Der US-Ökonom James Turk erwartet noch in diesem Jahr den Zusammenbruch einer grossen Bank und eine neuerliche Gold-Hausse.
Herr Turk, der Goldpreis verlor unlängst innert weniger Tage mehr als 15 Prozent an Wert. Hat das Edelmetall seinen Status als «sicherer Hafen» in der jetzigen Lage schon wieder verloren?
Nein, überhaupt nicht. In den letzten Wochen haben praktisch alle Anlageklassen an Wert verloren. Gold bildete da keine Ausnahme. Wichtiger scheint mir jedoch, dass Gold ein realer Wert ist, der keine Gegenparteienrisiken hat. Darum ist das Metall nach wie vor ein «Safe-Haven-Investment».
Trotzdem, der Goldpreis verhält sich in jüngster Zeit extrem volatil.
Nicht nur das Gold ist schwankungsanfällig. So hat sich auch der VIX-Index, der die Volatilität am amerikanischen Aktienmarkt misst, in den letzten paar Monaten verdreifacht. Mit anderen Worten: Alles ist mittlerweile enormen Schwankungen ausgesetzt, weil das Finanzsystem auseinanderbricht.
«Es ist wie ein letztes Flattern»
Um sich dies zu veranschaulichen, muss man sich einen drehenden Kreisel vorstellen, der vor dem Stillstand ins Flattern kommt. Die Volatilität, die wir jetzt erfahren, ist genau dieses letzte Flattern. Vor diesem Hintergrund erwarte ich denn auch, dass noch in diesem Jahr eine Bank kollabiert, wie damals Lehman Brothers.
Manche Anleger fürchten, dass im Gold nach einem guten Jahrzehnt der Hausse eine riesige Blase entstanden ist, die demnächst platzt. Wie sehen Sie das?
Viele Leute behaupteten das schon, als der Dow Jones im Jahr 1984 über 1'000 Punkte stieg. Übrigens ein Niveau, das damals 16 Jahre lang nie gebrochen worden war. Aber wie inzwischen bekannt ist, lagen diese selbsternannten Experten falsch, weil sie nur auf den Preis, aber nicht auf die Bewertung der einzelnen Firmen im Dow-Jones-Index achteten.
«Nach all meinen Berechnungen bleibt Gold unterbewertet»
Nach all meinen Berechnungen bleibt Gold eindeutig unterbewertet. Der Goldpreis ist eigentlich nur gestiegen, weil zahlreiche Währungen abgewertet wurden und dadurch an Kaufkraft verloren.
Im Gegensatz zur Hausse- und Baisse-Diskussion haben technische Analysten in letzter Zeit die Goldpreisentwicklung relativ genau prognostiziert. Wie relevant sind für Sie die Voraussagen der Chartisten?
Nicht sonderlich wichtig. Für mich stehen zwei Dinge im Fokus: Wert und Strategie. Gold ist – wie gesagt – unterbewertet und sollte daher weiter gekauft werden, was mich wiederum zum zweiten Aspekt bringt: Strategie.
«Die Unze wird schon bald 2'000 Dollar kosten»
Goldkäufe sollten kontinuierlich erfolgen, um einen möglichst guten Durchschnittspreis zu erhalten. Denn Gold ist Geld, und vor diesem Hintergrund steigert jeder Goldkauf die eigenen Ersparnisse.
Wie teuer wird Gold Ende Jahr und Ende 2012 sein?
Obschon das gelbe Edelmetall jüngst einen zünftigen Rückschlag erlitt, bin ich überzeugt, dass Gold schon bald über 2'000 Dollar die Unze notieren wird. Wenn nicht in diesem Jahr, dann sicherlich 2012.
Neben dem Gold haben auch Währungen wie der Franken oder der Yen ihren «Safe-Hafen-Status» etwas verloren. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Nein. Diese Währungen büssten ihre Rolle als sicherer Hafen wegen Interventionen der jeweiligen Zentralbanken ein. Die Notenbanken bestimmen den Wert nationaler Währungen.
«Anleger müssen sich nur fragen: Machen die Zentralbanken einen guten Job?»
Im Gegensatz dazu wird der Wert des Goldes durch die freien Marktkräfte bestimmt – oder anders gesagt, es sind die vielen Anleger, welche um die anhaltende Nützlichkeit von Gold wissen.
Welches Risiko geht man mit dem Besitz von Gold ein?
In dieser Hinsicht ist Gold wie jede andere Vermögensanlage. Man will sie kaufen, wenn sie unterbewertet ist, und sie veräussern, wenn sie überbewertet ist. Wer es versteht, eine Anlage richtig zu bewerten, kann auch deren Risiko kontrollieren.
Was sind die Eckwerte, auf die Goldanleger achten müssen?
Das ist relativ simpel. Investoren müssen sich bloss zwei Fragen stellen: Erstens, machen die Zentralbanken einen guten Job? Und zweitens, welchen Interessen dienen die Zentralbanken? Denjenigen der Bevölkerung oder den Banken und der Regierung?
Und Ihre Antwort?
Zentralbanken machen heutzutage eindeutig einen schlechten Job. Und solange sie bereit sind, mit Steuergeldern marode Banken zu retten, dienen sie sicherlich nicht den Interessen der Bevölkerung.
«Jedermann sollte sich mit Gold eindecken»
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass das gelbe Edelmetall nach wie vor unterbewertet ist, sollte sich möglichst jedermann mit Gold eindecken.
James Turk ist der Gründer der Firma GoldMoney, die für Anleger weltweit den Kauf, Handel und die Aufbewahrung von physischen Edelmetallen ermöglicht.
Der Amerikaner spezialisierte sich auf internationales Bankwesen, Finanzierung und Investitionen, nachdem er 1969 sein Studium an der George Washington Universität mit einem B.A. in internationaler Wirtschaft abgeschlossen hatte. Seine berufliche Karriere begann bei der Chase Manhattan Bank (heute J.P. Morgan Chase), unter anderem mit Aufträgen in Thailand, den Philippinen und Hongkong.
Im Anschluss trat James Turk dem Investment- und Handelsunternehmen eines bedeutenden Edelmetallhändlers mit Sitz in Greenwich, Connecticut, bei. Im Dezember 1983 zog er in die Vereinigten Arabischen Emirate und wurde dort zum Manager der Rohstoffabteilung der Investmentbehörde von Abu Dhabi ernannt. Diese Position bekleidete er bis zu seinem Rücktritt 1987.
Seit 1987 arbeitet James Turk selbständig. Er ist der Autor zweier Bücher sowie verschiedener Monografien und Artikel über Geld und das Bankwesen. Des Weiteren ist er Co-Autor des Buches «The Coming Collapse of the Dollar» (Doubleday, Dezember 2004), welches in einer neu veröffentlichten Taschenbuchversion aktualisiert wurde und nun den Titel «The Collapse of the Dollar» trägt. Auf Deutsch unter diesem Link.