Unter den Spirituosen kommt dem Cognac eine ganz besondere Stellung zu. Seit Jahrhunderten steht der Weinbrand aus dem Westen Frankreichs für kultivierte Eleganz und Lebensfreude. finews.ch hat den traditionsreichen Produzenten Delamain besucht, der dieses Jahr sein 200-jähriges Bestehen feiert. Und der sich dafür etwas Besonderes hat einfallen lassen.

Die Seele des Cognacs in Worte gegossen hat der französische Politiker und Diplomat Jean Monnet (1888-1979): «Cognac war immer ein Bezugspunkt meiner Überlegungen, die langsam reifen, wie das Denken der Menschen in der Charente, das von der Hochachtung des Wirkens der Zeit geprägt ist.»

Monnet wurde im Städtchen Cognac geboren, eine gute Autostunde nördlich von Bordeaux gelegen. Die Stadt gibt dem weltweit berühmtesten Weinbrand seinen Namen, der seit Jahrhunderten ein Synonym für luxuriösen Spirituosen-Genuss ist.

Besonders charakterstarkes Getränk

finews.ch ist nach Cognac gereist, um mehr über das berühmte Getränk, seine Geschichte, Kultur und Herstellung zu erfahren. Die aus Anlass des 200. Geburtstags des Unternehmens Delamain, das seit jeher für einen besonders charakterstarken Cognac steht.

Im 4400-Seelen-Dörfchen Jarnac, wo Ex-Präsident François Mitterand (1916-1996) geboren wurde, und das Familienunternehmen Delamain seinen Hauptsitz hat, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Über dem lauschigen Dorfplatz thront die Église Saint-Pierre de Jarnac, eine romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Und auch die zum grössten Teil aus gelblichem Sandstein gebauten Häuser, die sich um den Dorfplatz gruppieren, stehen wohl seit Jahrhunderten, wo sie stehen.

Neun Generationen Cognac-Erfahrung

Wohl eine ziemlich genaue Geschichte jedes Hauses in Jarnac nacherzählen könnte vermutlich Charles Braastad, der amtierende Kellermeister («Maitre de Chai») bei Delamain und Sohn von Alain Brastaad-Delamain (1939-2023), dem früheren Inhaber von Delamain. Etliche Vorfahren von Charles Brastaad waren begeisterte Privatgelehrte, was die Geschichte des Ortes anbelangt.

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Amtierender Kellermeister: Charles Brastaad. (Bild: Delamain, zVg)

Den Namen Delamain gibt es im Cognac-Gebiet mindestens seit dem Jahr 1625. Es ist aktenkundig, dass in diesem Jahr ein Hugenotte namens Nicolas Delamain aus religiösen Gründen nach England auswanderte, wo er von König Charles I im Jahr 1639 zum Ritter geschlagen wurde. Als Familienwappen erhielt er einen Adler, der über einem goldenen Schild mit drei blutigen Kreuzen emporsteigt – bis heute ziert dieses Emblem jede Flasche Delamain-Cognac.

1824 gegründet

120 Jahre später kehrte James Delamain, ein Spross der Dynastie, nach Cognac zurück, wo er sich mit der Tochter des Branntwein-Händlers Issac Ranson verheiratete und in der Folge das Cognac-Unternehmen Ranson-Delamain gründete. Die Firma überlebte den Tod von James Delamain im Jahre 1800 aufgrund von Erbstreitigkeiten nicht längerfristig.

Im Jahre 1824 gründete Anne-Philippe Delamain, ein Enkel von James Delamain, gemeinsam mit Repräsentanten der Familie Roullet das Cognac-Haus Roullet & Delamain – es ist dieses Haus, das die Familie Delamain im Jahr 1920 komplett übernahmen und das dieses Jahr sein 200-jähriges Bestehen feiert.

