Er werde kommen, der automatische Informationsaustausch, sagt Ralph Stadler von Martin Ebners BZ Bank zu finews.ch. Es ergäben sich aber auch neue Chancen.

Stadler_Ralph_BZ

Herr Stadler, es scheint, als ob es nun doch schneller geht mit dem automatischen Informationsaustausch für die Schweizer Banken. Betrachten Sie das als Kapitulation oder Ausweg aus einer Sackgasse?

Die Schweizer Banken wie auch die Schweizer Politik haben sich mit ihrem Verhalten selber in eine ausweglose Situation manövriert und werden nun wohl dem Druck aus dem Ausland nachgeben. Andererseits zwingt die aktuelle Entwicklung die Banken, ihre Strategien zu überdenken und allenfalls anzupassen.

Damit ergeben sich auch neue Möglichkeiten. Aspekte wie die Qualität der Dienstleistungen oder die politische und monetäre Stabilität werden wieder an Bedeutung gewinnen.

Denken Sie, dass unser Bankgeheimnis auch von Schweizer Steuerzahlern krass missbraucht worden ist und noch immer wird, und deshalb abgeschafft werden soll?

Zu den in der Schweiz gepflegten Tugenden gehört nicht nur der vertrauliche Umgang mit Angaben über andere Personen, sondern auch das gegenseitige Vertrauen. Zudem können die Schweizer Bürger dank der direkten Demokratie selber zu einem gewissen Teil über die Höhe der Steuern bestimmen.


«Von einem Missbrauch zu sprechen, wäre wohl verfehlt»


Deshalb bestehen bei uns wegen der vergleichsweise moderaten Steuerbelastung weniger Anreize als in gewissen Nachbarländern, Vermögen oder Einkommen nicht anzugeben. Hier von einem Missbrauch des Bankgeheimnisses zu sprechen, wäre wohl verfehlt.

Wenn es zuträfe, dass viele Bürger hohe Einkommen und hohe Vermögen nicht deklariert haben, müssten – wenn der gläserne Bankkunde kommt – in der Konsequenz die Steuersätze sinken. Ist das nach Ihrer Ansicht ein realistisches Szenario?

Auch unter dieser Annahme ist das kein realistisches Szenario. Das zeigt die aktuelle Entwicklung in den USA. Zusätzliche Erträge haben noch selten die öffentliche Hand zu Steuersenkungen motiviert. Zudem sind grosse Vermögen mobil.

Droht mit der Einführung des automatischen Informationsaustausches nicht eine unheimliche, gewaltige Bürokratie?

Das Schweizer Bankensystem leidet schon heute unter einer «Verbürokratisierung» – zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang die Stichworte EU-Zinsbesteuerung, Abgeltungssteuer, FATCA sowie aufsichtsrechtliche Zwänge.


«Die Bürokratie wird erheblich zunehmen»


Diese «Verbürokratisierung» wird durch den automatischen Informationsaustausch erheblich zunehmen. Aber auch bei Behörden wird der Aufwand grösser.

Welche Kostenfolgen wird der automatische Informationsaustausch für die Banken haben? Wo werden diese Kosten vornehmlich anfallen?

Der zusätzliche Aufwand wird vor allem die Bereiche Informatik, Verarbeitung und Compliance betreffen, also alles Bereiche, die keine Erträge generieren, sondern nur Kosten verursachen. Diese Kosten wird letztlich der Bankkunde tragen.

Angesichts der zu erwartenden Kosten: Welche Auswirkungen wird der automatische Informationsaustausch auf die Bankenstruktur haben? Sind die kleinen Banken die Geplagten und die Grossen die Profiteure?

Eine kleine Bank wird es sich nicht mehr leisten können, Kunden aus einer Vielzahl von Ländern zu betreuen – eine Tendenz, die sich schon heute abzeichnet. Das hat zur Folge, dass sich einzelne Institute auf Kunden aus wenigen bestimmten Ländern konzentrieren und das Geschäft mit Kunden aus anderen Ländern anderen Banken überlassen.


«Ob diese Daten ausgewertet werden können, ist eine andere Frage»


Vor allem die klassischen Private-Banking-Institute werden gefordert sein. Eine Fusionswelle aus diesem Grund sehe ich aber nicht.

Diverse Fragen stellen sich zum automatischen Informationsaustausch: Wie läuft dieser konkret ab? Liefern die Banken unaufgefordert Millionen von Daten ins Ausland? Werden die Daten nur auf Verlangen hin ausgehändigt? Welche Daten und/oder Informationen sollen den Steuerämtern ausgeliefert werden?

Der automatische Informationsaustausch bedeutet, dass eine Schweizer Bank periodisch und automatisch sämtliche Daten ihrer Kunden, also alle Angaben über das Vermögen und die angefallenen Erträge oder Kursgewinne, direkt oder indirekt an die Steuerbehörden der Heimatstaaten der Kunden weiterleitet. Ob alle diese Daten überhaupt ausgewertet werden können, ist eine andere Frage.

In der Schweiz ist eine Volksinitiative angekündigt, mit der das Bankkundengeheimnis, geltend für Schweizer Bürger, in die Verfassung aufgenommen werden soll. Welche Chancen räumen Sie einer solchen Initiative ein?

Die Verankerung des Bankkundengeheimnisses im Bankengesetz ist eine ausreichende Grundlage für dessen Durchsetzung.


«Das Bankkundengeheimnis gilt heute schon in weiten Teilen nicht mehr»


Man darf nicht vergessen, dass das Bankkundengeheimnis schon heute in weiten Teilen nicht mehr gilt, weil der Bürger mit der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung mit einer Bank automatisch seine Einwilligung zu dessen weitgehender Aufhebung gibt.

Man muss nur einmal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken genau anschauen. Die Pflicht, Daten von Kunden vertraulich zu behandeln, sollte für alle Kunden einer Bank und nicht nur Schweizer Bürger gelten.


Ralph_Stadler_qRalph Stadler ist ein Urgestein im Hause Martin Ebners. Er ist seit 1993 in diversen Chargen für die BZ Bank mit Sitz in Wilen (SZ) tätig. Er ist Teilhaber und Sprecher der BZ Bank.

Der 1960 in Montreal geborene schweizerisch-kanadische Doppelbürger arbeitete nach seiner Tätigkeit bei der Fondsverwaltungsgesellschaft der damaligen SBG als Legal Advisor und Corporate Finance Officer im Fondsbereich der ED&F Man Gruppe.