Spätestens seit der Wahl von Donald Trump sind Infrastruktur-Investitionen ein heisses Thema. Was das für die Investorenschaft bedeutet, verrät Mirjam Staub-Bisang im Interview mit finews.ch.


Frau Staub-Bisang, Sie figurieren erstmals als Co-Autorin der zweiten Auflage des Standard-Werks «Infrastructure as an Asset Class». Was ist darin neu?

Ich wurde beigezogen, um die Nachhaltigkeitsaspekte zu beschreiben und diese in alle Inhalte zu integrieren, da diese angesichts der Langlebigkeit von Infrastrukturinvestitionen geradezu zwingend zu berücksichtigen sind.

Inhaltlich neu sind die Kapitel über nachhaltige Infrastruktur, über den Energiesektor und über soziale Infrastruktur. Neben den Sektoren Transport, Wasserversorgung und Entsorgung geht das Buch aufgrund der Relevanz für institutionelle Investoren neu auch auf den Energiesektor ein.

Können Sie das noch etwas genauer erklären?

Dabei geht es um die Erzeugung erneuerbarer Energien, die Übertragung von Energie, zum Beispiel mittels Stromnetzen oder Gas-Pipelines, um die Speicherung von Energie oder auch um Fernwärme-Netze, so genannte «District Energy».

Neu ist auch das Kapitel über soziale Infrastruktur – ein Sektor, der für viele institutionelle Investoren von wachsender Relevanz ist.

Wie definieren Sie Infrastruktur-Projekte überhaupt?

Infrastruktur umfasst alle staatlichen und privaten Einrichtungen, die für das Funktionieren und die Entwicklung einer Volkswirtschaft nötig sind.

«Das angekündigte, riesige Infrastrukturpaket dürfte etliche Branchen beflügeln»

Während die ökonomische Infrastruktur, also Einrichtungen der Verkehrs- und Nachrichtenübermittlung, der Energie- und Wasserversorgung sowie der Entsorgung, für Investoren historisch im Vordergrund stand, gewinnt nun die Finanzierung sozialer Infrastrukturprojekte, das heisst von Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen oder administrativer Gebäude, laufend mehr an Bedeutung.

Investitionen in Infrastruktur-Projekte sind spätestens seit der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten ein grosses Thema. Welche Wirkung werden entsprechende Ausgaben der US-Regierung auf die amerikanische Wirtschaft haben?

Gemäss Wahlprogramm will Donald Trump Milliarden in Infrastruktur stecken. Das angekündigte, riesige Infrastrukturpaket dürfte etliche Branchen beflügeln und Amerika einen Aufschwung bescheren.

Das wiederum bietet Investoren die Chance, in kotierte Infrastrukturaktien respektive allgemein in US-Unternehmen zu investieren. Neben den grosskapitalisierten Werten dürften insbesondere auch die Aktien von Firmen profitieren, die auf den Binnenmarkt fokussiert sind.

Inwiefern haben Investitionen in Infrastruktur auch eine politische Dimension?

Eine der staatlichen Hauptaufgaben ist es, eine funktionsfähige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, diese zu bauen und zu unterhalten – all dies gespiesen aus Steuergeldern.

Gemäss Schätzungen der OECD werden jährlich 2,5 bis 3,5 Billionen Dollar oder rund 3,5 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts benötigt, um die für die Wirtschaft notwendige Infrastruktur zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Die noch nie dagewesene Höhe der Verschuldung westlicher Staaten, verstärkt durch die seit der Finanzkrise extrem expansive Geldpolitik, hat zu einem Investitionsstau geführt. Das hat zu einem Verfall von sehr viel Infrastruktur geführt.

Was hat das für Folgen?

Wegen des zunehmenden Spardrucks in praktisch allen Industriestaaten müssen vermehrt private institutionelle Investoren dazu beitragen, den Investitionsbedarf zur Verbesserung der Infrastruktur zu decken. Mit Geldern privater Investoren steigt auch deren Einfluss, was zu grossen politischen Diskussionen führt, insbesondere wenn diese Investoren aus dem Ausland kommen.

«Die Kehrseite der Medaille zeigt sich allerdings im tiefen Strompreis»

Die politische Dimension zeigt sich aber auch auf der Regulierungsseite. Man denke nur an die Energiewende im Nachgang zur Katastrophe von Fukushima. Mit der Förderung alternativer Energien im EU-Raum über staatliche Subventionen oder garantierte Einspeisevergütungen wurden enorme Kapazitäten aufgebaut, was grundsätzlich positiv und auch notwendig ist.

