Zu viel Regulierung kann dazu führen, dass einzelne Finanzdienstleistungen ins Schattenbanken-System abgleiten, warnt Markus Staub von der Bankiervereinigung.
Von Markus Staub, Leiter Bankenpolitik/Bankenregulierung, Schweizerische Bankiervereinigung
Dass die Finanzkrise zu zahlreichen und weitgehenden Verschärfungen der Bankenregulierung geführt hat, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Dass das auf internationaler Ebene, jedoch insbesondere in der Schweiz gilt, ebenfalls.
Und leider auch, dass die damit verbundenen Regulierungskosten hoch sind und über den Kreditkanal auch die Realwirtschaft treffen können.
Vorsicht vor der Regulierungsdynamik
Vor diesem Hintergrund werden wir und andere nicht müde zu betonen, dass eine Konsolidierung dieser Regulierungsdynamik nun dringend nötig ist. Der Bankensektor hat in den letzten Jahren zu substantiellen Verschärfungen seiner Rahmenbedingungen Hand geboten. Eine ungebremste Fortsetzung dieser Eingriffsintensität und dieses Tempos ist aus meiner Sicht weder wünsch- noch machbar.
Aber was heisst das konkret, was ist zu tun?
Vier Prioritäten
Erstens muss Konsolidierung in den nächsten Monaten heissen, dass den Banken die nötige Zeit eingeräumt wird, um die neuen regulatorischen Anforderungen umzusetzen. Das betroffene Spektrum erstreckt sich von Anpassungen bei der Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung über organisatorische Massnahmen bis zur Umgestaltung von Prozessen und IT-Systemen. All dies ist nicht von heute auf morgen realisierbar, sondern braucht Zeit.
Es geht zweitens darum, den getroffenen Massnahmen eine reelle Chance zu geben, ihre Wirkung zu entfalten. Regulatorische Eingriffe wirken naturgemäss erst mit einer gewissen Verzögerung. Deshalb wäre es aus ökonomischer Sicht falsch, das System mit ständig neuen Auflagen und Anreizen zu überlasten.
Bereits eine Bremswirkung
Ein gutes Beispiel sind die neuen Mindestanforderungen unserer Vereinigung für Hypothekarfinanzierungen, welche gemäss empirischen Hinweisen bereits eine Bremswirkung auf dem Immobilien- respektive Hypothekarmarkt zeigen. Insofern ist die Ankündigung der Nationalbank von Ende August zu begrüssen, den antizyklischen Eigenkapitalpuffer derzeit nicht aktivieren zu wollen.
Drittens muss die Anreizverträglichkeit neuer Regulierung stärker berücksichtigt werden. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Regulatorische Eingriffe haben typischerweise nicht nur die (erwünschten) Erstrundenwirkungen, sondern auch (häufig unerwünschte) Zweit- und Drittrundeneffekte, die sich nach Verhaltensanpassungen der betroffenen Akteure einstellen.
Bedrohte Systemstabilität
Beispielsweise enthalten verschiedene Regulierungsvorhaben das Risiko, einzelne Finanzdienstleistungen in weniger intensiv regulierte Sektoren zu verdrängen, Stichwort «Shadow Banking». Dass damit die Zielsetzung einer verbesserten Systemstabilität konterkariert würde, liegt auf der Hand.
Viertens muss Konsolidierung auch beinhalten, dass die Regulatoren anstelle einer partial-analytischen Behandlung einzelner Regulierungs-Schauplätze vermehrt zu einer Gesamtsicht – und damit auch zu einer verbesserten Einschätzung der kumulierten Auswirkungen – gelangen.
Sorgfältige Dosierung
Eine solche ganzheitliche Perspektive dürfte dann einerseits «automatisch» zu einer höheren Gewichtung wettbewerbspolitischer Aspekte führen und anderseits für eine sorgfältige Dosierung inskünftiger Verschärfungen sprechen.
Schliesslich: Dass die beschriebene Konsolidierung bessere Erfolgschancen hat, wenn Regulatoren und Regulierte konstruktiv zusammenarbeiten, ist ebenfalls ein Gemeinplatz – aber ein wichtiger.