Julius Bär hat aber auch schon Zelte abgebrochen: Dieses Jahr integrierten Sie die Zürcher Vermögensverwaltungs-Tochter WM Partners. Welche Synergien wurden seither gehoben?
Schon seit längerem haben wir intern die Integration in die Bank diskutiert. Aber erst heute können wir dank technologischen Möglichkeiten die Multibank-Lösungen von WM Partners auch für unsere Bankkunden anbieten. Diese sind zunehmend an bankübergreifender Vermögensverwaltung interessiert.
«Ich hatte bisher noch keinen Kunden am Telefon, der sich beschwert hätte»
Noch ist die Integration im Gange. Sie soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein. Aus Gesprächen weiss ich, dass die meisten Mitarbeitenden der Integration positiv entgegenschauen.
Gilt das auch für die Kunden?
Ich hatte bisher noch keinen Kunden am Telefon, der sich beschwert hätte!
Abflüsse kämen wohl ungelegen. Im letzten Halbjahresbericht der Bank blieb das Neugeldwachstum in der Schweiz unerwähnt – weil es keins gab?
Wir sind in der Schweiz bei in- und ausländischen Kunden ebenfalls gewachsen. Allerdings habe ich Massnahmen ergriffen, um profitables Wachstum sicherzustellen. Neugeld ist wichtig – noch bedeutender ist es aber auf lange Frist, rentable Kundenbeziehungen zu unterhalten.
Das heisst, Sie haben sich von Kunden getrennt, die für die Bank zu wenig abwerfen?
In der Schweiz haben wir das Problem mit den Negativzinsen auf Barbeständen. Wir geben die Strafzinsen nicht an Kunden weiter, die unsere Bankprodukte nutzen – bis Ende Jahr werden etwa alle hiesigen Kunden in einem Beratungsmandat eingebunden sein. Hingegen möchten wir nicht als blosse Depotstelle für Cash fungieren.
Allerdings hat Julius Bär einen Führungsanspruch im Schweizer Private Banking formuliert. Der wäre vor diesem Hintergrund wohl nur durch Übernahmen zu erreichen, richtig?
Die Anzahl Anbieter ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Ich erwarte, dass die Konsolidierung in der Branche anhält.
«Natürlich habe ich einige Adressen im Kopf, mit denen wir in Verhandlung treten könnten»
Derzeit versuchen einige, sich durchzumogeln. Aber aufgrund der Negativzinsen und der bevorstehenden Einführung neuer Regularien werden sich gewisse Institute Gedanken machen, ob sie das Geschäft noch aufrechterhalten wollen.
Also greift Julius Bär bald zu?
Derzeit ist es ruhig. Wir führen keine Gespräche. Natürlich habe ich einige Adressen im Kopf, mit denen wir in Verhandlung treten könnten. Spannend sind jene Institute, die über Standorte verfügen, wo wir auch vertreten sind und so Synergien nutzen könnten.
Die Beschreibung passt auf die Raiffeisen-Tochter Notenstein La Roche, die inzwischen den Turnaround beinahe hinter sich hat. Wäre das nichts für Julius Bär?
Notenstein La Roche ist ein hervorragender «Brand» und hat langjährige Mitarbeitende. Hinzu kommt der klare Schweizer Fokus. In den Medien wir das Institut bisweilen mit uns in Verbindung gebracht.
Vorwärts macht Julius Bär letztens im Fintech-Bereich – so mit der Beteiligung am digitalen Vermögensverwalter Nectar aus Schwyz oder einer eigenen Mobile-Banking-App. Welches Fernziel wird da angestrebt?
Augenfällig ist, dass eine Bank über viele Informationen über das Kauf- und Investitionsverhalten ihrer Kunden verfügt. Diese Daten müssen wir noch viel besser auswerten – auch, um Erkenntnisse daraus der Klientel zugänglich zu machen.
«Unsere Kunden interessiert immer: Was machen die anderen?»
Zudem sind digitale Vernetzungen denkbar, so dass Kunden beispielsweise Investmentideen und Businesspläne untereinander austauschen können. Der Datenschutz wird hingegen sehr wichtig blieben.
Eine Art Facebook für Kunden?
Unsere Kunden interessiert immer: Was machen die anderen? Enormes Potenzial sehe ich auch in der Digitalisierung der Administration – Compliance, Kontoeröffnung, Risikoaufklärung. Automatische Prozesse helfen hier, Qualitätszeit für den Kunden zurückzugewinnen.
Konkret: Was kommt als nächstes aus der Fintech-Schmiede von Julius Bär?
Nächstes Jahr lancieren wir unsere Integrated-Advisory-Plattform. Diese ermöglicht es, Anlageentscheide und Risikoadjustierung nach Algorithmen vorzunehmen, allerdings immer als Ergänzung zum Berater «aus Fleisch und Blut». Zuerst wird sie in Europa eingeführt, dann folgen die Schweiz und der Rest der Welt. In den nächsten drei Jahren können wir da viel erwarten, und ich freue mich auf diese Neuerungen.
Gian A. Rossi arbeitet seit elf Jahren für Julius Bär. Er ist ein enger Vertrauter von CEO Boris Collardi, nicht nur aus gemeinsamen Credit-Suisse- und im besonderen Singapur-Zeiten, sondern weil der 46-jährige Banker und leidenschaftliche Golfer seinem Chef immer wieder zur Seite steht, wenn in einer Position Not am Mann ist. Nach dem überraschenden Ausstieg von Barend Fruithof als Schweiz-Chef im vergangenen Jahr übernahm Rossi dessen Funktion. Er verfügt über eine Hausmacht, kennt das Geschäft und geniesst in der Branche einen ausgezeichneten Ruf.
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