Allerdings zeigt sich die Kehrseite der Medaille im tiefen Strompreis, wodurch die nachhaltige Wirtschaftlichkeit nicht geförderter Energieproduzenten, wie beispielsweise die Betreiber von Wasserkraftwerken in der Schweiz, gefährdet ist. Das lässt sich sehr gut aus deren tiefroten Zahlen ersehen.

Was können Anleger daraus ableiten?

Hängt die Rendite von Infrastruktur-Investitionen direkt und langfristig von der Sicherheit von Einspeisevergütungen wie bei den erneuerbaren Energien ab, ist eine Beurteilung der regulatorischen und politischen Sicherheit bei der Evaluation von Investitionen unabdingbar.

Wo auf der Welt sind Infrastrukturausgaben ein ganz grosses Thema?

Getrieben von Bevölkerungswachstum und Urbanisierung besteht ein enormer Bedarf an Infrastruktur in Schwellenländern. Jahr für Jahr lassen sich dort geschätzte 75 Millionen Menschen in Städten nieder.

Während heutzutage noch 54 Prozent der Erdbevölkerung in Städten angesiedelt ist, sollen es 2050 bereits 66 Prozent sein. Sechs Milliarden Menschen werden demzufolge im Jahr 2050 in Städten leben, wobei 90 Prozent des Zuwachses in afrikanischen und asiatischen Ländern erwartet wird.

«Auch kleinere Versorger wie Stadtwerke locken die Investoren mit attraktiven Dividendenrenditen»

Dies konfrontiert Regierungen mit enormen Herausforderungen bezüglich Nahrung, Wasser, Energie, Entsorgung und Mobilität, nicht zuletzt, um dem Entstehen von Slums entgegenzuwirken.

Die Tatsache, dass rund 75 Prozent der 2050 bestehenden Infrastruktur heute noch nicht gebaut ist, bietet sich auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit eine enorme Chance für Investoren und unsere Gesellschaft.

Wie steht es um Infrastruktur-Projekte und entsprechende Investitionen in der Schweiz?

Anleger haben die Möglichkeit, in börsennotierte Strom-, Wasser- und Wärmeversorger zu investieren, dazu zählen etwa die «Grossen» wie Axpo, Alpiq oder BKW, aber auch kleinere Versorger wie Stadtwerke, die Investoren mit attraktiven Dividendenrenditen locken.

Die Titel der grossen Kraftwerksbetreiber kamen seit der Energiewende allerdings stark unter Druck aufgrund sinkender Energiepreise im europäischen Strommarkt.

Wie können Pensionskassen, Versicherungen und andere Vorsorgeeinrichtungen nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Tiefzinsumfelds am Infrastruktur-Trend partizipieren?

Institutionelle Investoren können sich auch über private Direktinvestitionen an Infrastrukturanlagen beteiligen, sei dies als Allein-Investoren oder im Rahmen eines «Club Deals» mit anderen Interessierten zusammen, so geschehen beispielsweise bei Swissgrid, dem nationalen Hochspannungsnetz.

«Bei Pensionskassen fanden Infrastrukturanlagen bisher noch nicht viel Resonanz»

Dieses Jahr engagierte sich unter anderem auch die Profond Sammelstiftung als neue Hauptaktionärin beim Fernwärmenetz-Betreiber Agro Energie Schwyz. In der Schweizer Pensionskassen-Landschaft fanden Infrastrukturanlagen bisher noch nicht allzu viel Resonanz, allerdings ist die Tendenz gerade wegen des erwähnten Tiefzinsumfelds steigend.

Schreiben Sie an einem neuen Buch?

Nein, jedoch plane ich, allenfalls eines über die Bedeutung von Governance-Aspekten auf die Nachhaltigkeit von Wettbewerbs- und Standortvorteilen von Unternehmen und Volkswirtschaften zu schreiben.


Infra book cover 192Mirjam Staub-Bisang ist Mitgründerin und CEO der Independent Capital Group, einem Asset-Management-Unternehmen für institutionelle und private Kunden mit einem Fokus auf nachhaltige Wertschriften- und Immobilienanlagen. Sie ist Verwaltungsrätin der Bellevue Group, der INSEAD in Fontainebleau/Singapur und Stiftungsrätin der Profond Sammelstiftung. Sie ist promovierte Juristin der Universität Zürich und Rechtsanwältin und hält einen MBA-Abschluss der INSEAD in Fontainebleau. Sie ist Autorin von Standardwerken zu nachhaltigen Anlagen und Infrastrukturanlagen. Zuletzt erschien von ihr als Co-Autorin: «Infrastructure as an Asset Class» bei Wiley & Sons. Das Buch kommt demnächst auch in einer chinesischen Ausgabe heraus. Im Jahr 2009 wurde sie vom World Economic Forum (WEF) zu einem «Young Global Leader» ernannt.