Kein Sheriff, kein Meilensammler und ja kein Schreibtischregulator – Thomas Sutter von der Bankiervereinigung nennt sechs Kriterien für die Wahl des neuen Finma-Chefs.
Thomas Sutter ist Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Hals über Kopf machte sich der Direktor der Finma vom Acker. Der abrupte Abgang von Patrick Raaflaub regt Medien und Politik naturgemäss zum Spekulieren an.
Von «Überforderung» bis «zermürbt vom Kleinkrieg mit den Beaufsichtigten» konnte man alles lesen. Raaflaub hat sich durch seine fordernde und manchmal etwas forsche Art und der Tendenz zu «einsamen» Entscheiden nicht nur Freunde in seiner Branche geschaffen. Gemach.
Wir müssen in die Zukunft schauen. Dabei ist es – anders als dies provinzielle Politiker oder engstirnige Blogger suggerieren – absolut egal, ob der neue Finma-Chef ein Ausländer ist. Es gibt andere, viel wichtigere Kriterien:
Unabhängigkeit und Praxiserfahrung
Erstens muss der neue Finma-Direktor eine starke Persönlichkeit sein und unabhängig von den Beaufsichtigten agieren. Jawohl, Sie lesen richtig. Die Banken brauchen eine starke Regulierungsbehörde, denn nur sie garantiert Reputation im Ausland. Nur sie wird vom Ausland anerkannt und von Brüssel mit dem wichtigen Gütesiegel der Äquivalenz versehen.
Zweitens soll es jemand mit Praxiserfahrung sein. Wir wollen nicht einen Schreibtischregulator, der keine Ahnung hat, wie Eigenmittelanforderungen auf das Kreditgeschäft wirken und damit auch Auswirkungen auf die Kreditversorgung einer ganzen Volkswirtschaft haben können.
Keine Vollkaskoregulierung
Drittens muss der neue Boss seine Regulierungen immer auch auf die Marktfähigkeit prüfen. Eine Vollkaskoregulierung mag auf dem Papier toll ausschauen. Sie wird aber dazu führen, dass es bald nichts mehr zu regulieren gibt. Präzision, Geschwindigkeit und Verständnis für das Geschäft gehören ebenfalls in diesen Bereich.
Viertens erwarten wir Augenmass in der Regulierungsbreite getreu dem Motto, dass nicht alles, was reguliert werden kann, auch reguliert werden muss.
Fünftens ist ein Verständnis für die Mechanismen des politischen Systems der Schweiz essentiell. Wir brauchen keinen Sheriff, sondern einen vertrauensvollen Partner, der sich vernetzen kann und will.
Guter Verkäufer
Und sechstens schliesslich soll der neue Direktor etwas für die Wettbewerbssituation des Finanzplatzes im Ausland tun. Dabei geht es nicht um PR oder sinnloses Meilensammeln auf Roadshows.
Nein, wir benötigen schlicht und einfach einen Regulator, der sich nicht zu schade dafür ist, die Vorzüge des Finanzplatz gezielt im Ausland zu propagieren. Bei anderer Gelegenheit schielt man in der Einsteinstrasse (Sitz der Finma in Bern) auch immer darauf, was andere Regulatoren tun. Hier ist nun kopieren wirklich erwünscht!
Ich warte mit Spannung auf die Wahl des neuen Direktors und hoffe, dass der Wahl auch eine offene und saubere Analyse der Ära Raaflaub zu Grunde liegt. Der Posten ist für die Zukunft des Finanzplatzes schlicht zu wichtig, als dass man einfach zur Tagesordnung übergehen sollte.