In einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt suchen Firmen nach innovativen Wegen, effizienter zu arbeiten und besser zusammenzuarbeiten. Dezentrale autonome Organisationen bieten eine vielversprechende Lösung, die mehr Mitbestimmung, Flexibilität und Transparenz verspricht – eine Organisationsform, die nicht nur für Startups, sondern auch für etablierte Branchen von Bedeutung ist.

Von Clara Guerra, Leiterin der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtensteins

Dezentrale Autonome Organisation (DAOs) lassen sich am besten als moderne, digitale «Genossenschaften» mit dezentraler Entscheidungsfindung beschreiben.

Im Gegensatz zu traditionellen Organisationen gibt es keine zentrale Führung oder Management – Entscheidungen werden gemeinschaftlich von den Mitgliedern auf Basis transparenter Abstimmungsprozesse und vorab festgelegter Regeln getroffen.

Komplexe Herausforderungen

In gewisser Weise erinnern sie an die direkte Demokratie oder traditionelle Genossenschaften, die ebenfalls auf kollektiver Beteiligung beruhen. DAOs können einige der komplexen Herausforderungen bewältigen, mit denen traditionelle Organisationsformen zunehmend konfrontiert sind: Sie fördern Mitbestimmung, steigern die Effizienz und schaffen mehr Transparenz, was zu einer besseren Koordination und einem gestärkten Vertrauen in organisatorische Prozesse und Entscheidungsstrukturen führt.

So funktioniert eine DAO

DAOs basieren auf «Smart Contracts» – ein Computerprogramm, das automatisch bestimmte Aktionen ausführt, sobald zuvor festgelegte Bedingungen erfüllt sind. Diese regeln Abläufe wie die Ressourcenzuweisung und Projektdurchführung.

Mitglieder stimmen gemeinschaftlich über wichtige Entscheidungen ab, wobei ihr Einfluss von ihrer Beteiligung abhängt. Technologisch basiert eine DAO auf der Blockchain, was Dezentralität, Sicherheit, Unveränderlichkeit und Transparenz ermöglicht.

Relevanz für die lokale Wirtschaft

Die Zahl der DAOs wächst kontinuierlich, da sie für das digitale Zeitalter und die fortschreitende Dezentralisierung besonders geeignet sind. Neben den strukturellen Vorteilen steckt auch wirtschaftlich grosses Potenzial in dieser Organisationsform.

So erreichten die Gesamtvermögenswerte der DAOs Ende März 2023 einen Rekordwert von 25,1 Milliarden Dollar, und die in den DAOs gehaltenen Vermögenswerte haben sich seit Anfang 2023 mehr als verdoppelt. DAOs bieten jedoch nicht nur für Startups oder Blockchain-Interessierte einen Mehrwert, sondern auch für etablierte Sparten wie Logistik, Gesundheitswesen oder den Finanzsektor.

Sie ermöglichen effizientere, transparente Prozesse und können hierarchische Strukturen ablösen. Beispielsweise könnte eine DAO in der Logistikbranche die komplexe Koordination zwischen verschiedenen Akteuren vereinfachen und gleichzeitig die Nachvollziehbarkeit und Effizienz verbessern.

Rechtliche Herausforderungen und Lösungen

Ein zentraler Aspekt bei der Etablierung von DAOs ist ihre rechtliche Einordnung. Obwohl in den USA (Wyoming und Vermont) bereits erste Rechtsformen für DAOs existieren, sind diese noch nicht weit verbreitet. In den meisten Ländern, einschliesslich Liechtenstein, fehlt eine spezialisierte Rechtsform für DAOs.

Organisationen müssen daher auf bestehende Rechtskonstrukte zurückgreifen, die oft nicht auf die spezifischen Anforderungen von DAOs zugeschnitten sind, was den Betrieb erschwert und die Kosten erhöht. Liechtenstein hat mit dem TVTG (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz) bereits frühzeitig die Grundlage für die Token-Ökonomie geschaffen, auf der auch DAOs aufbauen.

Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, weitere, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen wie Rechtsformen zu entwickeln, die spezifische Mechanismen wie Haftungsbeschränkungen, Rechenschafts- und Sorgfaltspflichten sowie Compliance für die Organisation und Verwaltung abdecken.

Nur so kann sichergestellt werden, dass DAOs effizient agieren und gleichzeitig den regulatorischen Anforderungen gerecht werden.

Ein Blick in die Zukunft

DAOs sind nur ein Beispiel für die zahlreichen Möglichkeiten, die das digitale Zeitalter mit sich bringt. In einer Zeit, in der Flexibilität und Transparenz entscheidend sind, bieten DAOs eine spannende Möglichkeit, traditionelle Strukturen zu hinterfragen und neu zu denken.

Es ist entscheidend, dass Innovationen wie DAOs in einer sicheren, verantwortungsvollen und nachhaltigen Weise genutzt werden. Liechtenstein, als Finanzzentrum mit Weitsicht, arbeitet kontinuierlich daran, seine rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an technologische Fortschritte anzupassen und damit nicht nur, mit der Zeit zu gehen, sondern die Zukunft aktiv zu gestalten.


Clara Guerra ist Leiterin der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtensteins und Co-Chair der European Blockchain Association (EBA). Als Juristin mit Schwerpunkt in High-Tech, Innovation und Digitalisierung war sie zuvor in der Privatwirtschaft tätig und engagiert sich als Board Member im Hochschul- und MedTech-Bereich. Sie hält regelmässig Vorträge und publiziert über aufkommende Technologien und Innovationsthemen aus staatlicher Perspektive.