Den wenig schmeichelhaften Beinamen erhielt einst die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs. Doch eine andere Wall-Street-Firma greift jetzt nach der Macht.
Zehn Jahre ist es her, als das US-Magazin «Rolling Stone» in einem bitterbösen Artikel die Investmentbank Goldman Sachs mit einem Vampirkraken verglich: mit Tentakeln, die überall hin reichen und einem Streben nach Bereicherung, das sogar vor den eigenen Kunden nicht halt macht.
Doch das Institut hat seither einiges von seinem Nimbus eingebüsst, nicht zuletzt in Zeiten von Corona. Im abgelaufenen ersten Jahresviertel fiel der Gewinn des Wall-Street-Traditionshauses unter Erwartung aus. Die Aktie ist seit Jahresbeginn hinter dem Leitindex Dow Jones zurückgeblieben. Dagegen zeigt sich ein anderer amerikanischer Finanzriese in Bestform: Der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock zog in den letzten drei Monaten 3,5 Milliarden Dollar Neugeld an und erwies sich als doppelt so profitabel wie Goldman Sachs.
Das britische Finanz-Leitmedium «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) stellte aus aktuellem Anlass rhetorisch die Frage, ob nicht eher Blackrock der neue Vampirkrake an der Wall Street sein müsste. Tatsächlich hat das US-Fondshaus in den letzten Jahren auf den unterschiedlichsten Ebenen massiv an Einfluss gewonnen. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Schweiz.
1. Das Zünglein an den Generalversammlungen
Aufgrund seiner zahlreichen Fonds und Indexprodukte ist Blackrock bei Firmen rund um die Welt Grossaktionär. Das trifft auch für die Schweizer Bluechip-Firmen zu, gerade im Finanzwesen. Bei der UBS etwa sind die Amerikaner mit 4,99 Prozent Anteil die grössten Einzelaktionäre. An der Credit Suisse halten sie 4,17 Prozent.
Bis jetzt machte Blackrock dieses Gewicht meist hinter den Kulissen geltend und verzichtete auf öffentliches Getöse wie etwa die Schweizer Stimmrechts-Vertreterin Ethos. Doch das könnte sich ändern, da Blackrock die Nachhaltigkeit-Schiene forciert und mit einem jährlichen Brief den Firmenchefs ins Gewissen redet.
2. An der Schnittstelle der Digitalisierung
Mit der Plattform Aladdin ist Blackrock längst auch zum führenden Technologie-Anbieter in der Finanzbranche avanciert. Schätzungen gehen davon aus, dass Aladdin das Risikomanagement für rund 10 Prozent aller weltweiten Vermögen übernimmt und damit einen entscheidenden Einfluss auf die Finanzmärkte ausübt. Mittlerweile ist das System in der Lage, den ganzen Anlageprozess von der Kundenfront bis zum rückwärtigen Dienst abzubilden und macht sich damit unverzichtbar bei der «Durchdigitalisierung» der Vermögensverwaltung.
In der Schweiz hat etwa das Asset Management der Credit Suisse Aladdin implementiert.
3. Einfluss in die höchsten Sphären
Mit der Berufung von Philipp Hildebrand zum Vizepräsidenten landete Blackrock 2012 einen frühen Coup. Der einstige Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verfügt über ausgezeichnete Kontakte zu Regulatoren und Politik, die er seither für den Fondsriesen spielen lässt. Weitere Ernennungen in diesem Stil folgten: George Osborne, der frühere britische Schatzkanzler, Ex-Fed-Vizepräsident Stanley Fischer und der deutsche Ex-Spitzenpolitiker Friedrich Merz, der nun Angela Merkel im Kanzleramt beerben möchte.
Bald könnte Blackrock-CEO Larry Fink selber in die höchsten Sphären der US-Politik vorstossen. Sollte nämlich der demokratische Kandidat Joe Biden 2020 zum Präsidenten gewählt werden, werden Fink Chancen fürs Amt des Finanzministers zugerechnet. Das Ministerium leitet zurzeit noch Steven Mnuchin – ein Alumnus von Goldman Sachs.