Der jüngste Börsencrash liess auch vermeintlich sichere Werte wie Gold oder Staatsanleihen einbrechen. Was sollen Anleger nun tun? Bieten Luxusuhren den ultimativen Schutz vor der Vermögenserosion? René Beyer, Inhaber des ältesten Uhrengeschäfts der Welt, liefert exklusiv für finews.ch seine Einschätzung.
Von Michael Baumann, freier Autor
Die jüngsten Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten haben es schonungslos zutage gefördert: Wenn es dramatisch bergab geht, bieten selbst die traditionell sicheren Vermögenswerte wenig Trost. Das zeigte sich in den vergangenen Tagen, als selbst das gelbe Edelmetall und die meisten Staatsanleihen nachgaben. Viele Vermögende mussten sich davon trennen, um fällige Nachschusszahlungen (Margin Calls) zu leisten.
Umso mehr fragt sich der bange Anleger, wo er sein Geld künftig in Sicherheit bringen soll. Etwa in Kunst oder in Liebhaberweine? Darüber hat finews.ch bereits darüber berichtet und geht nun der Frage nach, wie sinvoll eine Wertanlage in Luxusuhren ist.
In Einzelfällen Wert verzehnfacht
René Beyer, Inhaber und Geschäftsführer des weltweit ältesten Uhren- und Juweliergeschäfts mit Sitz an der Zürcher Bahnhofstrasse, warnt vor zu hohen Erwartungen: «Rund 97 Prozent aller Uhrenmodelle, die jedes Jahr in der Schweiz auf den Markt kommen, werden nie einen Wertzuwachs erfahren», sagt er im Gespräch mit finews.ch.
Man müsse sich vorstellen, dass in China rund 650 Millionen Uhren pro Jahr produziert würden. Im Vergleich dazu seien die etwa 22 Millionen mechanische Uhren, die in der Schweiz jährlich hergestellt würden, wenig. Gleichwohl hätten sich seit 1950 nur Immobilien besser entwickelt als einige ausgewählte Uhren und Juwelen. Bei einzelnen Stücken habe sich der Wert verzehnfacht.
Nur drei Modelle
Grundsätzlich muss ein Kunde laut Beyer entscheiden, ob er eine Wertanlage oder ein Spekulationsobjekt suche. «Wie bei den Aktien soll man auch bei den Uhren auf Blue Chips setzen», sagt er. Früher gehörten Eterna und Certina dazu. Heute seien es aber nur noch die Marken Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet.
Aber auch nicht alle Modelle, sondern im Grunde genommen nur deren drei: Rolex Daytona (Stahl und Bi-Color), Patek Philippe Nautilus und Audemars Piguet Royal Oak. Die 20 teuersten Uhren, die je bei Auktionen verkauft wurden, verteilten sich auf dieses Trio.
Mit Modellen anderer Marken müsse man hingegen bis zu 50 Jahre warten, bis sie eventuell mehr Wert hätten als der Einstandspreis. «Wenn aber ein Hersteller ein Modell ohne Nachfolge auslaufen lässt, steigen Nachfrage und Wert sofort massiv an», sagt Beyer. Interessierte können sich bei Beyer im Uhrenmuseum einen Überblick über die Geschichte der Branche verschaffen.
Viel Geduld nötig
Da es in China jeden Tag gegen 100 neue Millionäre gebe, steigt laut Beyer dort auch die Nachfrage nach Luxusgütern, unter anderen nach Uhren. Zwar dürften diese Perspektiven aufgrund der Corona-Krise bis auf weiteres eingetrübt werden. Doch langfristig wird die Leidenschaft der Chinesen an Qualitätsuhren aus der Schweiz mit grösster Wahrscheinlichkeit wieder zunehmen.
Uhren seien erst in den letzten 15 bis 20 Jahren vom Sammler- zum Spekulationsobjekt geworden, erklärt Beyer weiter. Häufig werde aber undifferenziert Luxus konsumiert, nur weil es zum guten Ton gehöre. Wer sich aber eine neue seltene Rolex Daytona anschaffen wolle, brauche Geduld. «Denn die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem», umreisst Beyer die aktuelle Situation. Pro Jahr bekommt er vom Hersteller nur 50 Stück zugeteilt. Auf seiner internen Wunsch- und Warteliste stehen aber 500 Namen.
Uhrenkauf verpflichtet
Grundsätzlich bevorzugt Beyer Schweizer Kunden, die regelmässig bei ihm im Geschäft vorbeikommen, und nicht solche, die eine Uhr direkt nach dem Kauf an der Bahnhofstrasse zum doppelten Preis weiterverkaufen wollen. Er kann sich die Kunden für solche Uhren aussuchen. «Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand die Uhr nicht selbst tragen, sondern weiterveräussern will, bekommt er sie nicht. Asiaten bestellen gleichzeitig bei bis zu 20 Geschäften in Europa die gleiche Uhr und hoffen, dass sie wenigstens einmal erfolgreich sind», fasst er die exponentiell gestiegene Nachfrage zusammen.
Deshalb übergibt er neuerdings die stark gesuchten Uhren nur noch persönlich und lässt die Käufer ein Formular unterschreiben, den Chronometer innerhalb der ersten fünf Jahre nicht weiterzuverkaufen. Wer dagegen verstösst, kommt auf eine schwarze Liste und erhält gar keine Uhren mehr.
Langes Warten
Uhren sind also zusammenfassend aus der Sicht von René Beyer als reine Wertanlagen und vor allem als Spekulationsobjekte nur bedingt zu empfehlen. Die allermeisten Modelle verlieren an Wert, und an die anderen kommt man kaum heran – oder erst nach langem Warten über viele Jahren (TC).