Jährlich 100'000 Flaschen

Heute füllt das Unternehmen mit 18 Mitarbeitern jährlich rund 100'000 Flaschen ab. Das ist ein kleiner Bruchteil der Mengen, die zum Beispiel bei Hennessy (100 Millionen Flaschen pro Jahr), Rémy Martin (ca. 26 Millionen Flaschen) oder Martell (etwa 20 Millionen Flaschen pro Jahr) über die Theke gehen. 

In Sachen Produktionsmenge mag Delamain zwar nur eine Randnotiz im Cognac-Gebiet sein. Der Name gehört aber aufgrund der prestigeträchtigen Geschichte und der besonderen Produkte-Philosophie des Hauses zu den klangvollsten in dieser übersichtlichen, eng verflochtenen Welt.

Autor eines Standardwerks

Das 1935 vom damaligen Delamain-Inhaber Robert Delamain (1879-1949) publizierte Buch «Histoire du Cognac» ist bis heute das definitive Standardwerk über die Spirituose.

In neunter Familien-Generation obliegt es nun dem Können von Charles Brastaad als Kellermeister, die nächsten Kapitel in der Firmengeschichte zu schreiben.

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Zutat für die Jubiläums-Edition: Delamain-Cognac von 1893. (Bild: Delamain, zVg)

Spezielle Philosophie

Anlässlich des Firmenjubiläums hat er Händler und Fachjournalisten nach Jarnac eingeladen, um sie in die Spezifika der speziellen Philosophie des Hauses einzuweihen.

Wie eigentlich überall, wo es um die prestigereichsten alkoholischen Getränke Frankreichs geht, ist der Rahmen des Erlaubten und Erwünschten eng abgesteckt. Im Cognac-Gebiet wacht das «Bureau National Interprofessionnel du Cognac» als Selbstregulierungsorganisation der Produzenten über die Einhaltung der strengen Vorschriften.

Gebrannte Wässer aus der «Grande Champagne»

Zunächst einmal dürfen nur Weine bestimmter Traubensorten aus einem definierten Anbaugebiet zu Getränken unter dem Namen Cognac destilliert werden. Geographisch wird fein unterschieden zwischen der Anbauregion der «Grande Champagne», die als hochwertigste gilt, «Petite Champagne» und weiteren angrenzenden Gebieten, die Namen tragen wie «Borderies», «Fins Bois» oder «Bons Bois». Am weitesten westlich grenzt die Anbauregion «Bois Ordinaires», zu der auch La Rochelle gehört, an die Atlantikküste.

(Die Bezeichnungen Grande und Petite Champagne haben nur indirekt mit der entsprechenden Schaumwein-Destination östlich von Paris zu tun, als dass die Böden sich ebenfalls durch einen hohen Kalkgehalt auszeichnen)

Dominante Traubensorte

Als Grundlage für Cognac dürfen nur sieben weisse Traubensorten verwendet werden, die einen säurebetonten und leichten Wein mit etwa 8 bis 9 Prozent Alkoholgehalt ergeben. Dominant mit rund 98 Prozent des Produktionsvolumens ist hierbei ist die Traube «Ugni Blanc», die anderswo auch unter dem Namen «Trebbiano» bekannt ist.

Die Weine aus den unterschiedlichen Gegenden des Cognac-Gebiets weisen unterschiedliche Alterungs-Charakteristiken mit Blick auf ihre Destillate auf. Delamain bezieht Fässer mit Branntweinen, die ausschliesslich aus der Grande Champagne stammen. Sie sind besonders fein und zeichnen sich durch ein sehr grosses Potential für eine lange Reifelagerung aus.

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Hauseigener Rebberg im Cognac-Gebiet. (Bild: Delamain, zVg)

Geheimnis der langsamen Reifelagerung

Ein wichtiger Bestandteil des regulatorischen Kanons ist auch die Altersangabe: Sie reicht von 2 Jahren Reifelagerung im Eichenfass bei Cognacs unter der Bezeichnung VS bis hin zu mindestens 30 Jahre im Falle von «hors d'age».

