Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Finanzbranche, dass es manche Akteure immer wieder schaffen, sich aus dem grössten Schlamassel zu befreien. Ist das ein Grund zur Hoffnung für den Schweizer Finanzplatz?
Jahrzehntelang war die HSBC Private Bank, also der Ableger des britischen HSBC-Konzerns, ein Monument in der Schweiz – hierzulande die grösste Auslandsbank.
Das auf Vermögensverwaltung spezialisierte Institut verwaltete in seinen besten Zeiten rund 215 Milliarden Franken. Der Gewinn, den die HSBC-Tochter ihrer Konzern-Mutter nach London zuführte, war substanziell.
In Teufels Küche
Dann vor etwa zehn Jahren nahm das Unheil seinen Gang, als ein IT-Mitarbeiter namens Hervé Falciani vertrauliche Kundendaten stahl und diese im Zuge einer regelrechten Odyssee ab 2009 diversen Amtsbehörden übergab.
Das wiederum führte dazu, dass Tausende von HSBC-Kunden, die ein unversteuertes Konto unterhalten hatten, in die Mühlen der Justiz in ihrem Wohnsitz-Land gerieten. Bald sprach man vom «Swiss Leaks»-Skandal, in Anlehnung an die Enthüllungs-Plattform Wikileaks von Julian Assange.
Reputation im Keller
Doch damit nicht genug. Alsbald offenbarte das immens verfügbare Datenmaterial auch, dass sich die HSBC selbst davor nicht gescheut hatte, mit Diktatoren und anderen Potentaten Bankbeziehungen zu unterhalten. Damit rutschte die Reputation des Instituts vollends in den Keller – der HSBC-Konzern durchlief eine epochale Krise.
Möglicherweise gehört es zu den Merkwürdigkeiten der Finanzbranche, dass es manchen Akteuren immer wieder gelingt, sich selbst aus dem tiefsten Schlamassel zu befreien – so auch die HSBC Private Bank in der Schweiz.
Unpopuläre Massnahmen
Die weltweite, auch wirtschaftlich bedingte Restrukturierung des HSBC-Konzerns war das eine; das andere die «Neuerfindung» der HSBC Private Bank in der Schweiz, was ab 2012 nach der Amtsübernahme durch den heutigen Unternehmenschef Franco Morra (Bild unten) begann.
Viele Branchenkenner hielten es damals kaum für möglich, dass der frühere UBS-Manager tatsächlich das Unmögliche schaffen würde: Er redimensionierte die HSBC Private Bank radikal. Dabei scheute er sich auch vor unpopulären Massnahmen nicht zurück, indem er Geschäftsbereiche schloss oder verkaufte und mehrere Hundert Stellen abbaute, wie auch finews.ch berichtete.
Ende 2015 tief in der Verlustzone
Zudem nahm er mit einer strategischen Restrukturierung (weniger Märkte; 29 statt früher 150, nur noch Kunden ab fünf Millionen Franken Vermögen, Veräusserung nicht-strategischer Kundengelder) in Kauf, dass «sein» Institut fortan wesentlich kleinere Brötchen backen würde. Tatsächlich verwaltet die Bank heute gerade noch knapp 60 Milliarden Franken.
Ende 2015 wies die HSBC Private Bank einen Verlust von 92 Millionen Franken aus, womit das Institut vermutlich am Tiefpunkt angelangt war. Denn seither geht es wieder aufwärts. Das dokumentiert sich anschaulich an der Personaloffensive, welche die Bank vor einigen Monaten eingeläutet hat. Dabei werden ganze Bereiche personell neu besetzt oder ausgebaut, wie finews.ch (hier und hier) berichtet hat.
Beginn einer Renaissance?
Der Turnaround des Instituts ist insofern auch bemerkenswert, als dass er aufzeigt, wie sich andere Akteure auf dem hiesigen Finanzplatz ebenfalls erfolgreich erneuern könnten.
In diesem Jahr wechselte die HSBC auch auf ein neues IT-System von Avaloq. Das Projekt kostete bislang rund 100 Millionen Franken und soll dazu beitragen, den neusten Anforderungen in Sachen Kundengewinnung und -betreuung zu entsprechen – was im Zeitalter der Transparenz, mit der die HSBC Private Bank in der Vergangenheit tatsächlich einige unliebsame Erfahrungen machte, von oberster Priorität ist.
Dem Vernehmen nach ist der weitere personelle Ausbau in der Schweiz noch nicht abgeschlossen. Man darf also gespannt bleiben, welchen weiteren Verlauf die wundersame Läuterung dieser Bank nehmen wird.