Wer einer weiteren Verluderung der beruflichen Vorsorge zustimmen will, stimme einer Senkung des Umwandlungssatzes zu. Wer hingegen Ja sagt zu fairen Umwandlungssätzen, der sagt Nein am 7. März 2010.
Herbert Brändli ist Betriebswirtschafter und Eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte. Er gründete und leitet die B+B Vorsorge AG, welche sich zur Aufgabe gemacht hat, mehr Dynamik und Transparenz in die berufliche Vorsorge zu bringen.
Die Menschen würden immer länger leben und in der beruflichen Vorsorge eine Umverteilung von Jung zu Alt provozieren. Weil das Alterskapital für mehr Jahre reichen muss, könne nur eine Senkung des Umwandlungssatzes das Dreisäulenprinzip retten. Die Befürworter meinen, die Volksabstimmung vom 7. März 2010 sei somit von grundlegender Bedeutung für die Zukunft unseres Vorsorgesystems.
Ein kümmerliches Küchlein
Im Wissen, dass mit der 2. Säule jeder seine Rente selbst finanziert, wird niemand im Ernst nein sagen zu einem richtigen Umwandlungssatz. Der Slogan «Ja zu einem fairen Umwandlungssatz» wurde geprägt vom Schweizerischen Pensionskassenverband ASIP. Er vergleicht die Altersguthaben mit Kuchen.
Mit dem Umwandlungssatz wird festgelegt, wie gross die Kuchenstücke sind, die man jährlich davon abschneiden darf. Je tiefer der Umwandlungssatz, desto länger reicht der Kuchen und umgekehrt. Diese lapidare Feststellung, die vom Volk unter dem Titel Fairness zu beurteilen ist, berücksichtigt nicht, dass neben stattlichen Kuchen auch kümmerliche Küchlein zubereitet werden, die nach dem Anschneiden weiter schrumpfen oder aufgehen können.
Versicherungen stetig bevorzugt
Eine Senkung des Umwandlungssatzes wird erst seit ein paar Jahren thematisiert. Betriebliche Vorsorge wird hingegen bereits seit dem 19. Jahrhundert betrieben. Seither hat die mittlere Lebenserwartung in der Schweiz kontinuierlich zugenommen. Die Pensionskassenrenten sind analog zum allgemeinen Wohlstand dennoch angewachsen. Eine Abnahme wird erst seit Einführung des BVG im Jahr 1985 registriert.
Das Interesse an weiteren Leistungsreduktionen stammt vor allem von Versicherungsgesellschaften und Anlageberatern, die statt zur Prosperität des Vorsorgekuchens beizutragen, vom Gesetz bevorzugt stetig daran nagen und immer grössere Anteile für sich abschneiden.
Unerreichbare Vorgaben?
Die Festlegung von Zins- und Umwandlungssätzen ist sicher keiner Volksabstimmung würdig, mit der die Bürger im Klartext entscheiden müssen, ob Erträge der Pensionskassen und durchschnittliche Lebenserwartungen künftig höher oder tiefer sein werden. Mit diesen beiden Parametern diktiert der Regulator die Minimalleistungen aus beruflicher Vorsorge.
Versicherungsgesellschaften haben bereits vor Einführung des BVG geklagt, dass die staatlichen Vorgaben für sie unerreichbar hoch angesetzt seien. Hingegen werden sie von Pensionskassen traditionell weit übertroffen. Gerade weil sie höhere Leistungen nicht verbieten würden, werden die beiden Bezugsgrössen von ihren Machern vordergründig nur massgebend zur Bestimmung der Schattenrechnung verharmlost.
Übergriffe des Staates
Die wahre praktische Bedeutung der staatlich diktierten Zins- und Umwandlungssätzen wird so kaschiert. Mit dem Urnengang stehen aber hoch politische Interessen zum Entscheid an. Entgegen dem klaren Verfassungsauftrag greifen der Regulator und seine Aufsichtsorgane mit wuchernden Gesetzen und Ausführungsbestimmungen praktisch immer stärker in operationelle und verteilungspolitische Prozesse ein.
Diese Übergriffe schädigen die 2. Säule fundamental. Beispielsweise sind von Arbeitgebern bereitgestellte Fürsorge- und Finanzierungsstiftungen mittlerweile fast ganz verschwunden. Wer durch blinde Befolgung der problematischen Normen und Berechnungssätze die Destinatärsinteressen schädigt, verhält sich legal und muss nichts befürchten. Wer hingegen zugunsten der Destinatärsinteressen davon abweicht, hat ein latentes Risiko.
Modell beruht auf falschen Annahmen
Die zur Debatte stehenden Umwandlungssätze entspringen vereinfachenden Modellrechnungen. Sie beruhen auf Annahmen und Prognosen, die nicht hinterfragt werden. Der Blick zurück anhand von tatsächlichen Renditen und Lebenserwartungen zeigt, dass die modellmässig ermittelten Umwandlungssätze chronisch zu tief angesetzt waren.
Die effektiv erzielbaren Erträge lagen generell über den technischen Zinssätzen und die unbestritten zunehmende mittlere Lebenserwartung hätte durch Steigerungen der Ertragspotentiale ohne weiteres kompensiert werden können. Eine generelle Senkung der Umwandlungssätze steht darum erlebten Realitäten diametral entgegen.
Weniger Solidarität, mehr Egoismus
Der Übergriff des Regulators in die Autonomie der Pensionskassen mit allgemeinverbindlichen Berechnungsvorgaben erfolgt ohne Unterschied der ausgeprägten Kassenvielfalt. Eine charakteristische Stärke der beruflichen Vorsorge, ihre Flexibilität auf spezifische Eigenarten und Bedürfnisse der Solidargemeinschaften einzugehen, ist am Verschwinden. Solidaritäten weichen zunehmend egoistischen Anstrengungen zur persönlichen Leistungsmaximierung aus schrumpfenden Vorsorgekuchen.
Zur Abwehr dieser fatalen Entwicklung sind kassenspezifische Betrachtungen und versicherungstechnische Beurteilungen unerlässlich. Eine generelle Fixierung von Berechnungsgrössen, wie Zins- und Umwandlungssätzen, wirkt verteuernd und nivelliert das Leistungsniveau nach unten.
Keine weitere Verluderung der Vorsorge
Wer einer weiteren Verluderung der beruflichen Vorsorge durch den Regulator zustimmen will, stimme einer Senkung des Umwandlungssatzes zu. Wer hingegen ja sagt zu fairen Umwandlungssätzen, der sagt Nein zur Senkung der Umwandlungssätze. Es gibt keine triftigen Gründe die bereits bescheidenen Anforderungen an die Minimalleistungen der beruflichen Vorsorge zu senken.
Kontakt zur B+B Vorsorge AG finden Sie unter diesem Link.