Bei Delamain zielt man seit Generationen darauf ab, einen eleganten Cognac zu machen, bei dem die fruchtigen Noten des Weinbrands erhalten bleiben. Zu diesem Zweck werden die Destillate nicht in neuen, sondern in alten Eichenfässern gelagert, in denen die Alterung langsamer vonstatten geht und das Fass weniger dominante Holz- und Vanillenoten beisteuert.

Mindestens 20 Jahre

Entsprechend dauert die Reifelagerung länger. Das Unternehmen füllt keine Spirituosen ab, die weniger als 20 Jahre im Fass waren, erklärt «Maitre de Chai» Charles Braastad. Als Kellermeister hat er im vergangenen Jahr Dominique Touteau beerbt, der seit 1980 für das Haus gearbeitet hatte, von 1992 bis 2023 als Kellermeister.

Bei einem Cognac-Hersteller handelt es sich um die wichtigste Position. Der überwiegende Anteil des Weinbaus auch der Destillerie erfolgt durch die Weinbauern. Erst später kommen die Produzenten ins Spiel, welche von den Erzeugern die bereits etwas gelagerten Fässer erwerben und sie dann bis zum Abfüllen weiter ausbauen. An der Pforte zum Ein- und Auslass der Fässer in die Keller wacht der Kellermeister.

Sieben verschiedene Keller

Er entscheidet anhand von Degustationen, ob ein Fass überhaupt erworben wird und später, wann es reif ist für die Abfüllung. Und während des Alterungsprozesses verschiebt er es vom einen Keller in den anderen, um die Wechselwirkungen zwischen Fass, Inhalt und Mikrobiomen (Pilzen, Bakterien) zu beeinflussen. Die verschiedenen Keller – bei Delamain sind es sieben – unterscheiden sich durch ihr Temperaturprofil und ihre Luftfeuchtigkeit. 

Die Fässer, denen der Kellermeister das grösste Potential bei der Reifelagerung einräumt, kommen bei Delamain in einen separaten Keller. Die Türe ist mit einem doppelten Schloss verschlossen. Selbst der hauseigene Kellermeister kann sie nur in Gegenwart eines Repräsentanten des «Bureau National Interprofessionnel du Cognac» öffnen, das den zweiten Schlüssel verwahrt.

Historische Edition zum Jubiläum

Zum Jubiläum präsentieren die beiden «Maitres», Dominique Touteau und Charles Braastad, eine besondere Kreation, für die sie in  grösste geschichtliche Tiefen ihrer Keller hinabgestiegen sind. Die «Édition Rare du Bicentenaire» besteht aus einer Assemblage von fünf besonders charakterstarken Destillaten aus den Jahren 1893, 1947, 1914, 1965 und 1969.

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Enthüllung der «Édition Rare du Bicentenaire»: Kellermeister Brastaad (links), Vorgänger Touteau (rechts). In der Mitte: Delamain-Generaldirektor Éric Le Bouar. (Bild: Delamain, zVg)

Die auf 201 Flaschen limitierte Edition kommt später im Jahr in den Fachhandel. Zuvor aber versteigert das Auktionshaus Bonhams im Rahmen einer Online-Auktion zwischen dem 19. November und dem 6. Dezember eine 10-Liter-«Grande Jeanne»-Flasche des historischen Getränks, aufwändig dekoriert durch den französischen Goldschmied Goossens.


Die Produkte von Delamain werden in der Schweiz durch Charles Hofer in Château d'Oex importiert und sind teilweise bei Globus Delicatessa erhältlich. Kommende Woche veröffentlicht finews.ch ein Interview mit Gérard Bouleau, dem Directeur Général Délégué des «Groupe Bollinger», das vor sieben Jahren die Mehrheit am Cognac-Haus Delamain übernommen hat.