereiten?

Das Travel-Duty-Free schwankt noch etwas, die Passagiermeilen sind noch nicht ganz auf dem Niveau von 2019. In Asien ist das Geschäft speziell abhängig von chinesischen Reisenden und die sind noch nicht in vollem Umfang zurückgekehrt.

Das erstaunt mich wenig: Der chinesische Staat hat vor drei Wochen die klare Devise herausgegeben, dass das Geld vermehrt in China ausgegeben werden soll und nicht im Ausland. Das spüren wir.

Sämtliche Luxusgüter leiden unter dieser Tendenz: Uhren, teure Weine, exklusive Mode… Die Ursache dafür sehen Sie klar in der chinesischen Politik?

Es ist ein Ergebnis einer politischen Strategie, die die Fähigkeiten des eigenen Landes in allen Aspekten maximieren will.

Haben Sie schon einmal eine gute Premium Zigarre aus chinesischem Tabak geraucht?

Ja. Sie bauen recht gute Tabake an, speziell auf der Vietnam vorgelagerten Insel Hainan. Da haben sie gute klimatische Voraussetzungen.

Unter dem Strich: Werden Sie 2024 ein weiteres Rekordjahr verbuchen oder ist das ein Uphill Battle?

Wir werden sicher kämpfen müssen. Zwei aufeinanderfolgende Rekordjahre beim Ertrag innerhalb von 150 Jahren, ohne One-Offs, also rein operativ und organisch: Das wird immer schwieriger zu toppen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Flughöhe ungefähr halten können.

Auf welche Produktinnovationen können sich die «Davidoff»-Liebhaberinnen und -liebhaber bis Ende Jahr noch freuen?

Soeben ist die neue «Davidoff Maduro» auf den Markt gekommen – eine gereifte Zigarre mit 16-monatigem Fermentationsprozess. Das ergibt ein ganz besonderes Geschmackserlebnis.

Anfangs Juli folgt die Lancierung der vierten «Limited Edition» im Rahmen der «Difference-Kampagne» unter dem Label «Cigar History Rolled»: Ikonische Zigarren, die nicht Volumen bolzen, aber von den Kennern sehr geschätzt werden und die wir in verschiedenen Rhythmen immer wieder aufnehmen.

In der «Grand Cru Linie folgt die «Grand Cru Diademas Finas Limited Edition», deren Einlage in Grand-Cru Classé-Rotweinfässern gereift wurde. Das wird eine speziell tolle Zigarre.

Gibt es da einen historischen Reim auf die früheren Château-Linien von «Davidoff» aus Kuba, also vor dem Umzug in die Dominikanische Republik anfangs 1990er-Jahre?

Nein, davon haben wir uns schon lange gelöst.

Welche Neuheit gefällt Ihnen persönlich am besten?

Also die «Maduro» gefällt mir sehr gut, und wirklich fantastisch finde ich die «Grand Cru Diademas Finas».

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Hauensteins «coup de cœur»: Neue Davidoff «Grand Cru Diademas Finas». (Bild zVg)

Was erwartet uns bei den anderen Eigenmarken Zino, AVO und Camacho?

Im Rahmen der «AVO Expressions» gibt es eine neue «Limited Edition». Bei Zino haben wir kürzlich die «Short Purito» lanciert. Natürlich folgen bei den meisten Marken noch weitere Neuheiten bis Ende Jahr, die ich leider noch nicht im Detail verraten kann.

Und bei den Accessoires?

Da möchte ich speziell unseren «Monolith»-Humidor erwähnen, der ein Wagnis war, aber bereits ein grosser Erfolg ist. Er ist aus einem einzigen Stück Sandstein gefertigt und bietet 150 Zigarren ein wunderbares, elegantes Zuhause.

finews.ch ist das News-Portal der Schweizer Finanzwirtschaft. Das heisst, viele unserer Leserinnen und Leser sind in Zürich tätig. Welche Bedeutung hat der Zürcher Markt für Oettinger Davidoff?

In Zürich haben wir drei eigene Geschäfte und zwei Depositäre. Geografisch sind unsere Verkaufspunkte nahe an der Bahnhofstrasse, in der Rail City und am Paradeplatz. Das deckt sich wahrscheinlich ziemlich mit dem Hotspot der Industrie, welche Sie mit finews.ch abdecken.

Und ja, wir haben sehr viel Erfolg dort. Wir werden auch die Läden wieder renovieren, um konsequent ein elegantes, spannendes Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Zusätzlich haben wir sehr viele Gastronomiepartner in Zürich...

The Dolder Grand, unter Anderen.

Ja, der dortige Spitzenkoch Heiko Nieder hat ja im Jahr 2016 auch die «Davidoff Chefs Edition» mitentwickelt.

Unsere Leserschaft in Asien konzentriert sich auf Singapur und Hong Kong. Wie gestalten sich diese Märkte für Oettinger Davidoff?

Sie sind sehr, sehr wichtig. Vor allem Hong Kong. Es ist die Basis für unsere ganzen Asien-Operations. In Singapur sind wir mit eigenen, das heisst Company-owned und -operated Shops vertreten, zum Beispiel im Marina Bay Sands. Im Premium- und im Top-Premium-Bereich ist Asien bei den Zigarren führend.

