Jürg Zeltner, Chef der Vermögensverwaltung bei der UBS, über Vertrauen, seinen Weg ins Top-Management, Banker-Bashing und die Zwänge in einer steuertransparenten Welt.
Spätestens seit dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Euro-Mindestkurs aufzuheben, ist für Jürg Zeltner (Bild) die Notwendigkeit der Beratung in Finanzfragen grösser denn je.
«Der heftige Einbruch von vergangener Woche am Schweizer Aktienmarkt sowie die Verwerfungen bei den Devisen zeigen, wie wichtig die Diversifikation in den Portfolios der Kunden ist. Die anhaltend hohen Schwankungen an den Finanzmärkten geben uns auch die Möglichkeit, den Kunden zu beweisen, warum es uns braucht: Beratung war nie wichtiger als jetzt», sagt der UBS-Manager der als CEO von UBS Wealth Management für die gesamte Vermögensverwaltung zuständig ist, in einem Interview mit der Scweizer Wochenzeitschrift «Die Weltwoche» (Artikel kostenpflichtig).
Nach wie vor exponiert
Angesichts der Fragilität der Finanzmärkte stellt Zeltner fest: «Die Kunden hören uns wieder gerne zu. Ich denke auch, es gibt mittlerweile eine gewisse Sättigung in Sachen «Banker-Bashing». Die Leute können durchaus differenzieren. Banken braucht es nun einmal in jeder Volkswirtschaft. Ich bin drei von vier Wochen im Monat im Ausland unterwegs und stelle fest, dass diese Wahrnehmung ausserhalb der Schweiz schon viel weiter gediehen ist. Das Vertrauen kehrt zurück.»
Allerdings räumt Zeltner auch ein, dass er sich in einer Top-Position nach wie vor exponiert fühlt. «Das öffentliche Interesse ist enorm, und wir werden genau beobachtet. Zu den schlimmsten Zeiten wurden unsere Kinder nicht mehr an die Geburtstagspartys ihrer Schulkameraden eingeladen. In der Krise war das tatsächlich so», gesteht der UBS-Manager.
Extrem-Erfahrungen kommen jetzt zugute
Inzwischen habe sich das etwas geändert. «Es bläst einem nicht mehr diese enorme Ablehnung entgegen. Heute kommt jenen, die in der Krise dabei waren, diese extreme Erfahrung von damals zugute», sagt Zeltner, der zu den wenigen Schweizern auf der obersten Führungsebene der UBS gehört.
Auf die Frage, ob dies eher Würde oder Bürde sei, antwortet der Banker: «Meine Laufbahn hat vor mehr als dreissig Jahren bei UBS begonnen und ich habe verschiedene Zusammensetzungen der Geschäftsleitung erlebt. Ich kann also beurteilen, ob eine Mannschaft am gleichen Strick zieht oder nicht. Heute spüre ich eine grosse Übereinstimmung.»
Traumberuf Tierarzt
Zeltner startete seine Bankkarriere 1984 mit einer Lehre beim damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV) und bildete sich später weiter. Auch heute noch findet er, dass ein solcher Werdegang – bis an die Spitze einer Grossbank – durchaus möglich ist.
«Die Ausbildungsgefässe in der Schweiz sind heute viel durchlässiger als früher. Mein Traumberuf war eigentlich Tierarzt. Doch dieser Weg blieb mir verschlossen, weil ich nie studiert habe. Heute sind die Möglichkeiten, nach einer Lehre eine akademische Laufbahn einzuschlagen, vielfältiger. Aber es braucht immer auch den Willen, hart zu arbeiten. Wenn man bereit ist, die Extrameile zu gehen, erschliessen sich einem viele Wege, die zunächst undenkbar erschienen. Natürlich braucht es auch etwas Glück und die richtige Konstellation. Aber letztlich kann man selber sehr viel bewirken.»
Zwänge einer steuerstransparenten Welt
Als Reaktion auf die Tatsache, dass das Schweizer Bankgeheimnis faktisch verschwunden ist, sagt Zeltner: «Die steuertransparente Welt zwingt den Finanzplatz, sich auf seine echten Stärken zu besinnen. In den vergangenen Jahren hat sich die Branche allerdings einreden lassen, den Schweizer Banken sei es immer nur um Steuerhinterziehung gegangen.»
Dabei, so Zeltner, habe sich der Schweizer Finanzplatz nicht erst in den letzten zwanzig Jahren entwickelt. Schon vor Jahrzehnten sei es in erster Linie um Sicherheit gegangen. «Die ausländischen Kunden wollten ihr Geld in guter Hand wissen, in einer harten Währung angelegt, und das in einem politisch stabilen System. Das mit den Steuern sei erst viel später zu einem Thema worden», erklärt der UBS-Manager.
Anpassungen verschlafen
«Allerdings müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir es zuerst versäumt haben, uns dem veränderten internationalen Verständnis anzupassen. Das holen wir nun auf. Das ist bisweilen schmerzhaft, aber unausweichlich. Manchmal habe ich das Gefühl, wir würden uns hinter allem verstecken und ja nichts mehr mit dem Etikett ‹Schweiz› anschreiben. Dabei ist es höchste Zeit, dass wir unsere echten Werte hervorstreichen. Wir dürfen uns nicht verschliessen», sagt Zeltner.
Interessant ist auch, dass Zeltner betont, keine internationale Grossbank könne von sich behaupten, mehr von Vermögensverwaltung zu verstehen als die UBS. «Bei uns ist die Vermögensverwaltung sozusagen die DNA. Die Mehrheit der Konzernleitungsmitglieder der UBS versteht das Wealth Management von der Pike auf.»
Was bei der UBS anders ist
Im Gegensatz dazu sei bei den meisten anderen Grossbanken kaum jemand im Top-Management, der das Vermögensverwaltungsgeschäft so umfassend verstehe. Zeltner ergänzt diese Aussage wie folgt:
«Bei uns (UBS) steht die Vermögensverwaltung zusammen mit dem Privat- und Firmenkundengeschäft klar im Zentrum, während das Investmentbanking und das Asset Management eine Zulieferfunktion haben. Viele unserer Innovationen drehen sich ums Wealth Management. Es gibt keine andere Grossbank, die das gleiche Modell betreibt und eine so umfangreiche Produkteplattform und einen so strukturierten Anlageprozess hat wie wir. Das spiegelt sich wie gesagt auch im Profil der Geschäftsleitung.»
Was sich Zeltner gut vorstellen kann
Mit Blick auf die wichtigsten Wachstumsmärkte kann sich Zeltner durchaus vorstellen, dass die UBS in Asien dereinst grösser sein wird als in der Schweiz.
«Absolut. Wahrscheinlich werde ich das sogar noch erleben, dass nämlich der Gewinnbeitrag aus Asien und den Schwellenländern grösser sein wird als der hiesige. Schon heute stammen fast 30 Prozent der verwalteten Vermögen aus dieser Region und rund ein Drittel des Gewinns. Asien wächst drei- bis viermal schneller als der Rest der Welt», so Zeltner.
Asien kompensiert Abflüsse
Die Erträge aus Asien und den so genannten Emerging Markts würden bei der UBS dazu beitragen, die Offshore-Abflüsse in Europa zu kompensieren. «Nun zahlt es sich aus, dass unsere Vorgänger in den vergangenen 50 Jahren so konsequent in Asien investiert haben, so dass wir auch in allen europäischen Märkten profitabel arbeiten», sagt Zeltner.