In einer neuen Serie unterhalten sich Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange, und Claude Baumann, Mitgründer von finews.ch, über brisante Themen aus der Finanzwelt.

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Herr Katz, der Börsengang von Facebook ist ein absoluter Flop geworden. Was ist eigentlich schief gelaufen?

Verschiedene negative Faktoren haben da zusammengespielt. Im Vorfeld gab es einen Hype um diesen Börsengang, was für eine enorme Aufmerksamkeit gesorgt hat. Auf Grund der vermuteten hohen Nachfrage wurde kurz vor dem Initial Public Offering (IPO) die Preisspanne und die Anzahl Aktien nochmals stark erhöht. Die Facebook-Aktie wurde kurzfristig teurer, einige Investoren reduzierten ihre Kauf-Orders oder zogen sie ganz zurück. Am Eröffnungstag kam es dann zu technischen Problemen in der Abwicklung der gewaltigen Anzahl der Orders im entsprechenden Handelssystem.

Färbt der Facebook-Flop negativ auf die Börsen ab?

Langfristig kaum, kurzfristig hat er vor allem auf den Börsensektor in Amerika eine negative Wirkung. Nach dem gescheiterten IPO von BATS im letzten März ist dies der zweite Börsengang in diesem Jahr, bei dem technische Probleme aufgetreten sind. Der Milliarden-Börsengang des Schweizer Handelskonzerns DKSH im vergangenen März an der SIX Swiss Exchange lief hingegen makellos ab. Er hat die Stimmung für weitere Publikumsöffnungen eindeutig verbessert. Es ist denkbar, dass es in den nächsten zwölf Monaten zu weiteren Börsengängen an der SIX kommt.

Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?

Ganz klar der drohende Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone, also der so genannte Grexit. In den letzten Wochen ist diese Wahrscheinlichkeit immer grösser geworden.

Wie hoch schätzen Sie diese Wahrscheinlichkeit ein?

Im Moment auf knapp 50 Prozent. Die Unsicherheit in der Investorenwelt ist mittlerweile vergleichbar mit der vor dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Was uns heute aber fehlt, sind Erfahrungswerte im Zusammenhang mit einem allfälligen Grexit. In den letzten Jahren am ehesten vergleichbar ist die Ausgangslage mit der Währungsreform 2002 in Argentinien. Nur ist diesmal die gesamte Eurozone betroffen, und eventuell wird eine neue Währung entstehen müssen.

Warum ist ein Grexit so gefährlich?

Er trifft Menschen und Institutionen in Griechenland und rund herum. Wenn die griechische Drachme wieder eingeführt würde, wären die jetzt schon exorbitanten Schulden in Griechenland nicht mehr zahlbar. Die Entwertung der griechischen Währung würde diese Schulden nochmals enorm steigen lassen. Ausserdem stellt ein Grexit natürlich ein immenses Risiko für das internationale Bankensystem dar, weil ein genereller Vertrauensverlust der Anleger und Kunden an die Substanz vieler Geldhäuser ginge und möglicherweise einen Dominoeffekt in ganz Europa auslösen könnte, angefangen mit dem angeschlagenen Spanien.

Was signalisieren die Märkte angesichts dieser Bedrohung?

Die Währungen reagierten bisher am stärksten. Der Euro schwächt sich primär gegenüber dem Dollar weiter ab. Die Aktien- und Anleihenmärkte haben vergleichsweise verhalten reagiert. Am meisten wurden die Finanzwerte abgestraft. Dies hat auch mit den derzeit generell tiefen Handelsvolumina zu tun. Klar ist indessen, dass die Investoren nun eine tiefgreifende Anpassungsphase durchmachen und sich aufs Schlimmste einstellen. In wenigen Wochen wird die Börsenstimmung möglicherweise eine ganz andere sein.

Worauf kommt es an?

Ein allfälliges Grexit-Szenario würde über Nacht umgesetzt. Matchentscheidend ist, wie gut die Finanzmarktbehörden im Zusammenspiel mit der Politik in Europa – und natürlich auch mit der Schweiz – darauf vorbereitet sind. Ein Grexit müsste zwingend von massiven Gegenmassnahmen zur Stabilisierung der peripheren Euro-Staaten begleitet werden – so genannte «Fire-Walls» müssten geschaffen werden. Allerdings müssen diese Vorbereitungen rasch geschehen, denn am 17. Juni steht mit den Neuwahlen in Griechenland der nächste Stresstest an. Die kommenden zwei Wochen dürften uns daher sehr wach halten für die weitere Entwicklung an der Börse. C'est à suivre.


Christian_Katz_Portrait_qChristian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie das Joint-Venture Scoach, die europaweit erste spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den europäisch führenden Indexanbieter STOXX, sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 44-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.