Finanzinstitute wie Vontobel sammeln und fördern Kunst im grossen Stil. Für Karin Ruckstuhl ist Kunst dabei weit mehr ist als nur ein Investment. Vielmehr geht es um Bildung und persönliche Entwicklung. Für das jüngere Publikum ist die Botschaft in der Kunst heute noch viel wichtiger als früher, wie die Kundenberaterin im Interview mit finews.art erklärt. 


Frau Ruckstuhl, was kam zuerst in Ihrem Leben – die Finanzbranche oder die Kunst?

Ich interessiere mich für Menschen und Finanzen. Mein Beruf ermöglicht es mir, individuelle Dienstleistungen anzubieten, die genau auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sind. Meine Karriere führte mich zu vielen kunstaffinen Kundinnen und Kunden, was meine Leidenschaft für Kunst weiter förderte.

Schon bevor ich zu Vontobel stiess, betreute ich Familien, die bedeutende Kunstsammlungen aufgebaut hatten. Viele meiner Kundinnen und Kunden sehen Kunst als einen Ausdruck ihres Lebensstils. Dabei beobachte ich zwei Arten von Sammlern.

Das müssen Sie uns genauer erklären.

Die einen sehen Kunst als Statussymbol, ähnlich wie teure Autos oder seltene Weine. Die anderen kaufen Kunst aus Leidenschaft und beschäftigen sich intensiv mit gesellschaftlich relevanten Themen.

 Pixy Liao «Things We Talked About». Fotokunst Vontobel in Genf. (Bild: Vontobel)

Wie berät Vontobel seine Kunden in Bezug auf Kunst?

Wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können – Investmentmanagement. Kunstberatung gehört nicht zu unseren Kernkompetenzen.

«Wir betrachten Kunst nicht als Anlageklasse»

Stattdessen öffnen wir unser weitreichendes Art-Advisory-Netzwerk auch für Kundinnen und Kunden. So bleibt die Integrität unserer Finanzberatung gewahrt.

Sehen Sie Kunst nicht als eine wachsende Investmentkategorie?

Wir betrachten Kunst nicht als Anlageklasse. Kunst ist nicht liquide genug und bietet keine regelmässigen Erträge. Zudem ist der Kunstmarkt volatil und weniger transparent als die Finanzmärkte.

Vontobel sammelt und fördert Kunst schon lange. Wie überträgt sich das auf die Klientel?

Kunst spielt eine grosse Rolle bei Vontobel. Unsere Kunden schätzen es, wenn wir kulturelle Projekte unterstützen und gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen.

«Solche Initiativen helfen uns, jüngere Generationen für Kunst zu begeistern»

Kunst fördert die Bindung und das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden, insbesondere bei der jüngeren Generation, die stark auf gesellschaftliche Themen und Innovationen fokussiert ist. Das spüre ich auch in Gesprächen. Kunst ist eine gute Möglichkeit, den Menschen und seine Interessen besser kennenzulernen.

Ein gutes Beispiel ist auch unser Kunstpreis «A New Gaze» der darauf abzielt, junge Talente photobasierter zeitgenössischer Kunst zu fördern und ihnen eine Plattform zu bieten.

Augustin Lignier 2024 680

Vontobel Kunstpreis «A New Gaze 4». Werk von Augustin Lignier, Zürich 2024 (Bild: Vontobel)

Solche Initiativen helfen uns, jüngere Generationen für Kunst zu begeistern und gleichzeitig unser Engagement für gesellschaftlich relevante Themen zu zeigen. Wir machen zwar keine Kunstberatung, Projekte aber schon.

Wie muss man sich diese Kunstprojekte vorstellen?

Ein Highlight war beispielsweise ein Event mit einem Londoner Art Advisor, bei dem wir eine Ausstellung und Diskussionen zum Thema Kunst und Finanzen organisiert haben. Solche Veranstaltungen bieten eine hervorragende Plattform, um unsere Kunden besser kennenzulernen und gleichzeitig ihre Leidenschaft für Kunst zu unterstützen.

«Viele junge Menschen gehen in Sachen Kunst ihren eigenen Weg»

Ein anderes Projekt war ein ganztägiger Kunsttag, den wir für die Kinder unserer Kunden organisiert haben. Zusammen mit Georgina Casparis, Leiterin und Kuratorin der Vontobel Kunstsammlung, besuchten wir Künstlerstudios in Zürich.

Solche Aktivitäten helfen uns, die jüngere Generation für Kunst zu begeistern und sie gleichzeitig an relevante gesellschaftliche Themen heranzuführen. Solche Erlebnisse stärken nicht nur die Bindung zu unseren Kunden, sondern zeigen auch, dass Kunst weit mehr ist als nur ein Investment – sie ist ein wichtiger Bestandteil der Bildung und der persönlichen Entwicklung.

Emidio Battipaglia 2024 680

Vontobel Kunstpreis «A New Gaze 4». Werk von Emidio Battipaglia, Zürich 2024. (Bild: Vontobel)

Kunst wächst so über ihre Bestimmung hinaus.

Ja, einige junge Menschen haben weniger bis keine Bindung zur Kunst ihrer Eltern. Ein Beispiel, wenn ich auf der Strasse ein junges Publikum fragen würde, wer Berthe Morisot ist, würde ich wahrscheinlich fragende Blicke ernten. Sie ist eine impressionistische Malerin (1841-1895), eigentlich höchst bedeutend.

Im Gegensatz dazu zeigt beispielsweise der Name Banksy bei Jungen sofort Wirkung. Den Street-Art Künstler kennen fast alle. Warum? Ich behaupte, es liegt nicht nur an den coolen Motiven, sondern an der Botschaft dahinter.

Ich möchte behaupten, dass für das jüngere Publikum die Botschaft in der Kunst heute wichtiger ist als noch für unsere Generation.

Vontobel Genf 680

Sara Cwynar, «Man 1». Fotokunst Vontobel in Genf (Bild:Vontobel)

Welche Rolle spielt Kunst in Ihrem Leben?

Kunst ist für mich sowohl beruflich als auch privat eine Bereicherung. Privat sammle ich vor allem Skulpturen, und ich bin besonders vom Maler und Bildhauer Hans Arp fasziniert.

Vor ein paar Monaten habe ich in einer Galerie ein tolles Werk des Schweizer Künstlers Not Vital entdeckt, mit dem ich immer noch «liebäugele». Diese Begeisterung für Kunst spiegelt sich in meiner Arbeit wider und hilft mir, authentische und tiefergehende Verbindungen zu meinen Kundinnen und Kunden zu schaffen.


Karin Ruckstuhl verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche. Seit Juni 2014 ist sie als Managing Director bei Vontobel tätig, wo sie im Wealth Management hauptsächlich in Grossbritannien lebende Kundinnen und Kunden betreut. Zuvor arbeitete sie 15 Jahre bei HSBC in Zürich als Senior Relationship Manager und Desk Head für das UK-Team. Ihre Karriere begann sie bei der Republic National Bank of New York (Suisse) und der Mercury Bank in Zürich, wo sie als Senior Relationship Manager und Portfolio Manager tätig war.