Die chinesische Nachfrage trieb westliche Luxusgüter wie Uhren, Autos, Weine oder Spirituosen in immer luftigere Sphären. Doch jetzt schwächeln allenthalben die Umsätze. Was steckt hinter der Entwicklung und wie gravierend ist die Situation für die Branche?

Eine Uhr für hunderttausende Dollar, westliche Limousinen und Sportwagen, klingende Bordeaux-Namen oder Cognacs, Zigarren zum Stückpreis von 9'000 Euro das Stück (finews.ch berichtete): Lange schien es so, als gebe es keine Grenzen für die Aufnahmefähigkeit des chinesischen Marktes für westliche Luxusgüter.

Kein Wunder, hat doch die Zahl an Centi-Millionären in keinem Land in den letzten zehn Jahren so stark zugenommen wie im Reich der Mitte, wie finews.ch letzte Woche vermeldete. Zwischen 2013 und 2023 hat sich ihre Anzahl um plus 108 Prozent mehr als verdoppelt.

Weitere Zunahme des Reichtums in China…

Dieses Wachstum zieht sich weiter hinab in die etwas tieferen Etagen der Superreichen-Vermögensverteilung, hin zu den Multimillionären. Laut dem neuesten The Wealth Report, der im Frühling von Knight Frank publiziert wurde, wird die Zahl der Ultra-High-Net-Worth-Individuals in China (Personen mit einem Nettovermögen von 30 Millionen US-Dollar oder mehr) bis 2028 abermals um 47 Prozent zunehmen.

Die Voraussetzungen für einen ungebrochenen Boom der Luxusgüter wären also scheinbar intakt.

Vieles im Minus

Aber die Zahlen erzählen derzeit eine andere Geschichte:

  • Autos: Laut der periodischen Auswertung von Export-Statistiken der Vereinigung der europäischen Motorenhersteller (ACEA) sanken die Auto-Exporte von der EU nach China von 24 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 19,7 Milliarden Euro im 2023. Besonders kräftig nahm zuletzt der Absatz im Luxussegment ab: Porsche verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 im Vorjahresvergleich ein Minus von 33 Prozent. Sogar Ferrari verkaufte 23,4 Prozent weniger Autos in Festlandchina.
  • Die Uhren-Exporte von der Schweiz nach Festlandchina nahmen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 21,6 Prozent ab, jene nach Hongkong um 20 Prozent. Dies gemäss der Fédération de l'horlogerie Suisse (FH).
  • Die Exporte französischer Weine und Spirituosen nach China sank im Jahr 2023 um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr.

In der Luxusgüter-Branche macht sich dementsprechend Nervosität breit. Johann Rupert, der Gründer und Präsident des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont, forderte kürzlich laut Bloomberg (Artikel auf Englisch, bezahlpflichtig), die Uhrenindustrie auf, ihre Produktion angesichts der schwächelnden Nachfrage zu drosseln. Die Jahresergebnisse für das Geschäftsjahr 2023-2024, das das Unternehmen Ende März recht erfolgreich abschloss, zeigten sinkende Umsätze in Festlandchina.

LVMH: Asien-Verkäufe 10 Prozent tiefer

Konkurrent LVMH überraschte die Märkte bei der Präsentation der Halbjahreszahlen negativ mit einem Umsatzrückgang in Asien (ohne Japan) von 10 Prozent, wie unter anderen CNN berichtete.

Die Verschiebungen mit ihren zweistelligen Negativ-Raten scheinen einigermassen extrem. Einen Grund, der Luxusgüterindustrie das Sterbeglöcklein zu läuten, sind sie dennoch nicht. Der Anteil Chinas bei den persönlichen Luxusgütern wird auf rund 15 Prozent des Weltmarktes geschätzt.

Komplexe Wurzeln

Gleichwohl war das Reich der Mitte in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein Motor für die gesamte Branche. Dessen Ausfall trifft insbesondere die Brands, die zu sehr auf China als Impulsgeber für ihr Wachstum gesetzt hatten.

Die Ursachen der chinesischen Grippe sind leider komplex. Einerseits spielen die gewachsenen politischen Spannungen eine Rolle. Zwischen der EU und China ist ein Streit um Elektroautos entbrannt. Die EU droht mit Strafzöllen auf die Importe elektrischer Autos aus China, während Peking mit Vergeltung bei den Importen westlicher Luxusgüter droht.

«Luxury Shaming» auf Chinesisch

Auch ohne diesen erschwerenden Faktor sind in China westliche Symbole von Reichtum und Luxus derzeit gesellschaftlich nicht gerne gesehen. Dazu publizierte kürzlich das Online-Portal Jing Daily, das sich mit den Entwicklungen des Luxusgütermarktes in China auseinandersetzt, eine erhellende Analyse.

Ausschlaggebend dafür ist erstens die relativ schwache Binnenkonjunktur, die den chinesischen Mittelstand unter Druck setzt. Zweitens gibt es sogar explizite politische Vorgaben, sich beim Luxus etwas einzuschränken, namentlich die von Peking propagierte Doktrin der «gemeinsamen Prosperität». Im Mai hat die Regierung die Profile von Influencern in den sozialen Medien gesperrt, denen sie «Zurschaustellung von Luxus» vorwarf.

Kulturell-Politischer Cocktail

Die Reichen in China werden nicht ärmer, aber sie meiden verstärkt die westlichen Luxusgüter.

Dieser kulturell-politische Cocktail dürfte den Herstellern im Westen noch für geraume Zeit die Champagner-Laune etwas verderben.