Nächstes Jahr feiert Oettinger Davidoff ihr 150-jähriges Bestehen. Was haben Sie vor?

Wir sind stolz, immer noch als Familienunternehmen dieses Jubiläum begehen zu können. Aus diesem Anlass möchten wir allen, die das ermöglicht haben, etwas zurückgeben: der Stadt Basel, den Mitarbeitern, den Konsumenten.

Es handelt sich zwar um ein Firmenjubiläum und nicht um einen Geburtstag der Marke «Davidoff». Aber trotzdem halten wir natürlich eine spezielle «Davidoff»-Zigarre bereit.

Sie setzen gerade eine sehr ambitionierte Erweiterung Ihrer Fabrik in der Dominikanischen Republik um, von 45 Millionen auf gegen 60 Millionen Stück pro Jahr. Ist Ihnen angesichts der aktuellen Markttendenzen dabei immer noch wohl?

Absolut. Das ist die richtige Investition zum richtigen Zeitpunkt in unserem Kerngeschäft. Mittelfristig werden wir diese Kapazitäten auslasten. Sie haben ja vorhin die Zahl genannt – Plus 50 Prozent bei der Marke «Davidoff» im Vergleich zu 2019. Schon im nächsten Jahr wären wir an eine Grenze gestossen. Ja, es ist ein Verdrängungsmarkt, aber mit den richtigen Antworten, den richtigen Produkten, der richtigen Prognosefähigkeit und einem gut ausgestellten Maschinen-Deck können wir weiter Marktanteile gewinnen.

Das grosse Thema in der Schweizer Zigarren-Industrie ist die Neuorganisation der Lieferkette bei Ihrer Konkurrenz aus Kuba, die sich grösstenteils im Top-Premium-Segment bewegt (finews.ch berichtete).

Ich respektiere die Kubaner. Sie machen hervorragende Zigarren. Aber ich schaue auf uns.

Die Kubaner möchten die Wertschöpfungskette stärker integrieren, indem sie die Exklusiv-Importeure in Zukunft zu 100 Prozent besitzen möchten. Es geht da in Richtung Ihrer eigenen «Crop-to-Shop»-Strategie. Ist das eine Chance oder Gefahr für Ihr Unternehmen?

Ich sehe zu wenig hinein, was für strategische Überlegungen dahinterstecken. Es ist ein Kampf. Am Ende entscheidet der Kunde, nicht das Management von Oettinger Davidoff oder von anderen Firmen. Ich arbeite daran, dass wir mit der Summe unserer hoffentlich richtigen Entscheidungen bewirken, dass der Kunde uns auswählt.

Von diesem Umbau bei den Kubanern ist in der Schweiz der Havanna-Importeur «Intertabak» und in Deutschland der Importeur «Fifth Avenue» betroffen. Der Fortbestand von deren Geschäft ist ungewiss. Sollten die Kubaner auf Sie zukommen und Ihnen die logistische Abwicklung des Imports anbieten: Was würden Sie antworten?

Das ist sehr hypothetisch. Es hat nicht stattgefunden. Wir könnten das, aber ich kann es mir nicht vorstellen, dass das für die Kubaner eine Option wäre.

Heinrich Villiger, der Grand Old Man in diesem Bereich, mit grossen Beteiligungen an «Intertabak» und «Fifth Avenue», ist jetzt 94 Jahre alt. Sollte ihm das Kuba-Business wegbrechen: Wäre es eine Option für Oettinger Davidoff, das verbleibende Geschäft, also Zigarillos und Premium-Zigarren von Villiger, ganz oder teilweise zu übernehmen?

Aus meiner Sicht stellt sich diese Frage nicht. Wir haben genug Marken und Linien – und alle Hände voll damit zu tun, sie gut zu bespielen. Das heisst, Akquisitionsabsichten haben wir keine.

Ist auch niemand an Sie herangetreten mit diesem Wunsch?

Nein. Zu diesem Punkt ist meine Mailbox leer.


Beat Hauenstein übernahm im August 2017 die Führung des Familienunternehmens Oettinger Davidoff in Basel. Davor war er bereits gut 14 Jahre lang für die Firma tätig gewesen. Zunächst als Informatik-Chef, später als Chief Operations Officer. Seine berufliche Karriere hatte der Wirtschaftsinformatiker, der auch ein MBA an der Universität St. Gallen (HSG) absolvierte, bei Coop und bei der Helvetia-Versicherung begonnen. Seit 2017 präsidiert er den Arbeitgeberverband Region Basel. Rund um den Tod des langjährigen Präsidenten Dr. Ernst Schneider im Jahre 2009 hatte das Unternehmen wechselhafte Zeiten durchlaufen, die vom Verkauf des gesamten Geschäfts ausserhalb von Premium-Zigarren geprägt waren: Parfüms, Zigaretten, Zigarillos, anderweitige Markenrechte im Luxusgüter-Bereich. Im Kerngeschäft mit handgerollten Zigarren folgte danach für Oettinger Davidoff eine Selbstfindungsphase, während der sie mit aufsehenerregendem Marketing, aber auch gewissen Produkt-Innovationen, auf sich aufmerksam machte. Hauenstein hat das Unternehmen zurück auf den Pfad der Profitabilität geführt.